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2007-06-03

Scharfe Kritik an Rostocker G8-Ausschreitungen

Die Veranstalter der von schweren Krawallen überschatteten G8-Proteste am Sonnabend in Rostock haben den Gewaltausbruch mehrerer Tausend Autonomer scharf kritisiert. Die Ausschreitungen seien durch nichts zu rechtfertigen, sagte Manfred Stenner vom Aktionsbündnis am Sonntag. Die Polizei habe sich am Sonnabend an ihren deeskalierenden Kurs gehalten. Nach dem friedlichen Beginn der Großdemonstration seien die Veranstalter davon ausgegangen, dass es ruhig bleibe. Stenner räumte Versäumnisse der Organisatoren ein: Für eine viel zu lange Zeit habe man die Situation nicht im Griff gehabt. Die Polizei sei jedoch während der Ausschreitungen immer wieder in den Stadthafen vorgerückt, wo die Abschlusskundgebung stattfand. "Darunter litten Unbeteiligte", kritisierte Stenner.

Am späten Sonnabend hatten Karsten Smid vom Organisationskomitee bereits erklärt, es gebe keine Schuldzuweisungen an die Polizei.

Der Chef der G8-Polizeieinheit Kavala, Knut Abramowski, hatte erste Äußerungen aus den Reihen der Organisatoren kritisiert, die Polizei habe die Eskalation provoziert. Trotz der "offensichtlichen massiven Angriffe durch Gewalttäter" hätten Sprecher der Demonstrationsveranstalter auf der Bühne der Abschlusskundgebung der Polizei noch während der Auseinandersetzung Gewalt provozierendes Verhalten vorgeworfen.
Kritik am Verhalten der Polizei

Tim Laumeyer von der Pressegruppe der Interventionistischen Linken gab der Polizei dagegen eine Teilschuld an den Krawallen. Berliner Polizisten hätten Demonstranten geschubst und getreten, sagte er am Sonntag. Damit hätten sie dafür gesorgt, dass sich die Situation sehr schnell hochgeschaukelt habe. Laumeyer sprach von bewusster und gezielter Eskalation, distanzierte sich jedoch klar von den Krawallen: Die Proteste müssten friedlich bleiben. Der Koordinator des Rostocker Anti-G8-Bündnisses, Monty Schädel, kritisierte nach den schweren Krawallen ebenfalls die Polizei. Diese habe nicht zur Deeskalation beigetragen, sagte er. Es gebe keine Entschuldigung und keine Rechtfertigung dafür, dass eine Gruppe Autonomer ein Polizeiauto angegriffen habe. "Die Polizei ist aber anschließend stümperhaft und unprofessionell vorgegangen", sagte Schädel. Von den im Vorfeld viel gepriesenen Deeskalations-Teams sei nichts zu sehen gewesen.

"Bisher nicht gekannte Brutalität"

Die Polizei betonte, sie habe während des Demonstrationszuges auf Deeskalation gesetzt. Beide Aufzüge hätten sich "ohne unmittelbare Polizeibegleitung" über die angemeldeten Marschwege bewegt. Dann sei es zu ersten Steinwürfen aus dem sogenannten Schwarzen Block der Autonomen gekommen. Im Stadthafen sei die Lage eskaliert, als militante Autonome Polizeibeamte in ihrem Dienstfahrzeug angriffen. Das Fahrzeug sei schwer beschädigt worden, die Beamten hätten sich zwar dem Angriff entziehen können, seien aber erheblich verletzt worden. Abramowski zeigte sich tief erschüttert über die Angriffe "in bisher nicht gekannter Brutalität". Letztendlich hätten sie nur mit dem Einsatz von Wasserwerfern beendet werden können. Auch Attac bestätigte, dass der Anlass für die Eskalation nach dem Ende der Demonstration der Angriff einer kleinen Gruppe Demonstranten auf den am Kundgebungsplatz geparkten Polizeiwagen gewesen sei. Danach sei die Situation eskaliert.

