19.06.2009
Rom - No global uneinig. Demonstrationen in L' Aquila und in Rom. Über 100 Kilometer Autobahn unter Kontrolle und Sicherheitsmaßnahmen für 50 Delegationen.
Die in Vicenza am kommenden 4. Juli geplante Demonstration, die als lokaler Protest gegen die Verdoppelung des amerikanische Stützpunkts auf dem Flughafen Dal Molin* könnte zur ersten der Initiativen gegen den vom 8. bis zum 10. Juli in L' Aquila geplanten G8 mutieren und alle Seelen des Protests in sich aufnehmen, von den No Tav** bis zu den Komitees gegen Chiaiano***, von den Anarchisten bis zu den Anti-Imperialisten und den Cobas****. Zwanzig Tage vor dem Gipfel der acht großen, ist es der Anlass, auf den sich die Aufmerksamkeit der Ermittler richtet, die für die Gewährleistung der Sicherheit bei dem Treffen sorgen müssen. Die Gründe sind zwei: erstens, haben weder das monitoring von antagonistischen noch das monitoring der vom islamischen Extremisten besuchten Webseiten und Zusammenhängen Hinweise auf Risikoelemente geliefert; zweitens hat die no-global Bewegung noch keine kollektive Entscheidung über einen Demonstrationsort getroffen.
Innerhalb der Bewegung stehen sich zwei Positionen gegenüber: die, die für ein Event in den Abruzzen ist und von den Cobas unterstützt wird und die, die zu einer "diffusen" ***** Mobilisierung in allen Städten aufruft - angefangen bei Rom - was die Vollversammlung der Bewegungen angeregt hat, die am vergangenen 1. Juni abgehalten wurde, der sich schon das römische noG8-Netzwerk angeschlossen hat, das selbe Netzwerk, das die Proteste anlässlich des Trefffens der Minister des Inneren und der Justiz am vergangenen 30. Mai organisiert hat.
Letztere Position wird auch von denjenigen vertreten, die meinen, dass L'Aquila eine zu "exponierte" Wirklichkeit****** und damit zu gefährlich ist, sowohl weil die Proteste instrumentalisiert werden könnte, als auch wegen der Gefahr, dass die Proteste nur in sehr stark eingegrenzten und sehr scharf kontrollierten Bereichen stattfinden könnten.
Eine endgültige Entscheidung dürfte jedenfalls bei der nächsten am 21. Juni in der abruzzischen Hauptstadt einberufenen Vollversammlung getroffen werden.
Derzeit sind aber auch keine Anzeichen für Anreisen von black block oder Anarchisten aus dem Ausland angezeigt, selbst wenn es wahrscheinlich ist, dass einige aus Griechenland, Spanien und Frankreich am Ende trotz der Aufhebung des Schengener Abkommens vom 28. Juni bis zum 15. Juli doch noch durchkommen werden.
Sicher ist, dass der Einsatz der Ordnungskräfte anstrengend sein wird: neben der Gewährleistung der Sicherheit der 50 Delegationen, von denen viele zwischen Rom, Pescara und L' Aquila pendeln werden, weshalb man für die Sicherung von mehr als 100 Autobahnkilometern aufkommen müssen wird fällt der Schutz von sensiblen Objekten und Institutionssitzen in mehreren Städten an - es besteht nämlich die Möglichkeit, dass die Wochen vom 2. bis zum 10. Juli die Form einer "durch die Frage des sozialen Wiederaufbaus im abruzzischen Territorium" geprägten, "diffusen Mobilisierung" in allen Städten "gegen die Verantwortlichen für die Krise" und annimmt, wie es unter anderem auch selbst im Aufruf der Vollversammlung der Bewegungen heißt.
