Pressemitteilungen » Heiligendamm 2007 » G8 2007 deutsch » G8 2007 Repression » Sternmarsch » Kritik zu Allgemeinverfuegung  
print
2007-06-01

FAZ: G-8-Gipfel: Verfassungsrechtlich problematisch

Von Reinhard Müller
31. Mai 2007
72 Versammlungen sind wegen des G-8-Gipfels rund um Heiligendamm und Rostock angemeldet worden; 37 sind nach Angaben der Polizei bisher bestätigt worden. Die Teilnehmer wollen von ihrem Grundrecht Gebrauch machen: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Schon die Paulskirchenverfassung von 1849 enthielt eine fast gleichlautende Fassung der Versammlungsfreiheit.

Für Versammlungen unter freiem Himmel galten schon immer Einschränkungen. Damals konnten sie laut Verfassung „bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden“. Heute können Versammlungen unter freiem Himmel gesetzlich beschränkt werden. Seit der Föderalismusreform ist das Versammlungsrecht Sache der Länder.

Es gibt auch mildere Mittel

Das Verbot einer Versammlung, wie es für das Gebiet um den Heiligendammer Sperrzaun sowie um den Flughafen Rostock-Laage durch die Polizei ausgesprochen wurde, kommt nur als letztes Mittel in Betracht. Denn die Versammlungsfreiheit ist unentbehrlich für den Prozess der demokratischen Willensbildung. Deshalb ist schon die gesetzliche Anmeldepflicht verfassungsrechtlich problematisch. Für vorhersehbare Veranstaltungen, für Großkundgebungen ist sie zulässig, Spontanversammlungen müssen jedoch möglich sein.

Eine große Herausforderung für die Polizei sind stets Störungen und Straftaten, die im Zuge von geplanten Demonstrationen erwartet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat stets gerade auch bei Demonstrationen von Rechtsextremisten deren Versammlungsfreiheit durchgesetzt – oft gegen den Widerstand der Politiker, Behörden und Verwaltungsgerichte. Stets gilt es abzuwägen, ob es auch mildere Mittel als ein Versammlungsverbot gibt, ob also den Sicherheitsbedenken etwa durch Auflagen Rechnung getragen werden kann.

„Sternmarsch“ nach Heiligendamm

So hat das Verwaltungsgericht Schwerin jüngst das von der Polizei verhängte allgemeine Versammlungsverbot um Heiligendamm sowie um den Rostocker Flughafen zum Teil außer Vollzug gesetzt. Die Polizei hat rund um den Sicherheitszaun (innerhalb dessen es noch eine weitere Sperre des Bundeskriminalamtes gibt) eine 200 Meter breite Pufferzone, einen „Aktionsraum“, geschaffen.

Das Versammlungsverbot für diesen Bereich erachtete das Verwaltungsgericht als rechtmäßig. Das gilt jedoch nicht für den vier bis fünf Kilometer breiten Streifen, in dem die Polizei darüber hinaus Versammlungen verbieten will. Den Sicherheitsbedenken der Behörden kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichts in der äußeren Zone „in einer das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schonenderen Weise durch Auflagen Rechnung getragen werden“. Von den Veranstaltern war ein „Sternmarsch“ nach Heiligendamm geplant. Durch Routenführungen soll nun sichergestellt werden, dass es etwa für Rettungseinsätze freie Straßen gibt.

Zudem darf der Betrieb der Bäderbahn „Molli“ nicht behindert werden. Um den Rostocker Flughafen hatten Demonstranten für den 5. und 6. Mai Kundgebungen angemeldet. Doch hatte die Polizei bis zum 8. Juni ein allgemeines Versammlungsverbot verhängt. Die Schweriner Richter kamen auch hier zu dem Schluss, dass eine Gefährdung des Flugplatzes durch Auflagen ausgeschlossen werden kann – zumal die geplanten Kundgebungen auf bestimmte Orte begrenzt sind.

„Passive“ Sitzblockade nicht unfriedlich

Nach Ansicht der Polizei bleiben Sicherheitsbedenken. Das Versammlungsverbot sei erforderlich wegen der „Aufrufe von Gipfelkritikern, durch eine Vielzahl von Blockaden den G-8-Gipfel ,von seiner Infrastruktur abzuschneiden’“. Es handelt sich – wie fast immer in versammlungsrechtlichen Streitigkeiten – um ein Eilverfahren, das noch nicht abgeschlossen ist. Die Polizei will „weiterhin ihre Aufgabe ernstnehmen, friedliche Demonstrationen außerhalb der Verbotszonen zu ermöglichen und zu schützen“.

Aber sind die geplanten Versammlungen überhaupt „friedlich“ im Sinne des Grundgesetzes? Das Bundesverfassungsgericht hält eine „passive“ Sitzblockade nicht für unfriedlich. Selbst gleichsam paramilitärische einschüchternde Aufmärsche fallen nicht von vornherein aus dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit – doch kann das Grundrecht in diesen Fällen eingeschränkt oder die Versammlung unter Umständen auch ganz verboten werden. Auch einzelne gewalttätige Teilnehmer machen die ganze Versammlung nicht unfriedlich.

Text: F.A.Z.