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2007-08-08

Stellungnahme der Sektion Stadt- und Regionalsoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zur Verhaftung des Stadtsoziologen Andrej H.

Wider die Kriminalisierung von Wissenschaft 1

8.08.2007/ 21.8.2007

Sektion Stadt- und Regionalsoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB
ist am 31. Juli ein geschätztes und anerkanntes Mitglied unserer Sektion verhaftet worden.
Das Sprechergremium der Sektion Stadt- und Regionalsoziologie ist über die Begründung der
Verhaftung entsetzt und verurteilt die Begründung des Haftbefehls. Dieser steht für eine
Ausweitung der Terrorismus-Ausnahmegesetzgebung auf wissenschaftliche Stadtforschung.
Der Sprecherrat der Sektion Stadt- und Regionalsoziologie kritisiert insbesondere, dass die
langjährige, anerkannte wissenschaftliche Tätigkeit von Andrej. H. als Begründung für den
ergangenen Haftbefehl herangezogen wird:

  • Als Verdachtsmoment wird eine von Andrej H. im Jahr 1998 veröffentliche
    wissenschaftliche Abhandlung angeführt. Diese enthalte „Schlagwörter und Phrasen,
    „die in Texten der “Militanten Gruppe” (mg) gleichfalls verwendet werden.
  • Zentral wird Andrej H., soweit bisher bekannt, zum Vorwurf gemacht, dass er
    Forschungen zur „Gentrification“ realisiert habe. „Gentrification“ ist seit mehr als 40
    Jahren ein wichtiges Forschungsfeld der Stadtforschung. Dieser Vorwurf
    kriminalisiert die Vielzahl der Forscher, die seit Jahren in diesem Themenfeld
    arbeiten!
  • Als promovierter Soziologe sei Andrej H. zudem “intellektuell in der Lage, die
    anspruchsvollen Texte der Militanten Gruppe zu verfassen”.

Mit dieser Begründung für einen Haftbefehl wird sozialwissenschaftliche Forschung
unmittelbar dem Terrorismusverdacht ausgesetzt. Dies ist eine Beleidigung für
wissenschaftlich Tätige. Wenn die bekannt gewordene Begründung als Indiz für die
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ausreicht, wird die Stadtforschung an
Hochschulen und Instituten unter Generalverdacht gestellt.

Der Sprecherrat der Sektion Stadt- und Regionalsoziologie in der Deutschen Gesellschaft für
Soziologie fordert die Verantwortlichen auf, wissenschaftliche Forschung nicht mit
Terrorismus gleichzusetzen. Wenn kritische Forschung ausreichen soll, jemanden in Haft zu
nehmen, liegt die Vermutung einer Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien nahe. Vor diesem
Hintergrundhaben wir den Eindruck, dass die Behörden mit der Untersuchungshaft überzogen
reagiert haben und fordern, Andrej H. auf freien Fuß zu setzen und das Verfahren ‚zivilisiert’
durchzuführen.
Für die Sektion Stadt- und Regionalsoziologie:

  • PD Dr. Christine Hannemann, Berlin, Sprecherin der Sektion
  • Prof. Dr. Herbert Schubert, Köln, 1. stellvertr. Sprecher
  • Prof. Dr. Andreas Pott, Osnabrück, 2. stellvertr. Sprecher

1 http://www.sektion-stadtsoziologie.de.

[http://www.soziologie.de/aktuelles/Wider_die_Kriminalisierung_von_Wissenschaft_Finis.pdf]