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2007-07-27

Urteil gegen G8-Gegner: "Eine Einladung an die Polizei"

Nach der Bestätigung des Reiseverbots gegen einen G8-Gegner ist dessen Anwalt bereit, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. VON C. RATH UND D. SCHULZ

Die Polizei darf vermeintlich gewalttätige Demonstranten mit Meldeauflagen an der Ausreise zu Kundgebungen im Ausland hindern. Dies entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Klage des heute 27 Jahre alten Fabian K. aus Berlin wurde damit auch in der Revision abgelehnt.

Der damalige Abiturient K. musste sich im Sommer 2001 für die Zeit des G 8-Gipfels im italienischen Genua täglich bei der Berliner Polizei melden, damit er nicht an Protesten in Italien teilnehmen konnte. Die Polizei stufte ihn als potenziellen Gewaltäter ein, weil er bereits mehrfach als militanter Linksextremist aufgefallen sei.

Dabei war er allerdings nur zweimal verurteilt worden und auch das waren eher Lappalien, die mit jeweils 20 Stunden Arbeitsauflagen nach Jugendrecht geahndet wurden. Unter anderem hatte K. ein Kriegerdenkmal mit Graffiti besprüht. Die Gefahrenprognose der Polizei war in der Leipziger Revisionsinstanz allerdings nicht mehr Thema.

Hier hatte sein Anwalt Sönke Hilbrans gerügt, dass die Vorinstanz, das Oberverwaltungsgericht Berlin, gar nicht geprüft hatte, ob K.’s Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt wurde. Das OVG hatte dies abgelehnt, weil nur die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen vom Grundgesetz geschützt sei.

2001

Die Bundesrichter in Leipzig prüften nun zwar die Demonstrationsfreiheit, sahen sie aber auch nicht verletzt. Die Meldeauflage sei vielmehr ein “angemessenes Mittel”, um Versammlungen vor der Teilnahme von wahrscheinlich gewaltbereiten Personen zu schützen, hieß es zur Begründung.

Die Richter stützten solche Meldeauflagen auf die Generalklausel der Landespolizeigesetze. Rechtsanwalt Hilbrans hielt es für unzulässig auf Landesrecht zurückzugreifen, da im Passgesetz des Bundes solche Maßnahmen nicht vorgesehen sind. Er gehe davon aus, dass Reisebeschränkungen im Bundesrecht abschließend geregelt sind. “Das Urteil ist eine Einladung an die Polizei, solche Maßnahmen künftig mit der Gießkanne zu verteilen”, sagt Anwalt Hilbrans. Nur ein Vergehen, mit denen die Auflagen gegen K. begründet wurden, sei damals schon “gerichtsfest belegt” worden. Außerdem hätten die beiden Verfahren lediglich einige Arbeitsstunden nach sich gezogen. “Trotz der vergleichsweise geringfügigen Auffälligkeiten hat die Berliner Polizei gegen meinen Mandanten das härteste Mittel angewandt, dass sie hat”, sagt Hilbrans, “er gehörte auf einmal zu den Top 16 Gefährdern des Bundeslandes.”

Hilbrans will vor weiteren Schritten erst einmal die schriftliche Begründung des Urteils abwarten. Man sei aber grundsätzlich auch zu einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bereit.

Kritik kommt auch vom globalsierungskritischen Netzwerk Attac. “Es ist ein skandalöser Zustand, dass sich Waren und Güter in der Europäischen Union frei bewegen können, aber politische Aktivisten nicht”, sagt Pedram Shayar vom Attac-Koordinierungskreis.

Im Bundesinnenministerium in Berlin fühlt man sich dagegen vom Leipziger Gericht bestätigt. “Wir werden den Richterspruch genau auswerten und in angemessener Form davon Gebrauch machen”,sagte ein Ministeriumssprecher. Das Urteil gelte nicht nur für gewaltbereite Globalisierungsgegner, sondern zum Beispiel auch für Hooligans.

