In der öffentlichen Presse werden die Ausschreitungen in Rostock gern so dargestellt, als gingen sie von vornherein ausschließlich von den Demonstranten – im Speziellen vom „schwarzen Block“ aus. Als Augenzeugin möchte ich einige andere Seiten beleuchten.
Leserbrief zu Krawallen in Rostock
Die andere Seite von Rostock: Polizeiliche „Gegendemo“ mit gewaltsamer ProvokationIn der öffentlichen Presse werden die Ausschreitungen in Rostock gern so dargestellt, als gingen sie von vornherein ausschließlich von den Demonstranten – im Speziellen vom „schwarzen Block“ aus. Als Augenzeugin möchte ich einige andere Seiten beleuchten.Nachdem die Demonstration aus Richtung Bahnhof gut die Hälfte der Strecke relativ friedlich verlaufen war und sich die Polizei erstaunlicher Weise zurückhielt, schlug die Stimmung plötzlich um. Massive Polizeipräsenz tauchte in den Seitenstraßen auf. Greiftrupps in voller Ausrüstung versuchten immer wieder, auch unter Anwendung von Gewalt, in die Demonstration zu dringen, Leute herauszuziehen. Sie setzten zum Teil Reizgas und Schlagstöcke ein. Ich selbst beobachtete aus nächster Nähe folgende Szene:
Eine Gruppe als Clowns verkleideter Teilnehmer trieb pantomimischen Späßchen mit den Beamten, als sie bereits in Massen die Straßenseiten säumten. Das heißt, sie ahmten sie nach und zogen sie damit ins Lächerliche. Stoff dafür gab ihre typische robocopmäßige Aufstellung und Ausstrahlung beim Warten auf Einsatzbefehle, die unmissverständlich klarmachte: Wir sind zu Gewalteinsätzen bereit. Irgendwann reichte es den Beamten, wie auf Kommando, aber ohne jegliche Vorwarnung, griffen sie die „Clowns“ an, drückten sie teilweise äußerst brutal zu Boden, traten sie, setzten Reizgas aus nächster Nähe ein. Einige wurden sofort aus der Demonstration verbracht. Ganz normale Teilnehmer, die das beobachteten, brüllten – erschüttert von der rohen Gewalt – die Beamten an, sie sollen diese Personen, unter denen viele Frauen waren, in Ruhe lassen. Die Beamten griffen sogleich auch friedliche Teilnehmer an. Es gab einige Verletzte, meist durch Reizgas, aber auch durch Schläge mit Knüppeln von Seiten der Polizei. Erste Hilfe wurde durch Demonstranten geleistet.Die Stimmung heizte sich dadurch schlagartig auf. Dazu kam, dass die Polizei mit massiver Präsenz über eine längere Zeit den Zugang des Demonstrationszuges zum genehmigten Kundgebungsplatz ohne jegliche Rechtfertigung versperrte, die Menschen praktisch auf der Straße festhielt. Erst zu diesem Zeitpunkt flogen, wie ich beobachtete, zumeist Farbbeutel, aber auch einige Steine und mindestens ein Molotowcocktail in Richtung der Polizisten und deren Fahrzeuge. Demonstranten versuchten mit langsamem Weitergehen und Kettenbildung die Sperre durch massenweise aufgefahrene Beamte zu übergehen, die Beamten zückten ihre Knüppel und drohten offensiv mit Angriff. Dadurch eskalierte die Stimmung, Personen – zumeist aus dem schwarzen Block – rissen erste Gehwegplatten aus, um sie als Wurfgeschosse zu benutzen. Immer wieder griffen währenddessen Beamte in den Demozug ein, meist an Stellen, wo es friedliche Demonstranten traf, da sie an anderer Stelle nicht eindringen konnten. Dann erst starteten Vermummte erste gezielte Angriffe mit Steinen. Die Beamten zogen sich zunächst zurück, um mit mehreren Hundertschaften den Gegenangriff zu starten.Die Situation wuchs sich zu einer regelrechten Straßenschlacht aus, als die Polizisten mit Wurfgeschossen, die Reizgas verströmten, teils mitten in die Menge warfen. Unzählige Unbeteiligte wurden dadurch verletzt, einige lagen gekrümmt und röchelnd durch das Tränengas am Boden. Demonstranten leisteten zu Hauf erste Hilfe. Teilweise wurden durch die Polizei aktiv verhindert, dass Sanitäter zu Hilfe kommen konnten. Auch Journalisten wurden durch Polizeibeamte verletzt, Technik zerstört. Es kam später dazu, dass Beamte die gesamte Veranstaltung eingekesselten, eine Wolke aus Tränengas zog über die gesamte Veranstaltung, doch niemand konnte dem entkommen. Wasserwerfer wurden auch in Richtung Kundgebung und friedlicher Demonstranten geworfen und meiner Meinung nach waren diese ebenfalls mit Reizgas versetzt.Die meisten Demonstranten waren nicht gekommen, um Gewalt eskalieren zu lassen. Aber auch sie erlebten die Polizei als brutalen, gut gerüsteten Machtapparat, der sehr wohl genug Provokationen dafür lieferte, die Stimmung dementsprechend anzuheizen und der ohne Rücksicht auf Verluste alle Geschütze auffuhr, mit roher Gewalt und ohne Rücksicht schließlich gegen alle vorging. Die „Robocops“ präsentierten eine radikale polizeiliche Gegendemo, die allen G8-Gegnern zeigen sollte: Nur dieser eine Staat, wie er jetzt ist, ist gut!Dies, wie auch die repressiven Maßnahmen in der gesamten Stadt Rostock, die mit Einschüchterungen und Leibesvisitationen zahlreicher ganz normaler Passanten einhergingen, mag dazu beitragen, die Angst vieler Menschen zu schüren, ihre Meinung auf Protestaktionen kundzutun. Doch ich denke, es fördert eher die Wut und den Zusammenhalt bestimmter Strömungen und trägt letztendlich zu noch mehr Ausschreitungen bei.
[http://de.indymedia.org/2007/06/180892.shtml]