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12.06.2007

„Haut doch ab! Ihr gehört doch zu denen. Habt ihr wenigstens die Preisschilder aus euren neuen Klamotten gemacht ?“

„Gestern nahm ich an der Demonstration in der Geisterstadt Rostock teil. Außer Teilnehmern und Polizisten waren nur vereinzelte Anwohner in Fenstern sichtbar, wenige säumten den Weg. Allein der Demonstrationszug, der vom Bahnhof aus zum Hafen ging, wurde von mehr als 30.000 Teilnehmern gebildet. So viel zum SPON-Artikel: Stell Dir vor, es ist Demo - und kaum einer geht hin. Am Bahnhof fanden übrigens keine der sonst bei jeder Kleinstdemo üblichen Kontrollen von Rucksäcken usw. statt. Später zeigte sich auch, dass dies mit zur Strategie gehörte. Entweder ist die Demo-Leitung naiv oder berechnend, denn die Aufstellung des Zuges funktionierte nach dem, wie ich es nennen würde, Aschenputtel-Prinzip: vorne die `Guten`, nach Zugehörigkeit geordnet, hinten die `Bösen?, so dass Die Grünen, attac, DiDF, Die Linke, FAU, DKP etc. hübsch voneinander zu unterscheiden waren, auch für die Polizisten, die den Zug von Brücken und Erhöhungen und aus den zwei Hubschraubern heraus beobachteten.Der Marsch verlief friedlich, obwohl die Polizei sich an markanten Stellen dekorativ stark und kampfbereit zeigte.

Am Kundgebungsort, dem Hafen angekommen, - die/ Guten /waren schon auf dem Platz vor der Bühne, also in Sicherheit - kam es zum Zwischenfall, den ich aus meiner Perspektive schildern möchte.

Ein Demo-Truck, der uns entgegenkam, wollte auf der parallel zum Platz verlaufenden Zugangsstraße, auf der wir uns befanden, das Gelände verlassen, und ihm kam ein mit uns ankommender Lastwagen entgegen. Da die Straße zu eng war, sollte dieser von einem Ordner gesichert zurücksetzen. Um nicht im Weg zu stehen, gingen mein Begleiter und ich am linken Straßenrand weiter und der LKW setzte sich rückwärts in Bewegung; der zweite LKW wartete vor einer abbiegenden Straße, die wir nicht einsehen konnten.

Neben uns befand sich ein Grünstreifen, der mit mittelhohen Bäumen und Sträuchern bewachsen ist. Plötzlich sah ich neben dem wartenden Truck Menschen in unsere Richtung rennen. Auf uns kam ein Paar mit Kinderwagen zugerannt; der Mann hatte das Baby im Arm. Es flogen Steine und Werfer und Polizei stürmten heran. Wir halfen der Familie, den Kinderwagen vor die Büsche zu quetschen; das Baby wurde hingelegt, und wir stellten uns mit dem Gesicht dem Geschehen zugewandt eingehakt um den Wagen, um das Kind zu schützen. Ein Laternenpfahl half uns notdürftig dabei. Die Hundertschaft verschwand hinter dem Grünstreifen, die Steinewerfer blieben auf der Strasse. In einer Feuerpause flüchtete das Paar mit ihrem Kinderwagen entlang des Grünstreifens Richtung Innenstadt. Mein Begleiter und ich standen zwischen Werfern und Polizei; wir wollten sobald als möglich die Strasse überqueren, um zu unseren Freunden zu kommen. Ich versuchte durch Rufen die Werfer zum Aufhören zu bewegen.

Die Polizisten, das konnte ich erst jetzt wahrnehmen, nachdem die Familie außer Gefahr war, stand in drei Reihen vor den sich hinter dem Grünstreifen befindlichen Häusern und rührte sich nicht! Die Steine flogen im hohen Bogen über unsere Köpfe hinweg und ich musste über unsere Lage plötzlich fürchterlich lachen, aber auch meine Verletzlichkeit, so ganz ohne Helm und Schutz wurde mir bewusst.

Als die Werfer nachladen wollten, versuchte ich einen handgreiflich daran zu hindern. Dabei war etwas sehr seltsam: der junge Mann war so jung nicht, er grinste, schüttelte mich locker ab und es fehlte jedes Anzeichen auf eine Adrenalinausschüttung, also Aggression. In dem Moment hörte ich das Rufen anderer Augenzeugen: „Haut doch ab! Ihr gehört doch zu denen. Habt ihr wenigstens die Preisschilder aus euren neuen Klamotten gemacht.“ usw., und ein paar jüngere Männer wurden beschimpft, dass sie sich zum Mitwerfen hatten verleiten lassen. Interessanterweise war kein einziger Polizist in der Nähe und die geschulten Werfer tummelten sich in aller Gemütsruhe in Richtung abbiegender Strasse.

Ich musste an einen anderen Bericht denken, der aber seltsamerweise im Netz nicht mehr zu finden ist. Er behandelte das Thema “Steinewerfer in Uniform” und das Training der Polizei in Alt Spenrath. Hier ist das Training ebenfalls beschrieben.

http://www.rp-online.de/public/article/regional/niederrheinsued/kors
chenbroich/nachrichten/korschenbroich/437025

[http://www.elo-forum.net/politik/politik/-20070606615.html]