[www.taz.de]


Polizeirecht versus Verfassung

Berliner klagte gegen Ausreiseverbot vor dem G-8-Gipfel 2001 in Genua. Er scheiterte nun vor dem Bundesverwaltungsgericht
Von Sebastian Wessels
Nach Erkenntnissen der Berliner Polizei gehören Sie zu Personen, die der gewaltbereiten linksextremistischen Szene zuzuordnen sind.« Mit dieser Begründung untersagte die Polizei 16 Berlinern im Juli 2001 die Ausreise aus Deutschland, die gegen den G-8-Gipfel im italienischen Genua demonstrieren wollten. Unter ihnen war auch Fabian K., der sich vom 15. bis 22. Juli – der Gipfel fand vom 20. bis 22. Juli statt – täglich auf einer Berliner Polizeiwache melden mußte. K. klagte auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Verfahrens, ihm das Demonstrationsrecht zu verweigern. Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg seine Klage abgewiesen hatten, beschäftigte der Fall am Mittwoch bis in den späten Abend das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig – die höchste Instanz unterhalb des Bundesverfassungsgerichts.
Auch hier wurde die Klage abgewiesen, wie das Gericht am Donnerstag mitteilte, doch das letzte Wort ist möglicherweise noch nicht gesprochen. Denn während die Meldeauflage sich lediglich auf die General-ermächtigung der Polizei stützt, die zur Gefahrenabwehr »erforderlichen Maßnahmen zu treffen«, hat die Versammlungsfreiheit Verfassungsrang.
Von einer »langen mündlichen Verhandlung« sprach am Donnerstag der Rechtsanwalt des Klägers, Sönke Hilbrans, gegenüber jW. Dies lasse »darauf schließen, daß der Senat sich die Sache nicht leicht macht«. Nun sei die ausführliche Urteilsbegründung abzuwarten. Hilbrans erwartet, daß sich das Gericht darin zu einigen rechtlichen Fragen äußern werde, die über den individuellen Fall hinaus relevant seien – nicht nur im Hinblick auf die Berufungsverfahren anderer Betroffener, die bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ruht. So sei ungewiß, ob die Bundesländer überhaupt das Recht hätten, jemandem die Ausreise zu versagen. Vor allem aber müsse geklärt werden, wie weit die polizeiliche Generalermächtigung in die Versammlungsfreiheit eingreifen dürfe.
Pikant ist dabei, daß die Annahme, von K. gehe eine Gefahr aus, ausschließlich auf Einschätzungen der Polizei beruhte. Wenn das Bundesverwaltungsgericht nun mitteilt, es sei an die »tatsächliche Feststellung« der Vorinstanz gebunden, daß der Kläger gefährlich sei, so enthält es sich diesbezüglich einer eigenen Beurteilung. Damit läßt es die Möglichkeit offen, daß diese Einschätzung und somit die Meldeauflage rechtlich auf Sand gebaut waren. Tatsächlich hatte es Ermittlungsverfahren gegen K. gegeben, etwa wegen Sachbeschädigung, aber keine Verurteilungen. Ein weiteres Verfahren wegen Landfriedensbruchs verlief im Sande, ohne daß es überhaupt zu Ermittlungen gekommen wäre.
Daß das Leipziger Gericht nur eingeschränkt befugt sei, auf Landesrecht beruhende Entscheidungen zu korrigieren, so Hilbrans, schließe »nicht aus, daß die bisherigen Gerichtsentscheidungen verfassungswidrig waren«. Dies anzunehmen scheint nicht abwegig, nachdem das Oberverwaltungsgericht im Jahr 2001 befand, die Meldeauflage für einen Betroffenen sei ja nur eine kleine »Unannehmlichkeit«, wobei die Versammlungsfreiheit als Rechtsgut völlig unter den Tisch fiel. Ähnlich erging es dem Grundsatz der Unschuldsvermutung, als die Richter erklärten, da der Betroffene »über einen längeren Zeitraum wiederholt mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert war« könne dem Umstand, daß er bislang nicht verurteilt worden sei, »im Rahmen der Interessenabwägung kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden«.
Ein Weg steht Fabian K. nun noch offen, und den will er gegebenenfalls beschreiten. Es sei die Möglichkeit zu prüfen, erklärte Hilbrans, »die Sache zum Bundesverfassungsgericht zu bringen«.

[http://www.jungewelt.de/2007/07-27/031.php]


Nicht jeder darf zur Demo reisen

VON CHRISTIAN RATH

Karlsruhe – Die Polizei darf vermeintlich gewalttätige Demonstranten mit Meldeauflagen an der Ausreise zu Kundgebungen im Ausland hindern. Dies entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht. Die Klage des heute 27-jährigen Fabian K. aus Berlin wurde damit auch in der Revision abgelehnt.

