03.06.07, 12:08
Rostock sollte die Generalprobe für friedlichen Globalisierungsprotest werden – und ging im Steinehagel unter. Die Organisatoren wollen trotzdem nicht von ihrer Heile-Welt-Strategie lassen.
Von FOCUS-Online-Redakteurin Iris Mayer
Am Tag nach den Bildern von brennenden Autos, prügelnden Chaoten und Polizisten im Steinehagel bemühen sich die Veranstalter um Schadensbegrenzung. Statt über die Krawalle vom Vortag wollte man am Sonntag lieber über den “Aktionstag Landwirtschaft” sprechen.
Und Karsten Smid von Greenpeace referiert ausführlich darüber, wie friedlich die Teilnehmer für Klimaschutz und Schuldenerlass demonstriert haben. Sein Fazit: “Wir haben gezeigt, dass eine andere Welt möglich ist.”
Die nüchterne Bilanz des Samstages fällt etwas anders aus: 430 verletzte Polizisten, mehr als 500 verletzte Demonstranten, mindestens 160 Festnahmen und Sachschaden, der in die Hunderttausende geht. Und die Erkenntnis, dass Hunderte Linksradikale ein ganz klares Ziel hatten: Gewalt. Auch Smid muss eingestehen: “Wir haben die Krawalle eine Stunde lang unterschätzt.” Trotzdem glaubt er an friedliche Proteste in den kommenden Tagen: “Wir wollen deeskalieren.” Wie das gehen soll, weiß er schon: “Wir werden sehr viele Gespräche und Diskussionen führen.
Scheiben einwerfen heißt “entglasen”
Mani Stenner von der Demoleitung beteuert, dass im Vorfeld alles bestens vorbereitet war: “Wir sind schließlich Profis, wir hatten realistische Erwartungen.” Dass die Realität dann doch anders aussah, macht ihn “sehr traurig”. Dass die Scheiben von Lokalen und der Sparkasse mit Hämmern und Steinen eingeschlagen wurden, heißt in seiner Sprache “Entglasung”. Nach anfänglichem Lob für die Deeskalationsstrategie der Polizei übt er aber auch “Teilkritik an den Einsatzkräften” und berichtet von unangemessener Härte. Polizeisprecher Falkenberg reagiert auf solche Anwürfe empört: “Wir lassen uns von Gewalttätern doch nicht vorschreiben, wie wir gegen Gewalttäter vorgehen.”
“Nicht jeder Vermummte wirft Steine”
Mehrere Hundert der Autonomen waren aus Hamburg angereist, zahlreiche kamen zudem aus Griechenland und Großbritannien. Tim Laumeyer von der Interventionistischen Linken sieht darin aber keinen Grund, die Strategie zu ändern. “Wir werden weiter europaweit mobilisieren und so viele Absprachen wie möglich treffen.” Dafür sieht Laumeyer erhebliche Schuld bei der Polizei. Die 21. Einsatzhundertschaft habe “massive Schlägereien angefangen und bewusst provoziert, um die Bilder zu bekommen, die sie haben wollten”. Dass die Gewalt vom autonomen Schwarzen Block ausging, lässt er unkommentiert. Wer diese Leute sind? “Linksradikale, die sich schwarz anziehen. Aber nicht jeder der vermummt ist, wirft auch Steine.”
Dabei hat der Schwarze Block durchaus Krawallgeschichte geschrieben. Die Schlachten in der Hamburger Hafenstraße Ende der 80er-Jahre gehen ebenso auf sein Konto wie die gewaltsamen Proteste gegen den G8-Gipfel in Genua 2001 und die Krawalle der vergangenen Woche beim Asem-Gipfel in Hamburg. Auch dort waren deutlich mehr Autonome angereist als erwartet, hatten die Demonstration geentert und die Polizei attackiert.
[http://www.focus.de/politik/deutschland/g8-gipfel/krawalle_aid_62312.html]