Pressemitteilungen » Heiligendamm 2007 » G8 2007 deutsch » Parlamente  
print
2007-07-17

MV: Parlament blickt auf Gipfel zurück

Debatte um G8-Sicherheitskonzept mit unterschiedlichen Bilanzen

Knapp eine Woche nach dem G8-Gipfel
in Heiligendamm haben Redner in der
Aktuellen Stunde des Landtages am
13. Juni unterschiedliche Bilanzen gezogen. Während die Landesregierung ein
insgesamt positives Fazit zog und die Polizeistrategie verteidigte, äußerte die
Opposition teilweise Kritik am Vorgehen
der Sicherheitskräfte und forderte Auskunft über die vom Land zu tragenden
Sicherheitskosten.

Kind

CDU-Fraktionschef Dr. Armin Jäger lobte
die Polizei, die bis zum Schluss die Strategie
der Deeskalation durchgehalten habe. „Das
war eine Leistung“, sagte der Parlamentarier.
Die Polizisten aus allen Ländern und vom
Bund hätten Mecklenburg-Vorpommern einen „freundlichen, werbewirksamen G8-
Gipfel“ beschert. Der Gipfel sei – allen Unkenrufen zum Trotz – ein Erfolg für das Land,
die Bundesrepublik, die Entwicklungsländer
und die Umwelt geworden. Mit Empörung
reagierte er auf „gewaltbereite Autonome“,
die in den Protestcamps „abtauchen“ konnten. Er kritisierte, dass es von Seiten der friedlichen Protestler keinerlei Anzeigen gegen
Steinewerfer gegeben habe.

Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff
bezeichnete den Verlauf des Gipfels trotz der
Krawalle von Rostock als Erfolg. „Insgesamt
ist das Sicherheitskonzept aufgegangen. Die
Strategie der Deeskalation war richtig“, betonte er. Die Mehrzahl der Demonstranten
habe friedlich und fantasievoll protestiert.
Mecklenburg-Vorpommern habe Deutschland und der Welt bewiesen, „dass es in der
Lage ist, Ereignisse dieser Kategorie zu stemmen“. Viele positive Bilder des Landes seien
um die Welt gegangen, Mecklenburg-Vorpommern habe an Bekanntheit als Urlaubsland und Investitionsstandort gewonnen.
„Mecklenburg-Vorpommern war ein guter
Gastgeber“, sagte der Regierungschef.

Innenminister Lorenz Caffier hat Defizite
beim Polizeieinsatz eingeräumt, die Kritik an
der Strategie der Deeskalation aber zurückgewiesen. Bei einem „so komplexen Einsatz
von bis zu 20.000 Menschen“ könne „nicht
alles hundertprozentig optimal verlaufen“,
sagte er. Zur Grundsatzstrategie habe es aber
keine Alternative gegeben. „Das Gebot zur
Deeskalation durch die Polizei ist ständige
Verpflichtung aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.“ Die
Polizei sei bei den schweren Krawallen am
2. Juni in Rostock unter anderem deshalb so
spät gegen den „schwarzen Block“ eingeschritten, um Ausschreitungen im Stadtzentrum zu verhindern. Bei den Straßenschlachten zwischen Polizei und Autonomen im
Stadthafen hatte es mehrere hundert Verletzte auf beiden Seiten gegeben. Laut
Caffier waren nach den Krawallen 43 Polizisten vorübergehend dienstunfähig. Er kündigte für Ende Juni einen detaillierten Bericht
im Landtags-Innenausschuss an.

Die oppositionelle Linkspartei.PDS kritisierte
den erst kurz vor der Landtagssitzung bekannt gewordenen Einsatz von Aufklärungsflugzeugen der Bundeswehr. „Afghanistan
lässt grüßen“, sagte Prof. Dr. Wolfgang
Methling, Fraktionschef der Linken. Er forderte die Landesregierung auf, die vom Land
zu tragenden G8-Sicherheitskosten genau
aufzulisten, und stellte in Zweifel, dass die
veranschlagten 70 Millionen Euro genügen
werden. Ein wichtiger Maßstab für die Bewertung sei auch das Verhältnis zwischen
Aufwand und Nutzen. Der friedliche und fantasievolle Protest Zehntausender und die
konstruktiven Vorschläge des Alternativgipfels sind aus seiner Sicht „zweifelsohne das
beste Ergebnis“.