Vor dem G-8-Gipfel in Genua 2001 ließ sich die Polizei einiges einfallen, um vermeintlich militante Gipfelgegner von der Reise nach Italien abzuhalten. Sie versah Pässe und Personalausweise für die Zeit des Gipfels mit einer Ausreisebeschränkung. Dabei wurde eine Änderung des Passgesetzes genutzt, die mit Blick auf krawallbereite Fußballfans eingeführt worden war. Zusätzlich verpflichtete die Polizei viele Globalisierungsgegner, sich täglich bei ihrer Polizeidienststelle zu melden. Andere wurden erst an der Grenze aufgehalten, ohne dass sie wussten, was gegen sie vorliegt.

In Leipzig ging es nun aber nur um die Zulässigkeit der Meldeauflagen. Der damalige Abiturient K. musste sich 2001 für die Zeit des G- 8-Gipfels in Genua täglich bei der Berliner Polizei melden, damit er nicht an Protesten in Italien teilnehmen kann. Bundesweit 81 Personen waren von ähnlichen Maßnahmen betroffen.

Die Polizei stufte K. als potenziellen Gewalttäter ein, weil er bereits mehrfach als militanter Linksextremist aufgefallen sei. Dabei war er zweimal verurteilt worden und erhielt jeweils 20 Stunden Arbeitsauflagen nach Jugendrecht. Unter anderem hatte K. ein Kriegerdenkmal mit Graffiti beschmiert. Bei anderen verhinderten Demonstranten waren die Meldeauflagen mit eingestellten Strafverfahren begründet worden – aus Sicht der Protestler eine besonders zweifelhafte Rechtsgrundlage. Die Gefahrenprognose der Polizei war in der Leipziger Revisionsinstanz allerdings kein Thema mehr. Der Grund: In der Revision werden keine Beweise mehr erhoben.

K’s Anwalt Sönke Hilbrans hatte vielmehr gerügt, dass die Vorinstanz, das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin, gar nicht geprüft hatte, ob hier das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt wurde. Das OVG hatte dies abgelehnt, weil nur die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen vom Grundgesetz geschützt sei. In der neuen Verhandlung prüften die Bundesrichter in Leipzig jetzt zwar die Demonstrationsfreiheit, sahen sie aber durch die Meldeauflagen auch nicht verletzt. Die Auflage sei vielmehr ein „angemessenes Mittel“, um Versammlungen vor der Teilnahme von wahrscheinlich gewaltbereiten Personen zu schützen, hieß es.

Die Richter hatten auch keine Bedenken, solche Meldeauflagen auf die Generalklausel der Landespolizeigesetze zu stützen. Anwalt Hilbrans hielt den Rückgriff auf Landesrecht für unzulässig, weil im Passgesetz des Bundes solche Maßnahmen nicht vorgesehen sind und er davon ausging, dass Reisebeschränkungen im Bundesrecht abschließend geregelt sind. Indem die Bundesrichter diese Ansicht nun ablehnten, haben sie gleichzeitig ein Grundsatzurteil für die Zulässigkeit solcher Meldeauflagen gefällt.

[http://www.ksta.de/html/artikel/1182933961096.shtml]


Polizei darf Reise zu G8 verbieten
Urteil: Meldeauflagen für Gewaltbereite

Gewaltbereite dürfen von der Polizei von Demonstrationen fern gehalten werden. Das widerspreche nicht dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, urteilt das Bundesverwaltungsgericht.

Die Richter wiesen damit die Revision eines Globalisierungsgegners aus Berlin zurück. Er hatte 2001 an Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Genua teilnehmen und wollte nun nachträglich die Rechtswidrigkeit der damaligen Auflagen feststellen lassen.

Meldeauflage kein Verstoß

Die Berliner Polizei hatte den Mann aufgrund ihrer Erkenntnisse und nach zwei jugendgerichtlichen Verfahren der gewaltbereiten linksextremistischen Szene zugeordnet und ihm auferlegt, sich während des Gipfeltreffens acht Tage lang täglich bei der zuständigen Polizeiwache zu melden. Dieses Vorgehen verstoße nicht gegen Bundesrecht, entschieden die Leipziger Richter. “Die Meldeauflage ist ein erforderliches und angemessenes Mittel, um Versammlungen vor der Teilnahme von Personen zu schützen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als gewaltbereit einzustufen sind”, heißt es in dem Urteil.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte in Berlin, das Urteil bestätige die Praxis der Bundesregierung. Entsprechend werde sie auch in Zukunft von polizeilichen Meldeauflagen Gebrauch machen, wenn es angezeigt sei. Dies sei etwa auch im Fall gewaltbereiter Fußball-Rowdies möglich.

[http://www.zdf.de/ZDFheute/inhalt/11/0,3672,5578219,00.html]