Nach der Eskalation der Gewalt bei den Anti-G8-Protesten in Rostock streiten Polizei und Politik um Konsequenzen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht die scharfen Sicherheitsvorkehrungen zum G8-Gipfel durch die Ausschreitungen bestätigt. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte ein härteres Durchgreifen. Die Linkspartei gab den Sicherheitsbehörden eine Mitschuld.
GdP-Chef Konrad Freiberg sagte: "Das ist eine neue Qualität der Gewalt, die fassungslos macht." Die "Explosion der Gewalt" und die große Zahl angereister Straftäter hätten die polizeilichen Maßnahmen vor dem G8-Gipfels bestätigt.
"Schärfere Vorkontrollen wären nötig gewesen"
Beckstein betonte, es könne "nicht hingenommen werden, dass Gewaltbereite Tränengasgranaten und Feuerwerkskörper mitbringen". Zehntausende Menschen seien nach Rostock gekommen, um friedlich zu demonstrieren. "Auch zu ihrem Schutz hätte man schärfere Vorkontrollen durchführen müssen." Der Krawall war nach Becksteins Einschätzung sorgfältig vorbereitet. Die geringe Zahl der Festnahmen sei "äußert unbefriedigend"
Der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, nannte die Vorgänge in Rostock "unerträglich". Zu klären sei, "wie es den Chaoten gelingen konnte, zumindest kurzzeitig die Oberhand zu gewinnen." Dabei müsse die Frage erlaubt sein, "ob das Verhalten der Polizei professionell war". Dem CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach zufolge geht es darum, "ob alle aus den Erfahrungen lernen oder ob es nur die Ouvertüre einer Gewaltorgie war".
1000 Verletzte
Mehrere Tausend militante Autonome hatten am Samstag das Bild einer friedlichen Kundgebung gestört. Bei den Krawallen gab es nach Angaben von Polizei und Veranstaltern knapp 1000 Verletzte, darunter 433 Polizisten und 520 Demonstranten. Rund 130 G8-Gegner wurden festgenommen.
Die Linkspartei, die nach eigenen Angaben mit mehreren Tausend Anhängern in Rostock vertreten war, erhob gegen die Sicherheitsbehörden schwere Vorwürfe. Es seien genau die Bilder provoziert worden, "die die Bundesregierung und ihre Einsatzkräfte zur Legitimation ihrer wochenlangen Repressions-Kampagne gegen G8-Kritikerinnen und -Kritiker brauchte", sagte Parteivize Katina Schubert. Auf vereinzelte Provokationen habe die Polizei "völlig unangemessen reagiert", kritisierten auch Linkspartei-Vize Katja Kipping und Vorstand Wolfgang Gehrcke. Die Bundesregierung trage dabei "in hohem Maße Verantwortung", da sie ein "Klima der Eskalation" geschaffen habe.
Demonstranten getreten
Organisatoren der Demonstration wie Attac und die Interventionistische Linke distanzierten sich von der Gewalt, gaben der Polizei aber ebenfalls eine Mitschuld. Polizisten aus Berlin hätten Demonstranten getreten und "ganz gezielt eskaliert", sagte Werner Rätz vom Attac-Koordinierungskreis.
GdP-Chef Freiberg nannte die Vorwürfe "absurd", übte jedoch selbst Kritik am Polizeieinsatz. "Dieser Einsatz ist schiefgegangen", sagte er. So habe es Schwierigkeiten in der internen Kommunikation gegeben und man habe mit angesehen, wie Täter ihre Rucksäcke mit Steinen füllten.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) verurteilte die Ausschreitungen scharf. Die gewalttätigen Autonomen hätten dem Anliegen der friedlichen Globalisierungskritiker einen Bärendienst erwiesen. Mit einem "Moment der Stille" gedachten am Sonntag die Teilnehmer des G8-Eröffnungsgottesdienstes in Bad Doberan der am Vortag Verletzten.
ast/ddp