Wir schildern im Folgenden die
Ereignisse und Eindrücke rund um
die Auseinandersetzungen um die
Großdemonstration, die Kundgebungen
und das Anti-G8-Musikfestival
am Samstag, den 2. Juni aus
der Sicht eines Demo-Sanis.
Der Antikapitalistische Demonstrationszug,
der später als „Schwarzer
Block“ bezeichnet wurde, verhielt
sich am Auftaktplatz der Demo,
dem Platz der Freundschaft hinter
dem Rostocker Hauptbahnhof, wie
alle anderen Menschen auch, nämlich
völlig friedlich. Trotzdem kreisten
hier bereits mehrere Polizei-
Hubschrauber und filmten mit hoch
auflösenden Beobachtungskameras
die zehntausenden Versammelten.
Im Bahnhofsgebäude war die angespannte
Stimmung unter den Einsatzkräften
der Polizei, des Bundesgrenzschutzes
und der
Sonderkommandos an deren grimmigen
Gesichtsausdrücken und
schneidigen Äußerungen wahrnehmbar.
Als der Teil der Demonstration
rund um den Wagen des ersten Antikapitalistischen
Blocks kurz nach
dem Beginn der Demo an der ersten
Eisenbahnbrücke ankam, waren
dort bereits offen filmende PolizistInnen
und andere, zivil getarnte
BeobachterInnen postiert, um die
Beteiligten genauestens unter die
Lupe nehmen zu können. Tausende
offenkundig antikapitalistisch
gesinnte Menschen dürfen eben
nicht unbeobachtet bleiben, wenn
man sie schon ungehindert ziehen
lassen muss, wie es laut Versammlungsgesetz
abgesichert ist. Die Störung
der Demonstration durch kleinere
Polizeitrupps wurde später
dann intensiver. An einigen Stellen
versuchten sie bei der Durchquerung
des Rostocker Einkaufs- und
Bankenviertels Zugriffe auf die
DemonstrantInnen. Am Rand der
Abschlusskundgebung wurde dann
ein Streifenwagen der Polizei so am
Weg der Demoroute postiert, dass er
den potentiell von den Schikanen
der Polizei aufgebrachten DemonstrantInnen
ein Dorn im Auge sein
musste und sie ihn in Mitleidenschaft
ziehen würden. Das sollte
dann die weiteren Stör- und
Zugriffseinsätze rechtfertigen, die
sich an die Beschädigung des Polizeifahrzeugs
anschließen sollten.
Zum Zeitpunkt der Polizeiangriffe
befanden sich nach Durchsagen der
Veranstalter ca. 80.000 Menschen
auf dem Kundgebungsplatz am
Stadthafen. Dort unternahm die
Polizei die meisten Angriffe, eine
Reihe von Demonstrierenden wusste
sich aber organisiert zu verteidigen.
Die Polizei musste sich zurückziehen
und ging dann kurz darauf
mit verstärktem Aufgebot wahllos
und willkürlich gegen den gesamten
Platz vor. Im Bereich der Abschlusskundgebung
und des Konzertes gab
es Angriffe der Robocops mit brutaler körperlicher Gewalt, den Einsatz
von Wasserwerfern, Rauch- und
Reizgasgranaten und wurden friedliche
VersammlungsteilnehmerInnen
bedrängt. Weder die Übertragungswagen
der Massenmedien, noch die
Menschen in den hintersten Reihen
am Rande der Kaimauer sind von
den Polizeieinsätzen verschont
geblieben. Ein Wasserwerfer fuhr
sogar frontal in eine Menschenmenge
direkt vor dem Hafenbecken, so
dass einige unbeteiligte Menschen
fast von der Kaimauer ins Wasser
fielen. Diese Einsätze sind allesamt
scharf zu kritisieren und zu verurteilen.
Während der Gewalttätigkeiten
durch die Polizei wurden viele Menschen
durch direkten Pfeffersprayeinsatz
im Gesicht, Augen-, Mund-,
Nasen- und Rachenraum und an den
Schleimhäuten verletzt. Die dadurch
auftretenden Reizungen können in
einigen Fällen über Tage bis Wochen
anhalten.
