Home » L Aquila 2009  

 Recent

Watch also...



print
2009-06-02

Was sich seit Genua 2001 in der Bewegung geändert hat

Samstag, 30. Mai 2009

Heute Demonstration gegen den G8 in Rom. Auf der Straße: junge Menschen, prekäre Arbeiter und Invisibili* - "Nennt uns aber nicht länger no global"

Seit 36 Stunden tauchen sie wie ein um den Goliath tanzender David blitzschnell und lärmend in Grüppchen von einigen Dutzend auf, um dann wieder zu verschwinden. Und um woanders wieder aufzutauchen. In einer symbolischen Übertretung von "roten Zonen", die den Umfang der den Migranten verweigerten Rechte beschreibt, die jene Grüppchen von einigen Dutzend, die "Nein dem G8, nein dem Sicherheitspaket" und "Eure Sicherheit wird uns nicht auslöschen. Geborene Bürgerinnen und Bürger" sagen, sonnig macht und bei genauerem Hinsehen auch erzählt wer sie sind. Heute Nachmittag kündigen sie an, dass sie zehntausend sein werden und dass die Straße ihnen gehören wird. Im schwerfälligen Wortschatz der Politik und des Informationswesens werden sie immer noch "no global" genannt.

Bild: Genua

Obwohl dieser Name nichts mehr sagt und nichts mehr beschreibt. In den Analysen der Bürokratie, der Sicherheit und der Beobachter der Bewegung wird hinzugefügt, dass es genau die Straße sein wird, die ab jetzt bis zum nächsten Monat erzählen wird, wovon man wirklich spricht - heute in Rom, am 4. Juli in Vicenza gegen den Stützpunkt dal Molin, vom 7. bis zum 9. Juni in L' Aquila. Auch wenn Minister Maroni sich bereits eine Vorstellung gemacht zu haben scheint. Wenn er mahnt, "dass es nichts, über das man sich keine Sorgen machen könnte gibt", dass die "Attraktivität der 'social networks' für Kriminelle und Terroristen groß" und die "Ära der Eversion** nicht abgeschlossen" ist und dabei die Gespenster der 70er Jahre herumtanzen lässt.
Wenn Du sie dir in diese Stunden in Rom ansiehst, wenn du hörst, wie die Bewegung diskutiert, deren Foren im Netz durchgehst und danach fragst, wer sie sind und und was sie geworden sind, stellst du aber fest, dass selbst der Name "No global" nur noch für das Wachsfigurenkabinett taugt."Die Bewegung der Bewegungen" der Tage von Genua gibt es nicht mehr. Die 300000 vom G8 2001, die 730 Organisationen, die sie repräsentierten, sind längst mit der Zeit und der Geschichte dahin geflossen. Wie es schließlich auch die Schicksale von einigen der 18 "Leader" von damals. Gefangene ihrer selbst und einer vergilbten Vergangenheit, wie jene, die sich für den Sprung in die Berufspolitik entschieden haben (Vittorio Agnoletto e Francesco Caruso). Oder auf der Suche nach etwas anderem, wie etwa Luca Casarini, der Arbeitersohn aus Padua, der heute Vater eines kleinen Kindes und am Beginn einer Karriere als Kriminalromancier bei Mondadori, der wieder auf dem Territorium politisch aktiv ist, aber dafür frei von den Stigmata der "Leadership". "Weil wir entschieden haben, das es keine 'leader' gibt", "Weil die Zeit der politischen Subjektivität vorbei ist", und weil "Die Bewegung die Gesellschaft Sprechen zum Sprechen bringen muss". Weil die Erben der Disobbedienti und der Tute bianche Teil des "Netzwerk no logo" sind. Dem Raum ohne Symbole.

Das Kollektiv "Wu ming", das 2001 mit dem Aufruf "Von den Multituden Europas auf dem Weg gegen das Empire" den Tagen von Genua eine politische und symbolische Form gegeben hatte, hat geschrieben: "2003 befand sich die Bewegung schon in einer tiefen Krise. Tag für Tag regredierte sie zu einer randständigen Präsenz, sie reduzierte sich auf eine Art Inter-Gruppierumgen, die den Raum der traditionellen radikalen Linken besetzten. Es traten wieder versteinerte, sub-leninistische Strategien und Tatktiken hervor. Große Mengen Zeit und Energie wurden in identitären Kriegen zwischen Strömungen verschwendet".

