Vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm: Polizei fordert die Globalisierungskritiker heraus. Demoverbote, Grenzkontrollen und Checkpoints rings um die Protestcamps
Von Markus Bernhardt
Demonstrationsverbote, Razzien und Polizeiübergriffe auf Globalisierungskritiker prägen die öffentliche Wahrnehmung im Vorfeld der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm. Am Mittwoch abend bestätigte das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommerns das von der Polizei erlassene umfassende Demonstrationsverbot im Abstand von bis zu zehn Kilometern von dem skandalösen Sperrwall, der für das Mächtigentreffen um das Ostseebad Heiligendamm errichtet wurde. Geht es nach der Polizei, sollen bis Ende kommender Woche mehr als 40 Quadratkilometer demokratiefreie Zone bleiben. Gleichzeitig behaupten die Sicherheitsbehörden dreist, auf »Deeskalation« zu setzen.
Das Demonstrationsverbot markiere eine weitere Stufe des Demokratie- und Bürgerrechtsabbaus in der Bundesrepublik, konstatierte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagfraktion Die Linke. am Freitag. Denjenigen, die Einspruch gegen das illegitime Treffen der G-8 erheben, werde damit jede Möglichkeit verwehrt, legal in räumlicher Nähe zum Protestobjekt zu demonstrieren. Gerade das sei jedoch, auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes im sogenannten Brokdorf-Urteil, essentieller Bestandteil des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Jelpke sah sich aufgrund der Polizeimaßnahmen und Verbote rund um den G-8-Gipfel »an die Praktiken autoritärer Regime« erinnert.
Bereits seit Wochen setzen staatliche Stellen und Polizei auf einen offensiven Eskalationskurs, der potentielle Demonstranten einschüchtern und dazu bewegen soll, nicht an den geplanten globalisierungskrititschen Manifestationen teilzunehmen. Mittlerweile nehmen die polizeilichen Maßnahmen rund um den G-8-Gipfel immer skurrilere Züge an. So werden an mehreren mobilen Checkpoints der Polizei auf den Anfahrtswegen nach Rostock Fahrzeuge angehalten und nach Fahrrädern durchsucht. Angeblich auf der Suche nach Diebesgut, kontrollieren die Beamten die Rahmennummern und gleichen diese mit einer Datenbank ab. Am Donnerstag und Freitag wurden mehrere ältere Drahtesel und sogar Kinderfahrräder von den Beamten eingezogen, weil bei ihnen keine der heute üblichen Identifikationsprägungen gefunden werden konnten.
Auch für die Behinderung des Campaufbaus in Wichmannsdorf durch die Polizei mußte der »begründeten Verdacht, daß bundesweit gestohlene Fahrräder nach Heiligendamm verbracht werden sollen« herhalten. Realistisch betrachtet dürfte das Ziel der neuerlichen Schikanen vielmehr darin bestehen, G-8-Gegner in ihrer Mobilität einzuschränken.
Der bayerische Innenminister Günther Beckstein behauptete am Donnerstag abend in der ZDF-Sendung »Maybritt Illner« unwidersprochen, an den Landesgrenzen würden keine Kontrollen durchgeführt. Am Freitag standen seine Beamten an den Zufahrtsstraßen aus dem Ausland und filzten jeden, der nach Globalisierungskritiker aussah.
Die strömungsübergreifende linke Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe kündigte unterdessen an, im Rahmen der geplanten Proteste flächendeckend Informationen zu verteilen, um die Demonstranten über ihre Rechte gegenüber der Polizei aufzuklären. Von Ingewahrsamnahmen Betroffene sollten sich umgehend mit dem »Anwaltlichen Notdienst« und dem »Ermittlungsausschuß« in Verbindung setzen und gegen juristisch zweifelhaftes Vorgehen oder gewalttätige Übergriffe durch die Beamten vorgehen.
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