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2007-05-21

Stellungnahme der Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz

Stellungnahme der Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz zu den Durchsuchungen ihrer Geschäftsräume, aus Anlaß der Verfolgung von KritikerInnen des G8-Gipfels.

Im Rahmen der bundesweiten Hausdurchsuchungen im Auftrag des Generalbundesanwalts durch das BKA und LKA an etwa 40 Objekten in Hamburg, Berlin, Bremen, Schleswig – Holstein, Niedersachsen und Brandenburg am 9. Mai wurden auch die Räume der Bremer Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS), sowie einige im selben Haus befindliche Wohnräume verschiedener BewohnerInnen durchsucht.
Die Durchsuchung dauerte von 8.00 bis 21.45 Uhr.
Gegenüber einem Vertreter aus dem Vorstand der MAUS und einer hinzugezogenen Anwältin weigerte sich der die Durchsuchung leitende Staatsanwalt mehrfach ausdrücklich, einen Durchsuchungsbeschluss vorzulegen.
Beschlagnahmt wurden alle Computer der MAUS, fast sämtliche Disketten und CDs und viele, auch gerade handschriftliche Unterlagen zu laufenden Arbeiten. Ebenfalls beschlagnahmt wurden alle Adressenverzeichnisse aus dem Büro und dem Archiv, weiter TeilnehmerInnenlisten und Arbeitsmaterialien eines Seminars an der Universität Bremen.
Die inzwischen zurückerhaltenen Computer wurden geöffnet, die Festplatten kopiert und die Arbeitsspeicher ausgelesen.
Erklärtes Ziel der Durchsuchungen war es, die Sicherstellung von Dateien oder Unterlagen zur Organisation der Kampagne gegen den G8-Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm, sowie von Kommunikationsplänen und nachweisen, von Personen- und Adressenverzeichnissen, die Auskunft über weitere Kontaktpersonen geben sollen, von Tatmitteln wie Zündvorrichtungen, Zeitschaltuhren und Werkzeugen (nach dem Durchsuchungsbeschluss gegen einen Mitarbeiter der MAUS für seine Wohnung).
Mit dem Gesinnungs- und Schnüffelparagraphen 129a (Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) – mit dem die Durchsuchungen juristisch „legitimiert“ wurden – ist es der Justiz heute wieder möglich, Oppositionelle, wie z.B. Menschen, die sich gegen den bevorstehenden G8-Gipfel in Heiligendamm engagieren, massiv anzugreifen und die laufende Arbeit zu behindern.

Offiziell und öffentlich wurde die Suche nach anschlagsrelevantem Material vorgeführt. Mitgenommen wurden jedoch vor allem Adressenlisten, Computer, Mobiltelefone, Faxgeräte, schriftliche Arbeitsmaterialien, um Einblick in die Gesinnung, Arbeitsweise und Strukturen zu erhalten.
Die an anderer Stelle angeblich gefundenen Brandsätze und gefälschten Papiere entpuppten sich als Sylvesterböller, Wecker und abgelaufene Schülerausweise. Peinlich für das BKA, wenn es der Öffentlichkeit – trotz des immensen Aufwandes – nichts “besseres” zu präsentieren hat.

Der §129a ist bisher nur in 2% der Fälle zur Aufklärung von “Straftaten” dienlich gewesen. Alle restlichen Verfahren wurden sang – und klanglos eingestellt. Was bleibt, ist jedoch z.B. die Stigmatisierung bestimmter politischer Zusammenhänge und einiger von dem Verfahren unmittelbar betroffener und durch die Presse herausgehobener Personen.
Dieses macht einmal mehr den eigentlichen Charakter des §129a deutlich: Es geht darum, Strukturen auszuleuchten und auszuforschen und Menschen, die sich z. B. gegen Umweltzerstörung, Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Krieg im Inneren und Äußeren engagieren, einzuschüchtern und in ihrer Arbeit zu behindern.

Die zudem augenscheinlich eher willkürlich ausgewählten Betroffenen sowie die fadenscheinige Begründungslage in den Durchsuchungsbeschlüssen zeigen, in welcher Not sich die Bundesregierung befindet, den bevorstehenden G8-Gipfel reibungslos ablaufen zu lassen.
Um dieses Ziel zu erreichen, scheint jedes Mittel recht. Vor nicht allzu langer Zeit wurden Menschen in Gefängnisse oder Lager gesperrt, wenn sie systemkritische Flugblätter verteilten. Heute reicht dieser “Tatbestand” scheinbar immerhin schon wieder aus, um Hausdurchsuchungen damit zu begründen. Überraschen tut dies uns nicht.

Die Generalbundesanwältin Monika Harms ließ erklären, es sei nicht darum gegangen, Anschläge zu verhindern, sondern darum, Informationen über Strukturen zu erlangen.
Laut Hamburger Innensenator Nagel sollen die Durchsuchungen zeigen, dass “die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Extremisten nicht wehrlos sind”.
Polizeipräsident Jantosch hat dies mit den Worten auf den Punkt gebracht: “Heute haben wir richtig durchgeatmet. Für den in Hamburg stattfindenden ASEM-Gipfel und die nachfolgenden Veranstaltungen ist die Polizei gerüstet.”
“Wir haben in den Busch geschossen, nun sehen wir, was und wer sich dort bewegt” hat ein Fahnder des BKA auf Spiegel-Online erklärt.

Doch dieser Schuss ist eindeutig nach hinten losgegangen. Eine bessere Mobilisierung für den Widerstand gegen den G8-Gipfel – auch weltweit – konnten wir uns gar nicht wünschen.
Vielen Menschen wurden die Augen über diese herrschenden Verhältnisse geöffnet. Denn angeklagt sind wenige, gemeint sind wir alle.
Die Massivität, mit der die Herrschenden ihr Bollwerk errichten, Bewegungsfreiheit einschränken, Grundrechte außer Kraft setzen und Strukturen ausspionieren, zeigt das wahre Gesicht der “freiheitlich – demokratischen Grundordnung”, die viele immer noch mit „Freiheit“ und „Demokratie“ verbinden.
Die Auseinandersetzungen um den G8 – Gipfel wird viele Menschen auf die Strasse holen und vielen Menschen, die sich nicht länger mit den herrschenden Zuständen in dieser Welt abfinden wollen, die Augen öffnen.

Wir erklären allen, die von den Durchsuchungen und Verfolgungen nach §129a betroffen sind, unsere volle Solidarität!
Wir fordern die Einstellung aller Verfahren und die Rückgabe aller beschlagnahmten Materialien!
Auf zur internationalen Demonstration gegen den ASEM- Gipfel
am 28.5. in Hamburg! und dann: G8-Gipfel stilllegen!
für Nachfragen:
Anna Dammasch,
Tel.: 0421 – 34 29 74, MAUSeV@t-online.de , www.MAUS-Bremen.de .
Bremen, den 16.05.2007