A.d.Ü.:
* Zivilflughafen am Rande der nordostitalienischen Stadt Vicenza. Ende 2003 verabredeten die italienische und die US-Amerikanische Regierung die Umwandlung des Flughafens in eine Militäranlage - hinter verschlossenen Türen. Die Pläne wurden erst 2006 öffentlich. Die derzeit zwischen Deutschland und Italien aufgeteilte 173 Airborne Division soll dort wegen der Nähe zu Häfen und Luftwaffenstützpunkten geschlossen unterkommen ( grafische Darstellungen: http://www.youtube.com/watch?v=OqQyuaetfhk&feature=related ). U.a. soll der auf der operativen US-Army Achse Aviano-Camp Darby in Norditalien liegende Stützpunkt auch so genannten N.B.C. Storage betreiben (http://de.indymedia.org/2007/06/186192.shtml). Rasch formierte sich eine Widerstandsbewegung ( http://www.youtube.com/watch?v=-goCGWpNX1k ), die bereits mehrere Demonstrationen, Blockaden und Besetzungen ( siehe Playlist http://www.youtube.com/view_play_list?p=0A103A0115BDBA34 ) durchgeführt hat.
** Widerstandsbewegung gegen den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahn TAV. Besonders breit und hartnäckig im Susa-Tal bei Turin. 2005 kämpfte während der harten Wintermonate ( http://www.youtube.com/watch?v=1N0HYVj9S4o ab min. 8:54) die gesamte Bevölkerung trotz härtester polizeilicher Gangart ( http://www.youtube.com/watch?v=vXOyEUcIB2I&feature=related ) bei der Repression geschlossen gegen erste Baumaßnahmen. (siehe u.a.: http://www.youtube.com/watch?v=_B-Zzcwvo0E , http://www.youtube.com/watch?v=pAZ0EY9ci04 ) Die Verwirklichung des Projektes kommt durch den Widerstand nur schleppend voran. Silvio Berlusconi kündigte bereits an, dass er nicht zögern wird, den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahn unter Anwendung von Gewalt durchzusetzen ( http://www.youtube.com/watch?v=C9p9Nb2CYpw )
*** Widerstand gegen die hochgradig die Umwelt und die Gesundheit der Menschen gefährdende Mülldeponie in Chiaiano, einem Stadviertel am Rande Neapels (siehe u.a.: http://www.youtube.com/watch?v=fbAatlrcgag&feature=related , http://www.youtube.com/watch?v=Lh9gbZ1Z29Y ). Auch in Chiaiano zieht sich eine lange Spur der gewaltsamen Repression gegen die Widerstandskomitees und auch in Chiaiano kündigte Berluconi die anwendung von Gewalt und die Entsendung der Armee an ( http://www.youtube.com/watch?v=4rNqNn6mivY ) , was auch propmt erfolgte.
**** Breite, unabhängige Basisgewrkschaft in Italien
***** breit gestreuten
****** Im Original: "Realtá". Dieser Begriff hat nicht annähernd eine angemessene Entsprechung im Deutschen, deshalb wird er im wörtlichen Sinne (Wirklichkeit) übersetzt. In der deutschen Sprache kommen "Zusammenhang" bzw. "Situation" der Begrifflichkeit am nächsten, ohne dabei der Bedeutung im italienischen aber vollkommen gerecht zu werden: mit "Realtá" sind soziale oder, gegebenenfalls, politische "Wirklichkeiten" gemeint, also soziale Situationen oder politische Umstände und das, was sich aus diesen heraus bildet bzw. ergibt. Das Bild der "Wirklichkeiten" hebt deutlicher als der deutsche Begriff "Zusammenhang" bzw. "Situation" den Gedanken der Teilnahme, der Gestaltung und der Mitsprache als gesellschaftlicher Körper im gesellschaftlichen Kontext bzw. seine mögliche Abwesenheit hervor, wie in diesem Fall, wo mit "Situation" - in unterschiedlicher Auslegung und aus unterschiedlichen Beweggründen die Militarisierung und die Härte der Lebensumstände in der Erdbebenregion für die Menschen vort Ort und auch Ängste vor der Instrumentalisierung von Protesten in einem nur bedingt belastbaren Kontext gemeint sind.
Source: http://www.primadanoi.it/modules/bdnews/article.php?storyid=21294