Vom Schmerz zur Wut
Vermutlich etwas spät, was aber kein Problem ist: es fühlt sich so an, als würde die Bevölkerung in den Zeltstädten - oder wenigstens ein wachsender Teil von ihr - endlich den Schmerz und die Niedergeschlagenheit bei Seite zu schieben, um sich im Territorium neu zo organisieren und die eigenen Rechte durchzusetzen. Es gibt Komitees, Koordinationen oder auch nur einzelne Personengrüppchen, die zwischen den Zelten beginnen, von Wiederaufbau zu sprechen. In Wahrheit liegt noch eine gewisse Unverbundenheit zwischen der aktiven Bevölkerung und einer in weiten Teilen noch durch die militärische Kontrolle, passivierende Fürsorgesysteme und Bürokratie benommenen Masse - die Keime eines ersten möglichen Protestes breiten sich aber aus und es wird doch wohl etwas bedeuten, wenn auch in der Mainstream-Presse Artikel wie dieser* (Die große Täuschung nach dem Erdbeben) zu erscheinen beginnen.
In der beschriebenen Spur liegt auch die vom Comitato "3:32" ** sehr partizipierte gestrige Vollversammlung zum G8, die natürlich auch Gelegenheit gegeben hat, über all das, was mit dem Ereignis zusammenhängt zu sprechen, vom umstrittenen Erlass vom 28. April (samt mit diesem zusammenhängender Anordnungen) bis hin zur auf dem Territorium fortschreitenden Militarisierung und zum Wiederaufbau selbst. Die Veranstaltung verzeichnete die, wenn auch informelle, Teilnahme von zahlreichen Vertetern der Basisgewerkschaften, des Socialforums und anderer Bewegungen und Gruppen außer Epicentro solidale***; Wenn auch mit unterschiedlicher Nuancierung und unter Vorbehalt der Tatsache, dass die Diskussion des Schlusspapiers stattfinden wird, waren die am häufigsten Wiederkehrenden Punkte in den Beiträgen der vielen, die sich zu Wort meldeten, folgende:
1 - Die Ablehnung des G8, der wachsenden Militarisierung und der mit diesen einher gehenden Geldverschwendung.
2 - Die Notwendigkeit der Rücknahme oder mindestens einer vollständigen und tiefgreifenden Revision des Dekrets Nr. 39 vom 28. April zugunsten von einer Neuschreibung, die neben den Bürgermeistern**** auch den örtlichen Komitees, die derzeit durch den aktuellen Text entwertet werden, eine primäre Rolle zuschreibt
3 - Die Bedeutung einer Informationskampagne innerhalb und außerhalb der Camps, die also bemüht ist, sowohl die unmittelbar betroffene Bevölkerung über die wortwörtlich von Oben über ihre Köpfe und auf ihrer Haut herabregnenden Enstscheidungen zu informieren als auch, dem Rest des Landes zu schildern, welchen Plan man in und rund um L' Aquila im Begriff ist, umzusetzen (oder umsetzen möchte).
Und jetzt, unser Tag: heute haben wir folgendes Material transportiert: Waschmittel, Hygieneartikel, Desinfektionsmittel, Kindercremes, Seife und Deos.
Seit Beginn unserer Aktivitäten haben wir, ausgehend vom Materiallager in Fossa über 50 Siedlungsvorkommen beliefert, zu denen Camps gehören, aber auch im gesamten Territorium zerstreute Kleinstzusamenhänge - ungeschtet der einzelnen Familien, die direkt ins Lager kommen - und wir werden es weiter tun. Der Geldmangel hat uns in den letzten Tagen leider gezwungen, uns hin zur Auffindung von kostenlos zugänglichen Materialien neu zu organisieren, und wir waren gezwungen, auf die Lieferung von frischem Obst- und Gemüse zu verzichten, obwohl die Nachfrage immer noch sehr groß ist. In Klammern ist in diesem Sinne auf die Zeltlstädt in Lilletta hinzuweisen: man hat uns wissen lassen, dass ein Wechsel in den Versorgungsprozeduren die Gefahr aufkommen lässt, dass das camp für einge Tage unversorgt sein wird, besonders in Bezug auf die täglichen Lieferungen (Obst und Gemüse) - nur so, um ein weiteres Mal eine Vorstellung des Bestehens eines sperrigen bürokratischen Elements, der jederzeit in der Lage ist, das prekäre Gleichgewicht, auf dem selbst die offiziellen Camps gestützt sind, zu verändern.
Neben der Belieferung der Camps werden wir in den nächsten Tagen (auch dank der kostbaren Bereitschaft von einzelnen Freiwilligen) die Bibliothek in Fossa in Betrieb nehmen, die Verstetigung des Filmreihenprojekt unterstützen und uns in Bewegung setzen, um in den Camps - auch dank der Zusammenarbeit mit anderen auf dem Territorium aktiven Zusammenhängen - weitere Projekte zu verwirklichen oder zu unterstützen. Weitere Informationen bezüglich der ei9nzelnen Aktivitäten und der Ansprechpartner werden wir in den nächsten Tagen mitteilen - sobalde die Aktionsmöglichkeiten und -modalitäten konkret geklärt sein werden.
Auch aus diesen Gründen werde ich ab morgen und bis zum Wochenende im Zeltstadt in Fossa campen. Wer auch immer mich kontaktieren möchte, wird gebeten, es vorzugsweise telefonisch zu tun, da ich nicht weiß, ob und wie oft ich meine emails einsehen können werde.
Nächster Bericht um den 10. Mai
Bis bald!
* http://www.ilmessaggero.it/articolo.php?id=56831&sez=HOME_MAIL
** Uhrzeit der Erderschütterung vom 6. April. http://www.3e32.com/
*** Unmittelbar nach dem Beben enstandene, unabhängige Hilfsinitiative in Selbstverwaltung, http://www.epicentrosolidale.org/
**** In der aktuellen Fassung wird selbst ihnen jedes Mitbestimmungsrecht aberkannt
Source: http://andataeritorno.noblogs.org/post/2009/05/05/report-giornaliero-04-05-09