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, übte gegenüber dem NDR Nordmagazin scharfe Kritik am Vorgehen der Polizeiführung Kavala in Rostock. "Dieser Einsatz ist schiefgegangen, das muss man ganz deutlich sagen", erklärte er. Die Polizei habe mitangesehen, wie Täter ihre Rucksäcke mit Steinen gefüllt hätten, und habe sie dann nicht eng begleitet. Zudem seien die Demonstrationsrouten falsch ausgewählt worden. Die Kritik an der Einsatzführung seitens Kavala sei von vielen Kollegen geäußert worden, sagte Freiberg. Es habe auch Schwierigkeiten in der polizeiinternen Kommunikation gegeben. Freiberg warb um Verständnis für polizeiliche Maßnahmen in den kommenden Tagen. "Wir dürfen Gewalt nicht dulden oder mitanschauen", sagte er dem NDR Nordmagazin.

Zuvor hatte Freiberg bereits von einer "neuen Qualität der Gewalt" gesprochen, die fassungslos mache. Die Ereignisse von Rostock zeigten, dass die Gewalttäter an einem friedlichen Verlauf nicht interessiert seien - egal, wie sich die Polizei verhalte. "Absprachen mit den Veranstaltern kümmern sie einen feuchten Kehricht", sagte er. Die Explosion der Gewalt und die große Zahl der angereisten Straftäter hätten die Einschätzung der Polizei und die polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld des G8-Gipfels bestätigt. Von den Veranstaltern der Anti-G8-Proteste erwarte er, sich klar von Straftätern zu distanzieren. Zudem wies Freiberg aus den Reihen der Organisatoren geäußerte Kritik am Polizeieinsatz zurück. "Unsere Kolleginnen und Kollegen sind es, die im Steinhagel stehen, mit Feuerwerkskörpern beschossen und sogar mit Messern verletzt werden. Ausgerechnet sie für einen unfriedlichen Verlauf der Demonstrationen zu kritisieren, ist absurd."

Ringstorff verurteilt Ausschreitungen

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) verurteilte die gewalttätigen Ausschreitungen am Rande der Rostocker Demo. "Diese gewalttätigen Autonomen haben es in Kauf genommen, dass Polizeibeamte zum Teil schwer verletzt und friedliche Demonstranten gefährdet wurden", sagte er. Dem Anliegen der friedlichen Globalisierungskritiker hätten die gewalttätigen Autonomen einen "Bärendienst" erwiesen. Der Polizei bescheinigte der Ministerpräsident, verantwortungsbewusst und besonnen gehandelt zu haben. Er rief alle Beteiligten auf, zu einem friedlichen Verlauf der Veranstaltungen in den kommenden Tagen beizutragen.

Caffier setzt weiter auf Deeskalation

Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), und der Rostocker Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) kritisierten die Ausschreitungen scharf. "Diese von vornherein auf Konfrontation ausgerichteten Chaoten konterkarieren das berechtigte Ansinnen der friedlichen Demonstranten", sagte Caffier. Er dankte den Polizeibeamten für ihren Einsatz. Zudem sprach sich Caffier am Sonntag für ein Festhalten an der bisherigen Sicherheitsstrategie aus. "Die Strategie der Deeskalation ist richtig", sagte er. "Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass sich unsere Befürchtungen bestätigt haben, dass es unter den vielen friedlichen Demonstranten Chaoten gibt, die kein Interesse haben an G8 oder den Problemen der Welt. Sie haben nur ein Ziel, Gewalt auszuüben", sagte er. Methling erklärte, er "bedauere zutiefst, dass die übergroße Mehrheit der friedlichen Demonstranten durch die massive Gewalt der Autonomen missbraucht wurde". Kritik zu äußern sei ein Grundrecht, aber Gewalt könne nicht toleriert werden. Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) forderte ein konsequentes Vorgehen gegen gewaltbereite Demonstranten.
Stand: 03.06.2007 16:37

[http://www1.ndr.de/nachrichten/g8/demorostockreax2.html]