Der Mikrobiologe Alberto Zoratti, Experte für fairen Handel und ehemaliger Sprecher des Genoa Social Forum fügt hinzu: In Genua sagten wir, dass die auf die Liberalisierung des Marktes basierte Globalisierung nichts als wirtschaftliche Instabilität gebracht hätte. Gut, wir haben uns nach unten verschätzt. So sehr, dass wir heute feststellen, dass der damalige Fahnenträger der Kreativfinanz Giulio Tremonti zum Feind der Globalisierung geworden ist. Und doch haben es nach Genua nicht vermocht, der Logik der frontalen Auseinandersetzung zu entgehen. Wir haben angefangen, Konsens zu verlieren".

Es klingt, wie der Bericht eines Rückzugs. Eines Todes durch Auszehrung. Übrigens durch den Verlust des Kontaktes mit der katholischen Welt gekennzeichnet, durch die neue Zentralität der Cobas, die auf Kosten der CGIL wieder die einzige Gewerkschaft im Kampf auf der Straße sind und die Spaltungen innerhalb der so genannten radikalen linken*** darüber, ob man innerhalb von der Bewegung sein solle oder nicht. Es scheint aber, als sei es nicht ganz so. "die Wahrheit ist, dass es die 'no global' nicht mehr gibt", sagt Luca Casarini. "Weil wir gewonnen haben. Weil die Geschichte uns Recht gegeben hat. Vor acht Jahren opponierten wir der Globalisierung zum Zeitpunkt ihrer größten Expansion. Heute, wo die Globalisierung ihre Niederlage feiert, nimmt die Bewegungen neue Leitsätze und neue Formen an, die die uralten zu Krise und Widersprüchen des Kapitalismus sind".

Ohne Repräsentanz und Koordination (auf die er verzichtet), hat der Antagonismus einen globalen Horizont hinter sich gelassen, um wieder zur Arbeit auf dem Territorium zurück zu kehren - Knotenpunkte: "Bildung" (mit der Welle), "Prekariat", gemeinschaftliche Güter (wem gehören Luft, Wasser und die Erde?), Migranten. Un er hegt dabei weiter eine Vorstellung des Kampfes auf der Straße als "Übertretung der roten Zone", womit er übrigens ein Bild zusammengetragen hat, das Ilvo Diamanti nach den Revolten, die Griechenland und Frankreich entzündet haben, auf den Seiten dieser Zeitung
mit Worten festgehalten hat, die zum Bestand der neuen "no logo" geworden sind.

"Der gemeinsame Nenner von diesen sozialen Explosionen" hat er geschrieben, "sind die jungen Leute, die von einer Gesellschaft, die Alt und im Untergang begriffen ist, von einem ineffizienten und häufig korrupten, nicht-weitsichtigen politischen System unterschlagen und überwacht werden. Die in einer Gengenwart ohne Zukunft erdrückt werden, der die Bürgerschaftsrechte entzogen sind. Es ist zwecklos, sie zu ignorieren, als ob sie es nicht gäbe. Es gibt sie. Sie existieren. Und wenn man so tut, als ob man sie nicht sehen würden, entzünden sie sich. Sie brennen". Die Geographie der sozialen Zentren hat sich in jene neu konfiguriert, die "aree di aggregazione" **** heißen.

So kommt es zum Beispiel, dass die Unterstützer bei "dachepartestare.org", die vergangene Woche die antirassistische Demonstration in Mailand organisierten, bei "globalproject.info" fehlen, dem Bezugspunkt der sozialen Zentren im Nordosten, die zusammen mit den Römern von "Action" die Demonstration heute initiiert haben und dass der mailändische "Cantiere" sich von den Leuten in Padua getrennt hat, während sich "Askatasuna" in Turin, "Crash" in Bologna und "Ex carcere" um "infoaut.org" gesellen. "Wir sind eine Bewegung 2.0", sagt Monica Di Sisto von der Kooperative "Fair" in und definiert damit diese neue politische Landkarte in Anlehnung an die Konzeptrevolution, die das Netz erfahren hat. "Die Mobilisierung heute ist netzartiger und interaktiver". So sei es. Adieu no global. Hier kommen die Kids des "2.0".

von Carlo Bonini und Anais Ginori

A.d.Ü.:

* "Unsichtbare". Damit sind besonders Migranten gemeint, aber auch alle anderen, die in der Gesellschaft "unsichtbar" gemacht werden.

** Politischer bzw. gesellschaftlicher Umsturz

*** Mit "sinistra radicale" ist das politische Spektrum gemeint, das auf europäische Ebene die "European Left" bildet

**** Eine angemessen treffende Übersetzung ist unmöglich. "Area" kann entweder ein Ort, aber auch ein sozialer Zusammenhang sein und "Aggregazione" steht für Zusammenfindung bzw. Ansammlung

Source: http://www.repubblica.it/2009/05/sezioni/politica/g8-sicurezza/manifestanti-roma/manifestanti-roma.html