Andere wurden mit
beschwerten Handschuhen, Panzerung
und Knüppeln auf Kopf,
Arme, Beine, Rücken und Hüfte
geschlagen. Einer jungen Frau
wurde in unserer Gegenwart die
Hand so verdreht, dass sich danach
eine im inneren heraus gebrochene
Gelenkknorpelverstellung am Mittelfinger
ergab, die mit Sicherheit
eine lange und kostenintensive
Nachbehandlung erfordern wird.
Dass dies nicht die einzige und
bedrohlichste Verletzung während
der Tage geblieben ist, ist bekannt.
Medizinische Versorgung gab es
anfangs nur durch die Demosanis.
Rettungsdienste, NotärztInnen oder
Krankenwagen waren erst nach den
Ausschreitungen vor Ort. Diese
Vorgehensweise der Einsatzleitung
ist unentschuldbar fahrlässig. Wer
schon in Kauf nimmt, bei einem
Polizeieinsatz viele Menschen zu
verletzen, muss wenigstens für die
teilweise Wiedergutmachung Vorsorge
treffen. Bei Veranstaltungen
dieser Größenordnung kann auch
ohne einen nachweisbaren Grund
oder speziellen Anlass immer wieder
eine Massenpanik auftreten. Für diesen
Fall wäre nicht genügend Rettungspersonal
vor Ort gewesen, um
rechtzeitig Hilfe leisten und Menschen
zur Not versorgen zu können.
Während mit Menschen, die an
systemkritischen Veranstaltungen
teilnehmen, geringschätzig umgegangen
wird, steht dazu z. B. die allinclusive-
Betreuung von Volks-,
Schützen-, Feuerwehr-, Bürger-,
Jahrmarkts und/oder sonstigen
Rummelfesten in krassen Gegensatz.
An den allerkleinsten Orten
werden dafür manchmal sogar der
Löschzug und ehrenamtliche Rettungstrupps
des ganzen Landstriches
oder der gesamten Kreisstadt
aufgefahren. Aber hier treffen sich ja
nicht Menschen zur kritischen Meinungsäußerung,
sondern eher ein
schwarz-rot-goldener Alltagsmob,
um sich in bierlastiger Glückseligkeit
das Liedchen von Einigkeit und
Recht und Freiheit um die feinen
deutschen Ohren zu grölen.
Was mensch auf diese Vorhaltungen
hin von einem Polizisten am
Rande der Ereignisse in ruppigem
Tonfall alles zu Hören bekommt, ist
dann, dass die Demonstrierenden
doch eigentlich alle nur selber an
ihrer Anwesenheit Schuld seien und
man ja ansonsten auswandern könnte.
Solche Zitate lassen tief ins mit
Menschenverachtung zugequarzte
Hirn eines Staatsschützers blicken.
Viele der Polizeikräfte waren auch
aus anderen Gründen überfordert –
sie waren zu jung und unerfahren,
erhielten ständig sich widersprechende
Befehle, bekamen unabschätzbare
Bedrohungssituationen
suggeriert usw. Wir werten diese
desolaten Zustände als katastrophales
Bild einer so gewollten Notstandssituation,
die mit Absicht zur
Unterdrückung des Widerstandes
herbeigeführt und inszeniert wurde.
Wir verpassen der BRD dafür
hiermit einen Stempel mit dem Prädikat
der besonders heimtückischen
Unterminierung der Menschenrechte
im Sinne der tausendfach unterlassenen
Hilfeleistungen, bei vorsätzlichem
Handeln und der ständig
befohlenen Bereitschaft, massive
physische Gewalt gegenüber unbewaffneten
Menschen einzusetzen.
Wir wünschen uns eine Gesellschaft
ohne Unterdrückung und Ausbeutung,
strukturelle Gewalt, Freiheitsberaubung,
Knäste, Polizei und sonstige
Repressionsorgane oder
überflüssige Behörden.
Bundeswehr und Polizei abschaffen
– Uniformismus aufheben –
Militarismus und Gewaltherrschaft
entkräften.
Ein Demo-Sani der ADSK (Autonome
Demo-Sanis Köln; adsk@af-i.de)