SPD-Fraktionsvorsitzender Volker Schlotmann
begrüßte ausdrücklich, dass sich „Attac und
andere friedliche Organisationen“ erstmals
klar von den „kriminellen Chaoten“ distanziert haben. Seine Bewertung des Gipfels aus
politischer Sicht fiel eher zurückhaltend aus.
Dass die USA die UNO als Dach für die weltweiten Bemühungen zum Klimaschutz akzeptieren, sei „ein einziges positives Signal“.
Scharf kritisierte er die „braunen Demagogen“ von der NPD. Deren Landtagsfraktion
habe die Demonstrationen in Rostock,
Schwerin und Ludwigslust angemeldet. Damit bezahle die Fraktion NPD-Parteiarbeit.
„Aus unserer Sicht sind das klipp und klar illegale Parteispenden“, sagte er.

FDP-Fraktionschef Michael Roolf warf der
NPD vor, nur provozieren zu wollen. „Ihr geht
es an keiner Stelle um Aufklärung“, sagte er.
Er bezog sich dabei auf einen Eklat bei der
Innenausschuss-Sitzung, die in der Vorwoche abgebrochen wurde. Mit „persönlichen
Beleidigungen“ habe die NPD „unter die
Gürtellinie“ gezielt. „Sie wollen diffamieren.
Sie wollen die Demokratie in die Ecke stellen.
Das wird es mit uns nicht geben“, betonte er.
Von der Regierung forderte er eine genaue
Kostenaufstellung. Es gehe aber auch um
eventuelle Einschränkungen der Demonstrationsrechte. Die FDP werde nachfragen, inwieweit Bürgerrechte durch die Polizei beschnitten worden seien.

NPD-Fraktionschef Udo Pastörs warf der Polizei vor, nicht entschieden gegen „Schwerverbrecher“ aus dem linken Lager vorgegangen zu sein. Zudem beklagte er, seine Partei
sei durch Versammlungsbehörden und Gerichte ungleich behandelt worden. Diese hatten Demonstrationen der NPD verboten. Auf
die Kritik von Volker Schlotmann hin betonte er, die NPD-Demonstration in Schwerin habe die Partei angemeldet und nicht die Fraktion. Dem Innenminister warf er ein Scheitern
der Deeskalationsstrategie vor. „Spätestens
nach dem 2. Juni wäre es Ihre Pflicht gewesen, in diese Lager einzudringen“, wo man
sich verschanzt habe, „und diese Waffenlager auszuräumen“. Die NPD stehe hinter
den Ordnungskräften.

Ein Erfolg des G8-Gipfels allein sei schon die
Tatsache, dass die NPD überhaupt keine Rolle gespielt habe, unterstrich Wolf-Dieter
Ringguth (CDU). Im Namen seiner Fraktion
dankte er der Polizei und auch den nicht-polizeilichen Organisationen für ihren Einsatz
zum Weltwirtschaftstreffen, der eine große
Herausforderung für die Sicherheitsbehörden gewesen sei. Die Deeskalationsstrategie
habe sich als richtig erwiesen. Die Einwohner
des Landes hätten sich als gute Gastgeber
gezeigt. Bei einem Einsatz dieser Größenordnung gibt es seiner Meinung nach immer
auch Dinge, die zu kritisieren sind. Er schloss
sich der Forderung nach Aufarbeitung und
Nachbereitung des Gipfels an.
Anmerkung:
In dieser Ausgabe wird noch die Bezeichnung
„Linkspartei.PDS“ verwendet, da der Berichtszeitraum vor der Vereinigung von PDS und
WASG zur Partei „DIE LINKE“ liegt.