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26.10.2005

Imperialismus pur

Das Schmieröl der Weltwirtschaft soll im Zentrum des nächsten G8-Gipfels 2006 in St. Petersburg stehen. Im schottischen Gleneagles erklärte Putin "Energiesicherheit" und "Bildung" zu Hauptthemen für 2006. Die G8-Staaten vereinbarten außerdem, die Anstrengungen im Kampf gegen den Terror zu verstärken und auf dem Petersburger Gipfel über das Erreichte Bericht zu erstatten.

2007 findet der G8-Gipfel in Deutschland, in Heiligendamm, das rund 20 Kilometer von Rostock entfernt liegt, statt. Im Oktober tagt das erste Vorbereitungstreffen zur Mobilisierungen gegen den Gipfel in Hamburg, nachdem es schon am Erfurter Sozialforum mehrere Workshops gegeben hat und die Mobilisierung für 2007 zu einem Schwerpunkt der "sozialen Bewegungen" erklärt wurde.

Autonome KommunistInnen etc.

Entstehung und Politik der G8

Die heutigen G8 entstanden Mitte der 70er Jahre. Der erste "Gipfel der Sechs" fand 1975 in Rambouillet (Frankreich) statt. Ein Jahr später gesellte sich auch Kanada zur illustren Runde der führenden imperialistischen Staaten - USA, Japan, Deutschland, Italien, Britannien und Frankreich.
Es ist kein Zufall, dass die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in dieser Periode entstanden. Nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods, der Niederlage im Vietnamkrieg und einer Erschütterung der US-Vorherrschaft wurde ein regelmäßiges "informelles" Treffen zur Koordinierung gemeinsamer globaler Politik, zum Umgang mit innerimperialistischen Gegensätzen wie zur Bestimmung gemeinsamer weltpolitischer Interessen notwendig.
In den 70er und 80er Jahren standen die Koordinierung gemeinsamer wirtschaftlicher Maßnahmen und das Führen des Kalten Krieges im Zentrum. Die G7 war nie eine "Quatschrunde", sondern führte immer wieder zu konkreten gemeinsamen Aktionen der großen imperialistischen Staaten wie z.B. der Vorbereitung des Plaza-Abkommens von 1985, das eine starke Abwertung des Dollars zur Belebung der US- und Weltwirtschaft beinhaltete.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks reklamierte sich Gorbatschows Sowjetunion und später Russland in die Runde, das 1996 als Vollmitglied in die G8 aufgenommen wurde.
Die Gipfel widmeten sich in den 90ern der Durchsetzung der kapitalistischen Globalisierung und der Restauration des Kapitalismus in Osteuropa und der GUS, der Etablierung einer "globalen Wachstumsstrategie" (u.a., um der chronischen Stagnation Japans entgegenzuwirken), der Bestimmung der Politik des IWF, aber auch der Kontrolle halbkolonialer "Krisenherde" und dem "Kampf gegen den Terrorismus".
Neben den jährlich stattfindenden Gipfeln der G8 besteht diese Imperialistenrunde auch aus Arbeitsgruppen und Treffen von Fachministern. So berieten die Finanzminister der sieben wichtigsten Industrienationen Ende September in Washington über Maßnahmen zur Senkung des Ölpreises und zur Milderung der hohen Energiekosten für die Weltwirtschaft.

Im Visier der Proteste

Nicht erst seit dem Gipfel von Seattle zum Ende der 90er Jahre werden die Tagungen von IWF, WTO, der G8 oder der EU von Massenprotesten begleitet. Schon in den 80er Jahren waren die Zusammenkünfte der Herrschenden im Visier der antiimperialistischen Linken, so in Bonn 1985, als 50 000 die Verabredung zur Ausplünderung der Welt durch die sieben reichsten Staaten behindern wollten, und ein Jahr später in Tokio, wo neben Massenaktionen eine Guerillagruppe Raketen gegen den Weltwirtschaftsgipfel einsetzte. Vielen werden zudem noch die Proteste gegen den IWF-Gipfel 1988 in Berlin in Erinnerung sein, bei dem über 100 000 das Demonstrationsverbot durchbrachen und viele militant intervenierten. Egal ob friedlich oder militant - alle zusammen drückten ihre Sympathie und Unterstützung mit den Befreiungsbewegungen in aller Welt aus. Erst mit dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten ebbten die Proteste gegen die Gipfel ab, doch kaum 10 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sah sich der globale Kapitalismus in Seattle wiederum Massenprotesten gegenüber. Seit den Protesten in Genua 2001 werden die G8-Treffen aber nicht mehr in den Metropolen abgehalten, sondern in teils schwer zugängliche (und leichter zu kontrollierende) Orte verlegt. In Genua demonstrierten Hunderttausende aus Italien und anderen Ländern Europas. Nach der Ermordung Carlo Giulianis kam es zu Massendemonstration, die von den Sozialforen im Land organisiert worden waren.
Wie die Demonstration in Gleneagles zeigt, an der sich rund 300.000 Menschen beteiligten, bedeutet diese Taktik der G8 jedoch nicht, dass keine Massen zu mobilisieren wären.
Im Sommer 2007 kommt der jährliche G8-Gipfel also nach Deutschland. Das Treffen wird im Kempinski Grand Hotel in Heiligendamm in Mecklenburg-Vorpommern stattfinden, einem exklusiven Kurort direkt an der Ostsee.
Davor wird es in St. Petersburg eine wichtige Mobilisierung der russischen Bewegung geben. Wie die Massendemos gegen die Rentenkürzungen im Jahr 2004/2005 zeigten, gibt es auch in Russland ein Potential für Aktionen gegen die G8. Aufgrund der staatlichen Repression (z.B. Einreisebestimmungen) wird es schwer werden, nach St. Petersburg massenhaft zu mobilisieren. Deshalb ist es umso wichtiger, in anderen Ländern parallel zum Gipfel in Russland zu protestieren und Solidarität mit den russischen AktivistInnen zu bekunden. Das kann zugleich auch zur Mobilisierung für 2007 genutzt werden.

Politische Mobilisierung

Es ist zu begrüßen, dass die politische Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm schon jetzt diskutiert wird. Schließlich wird der Gipfel auch von der Regierung bewusst genutzt werden, um die Weltmachtambitionen des deutschen Imperialismus bzw. der von ihm geführten EU zu verdeutlichen.
Daher treten wir für eine klare politische Ausrichtung der Proteste ein. Unser Kampf richtet sich gegen die G8 und das kapitalistische und imperialistische Weltsystem, für das sie stehen, und gegen das wir täglich und kontinuierlich vor Ort kämpfen müssen!. Wir wollen keinen andere, reformierte G8, sondern treten für das Motto "G8 stoppen! Gipfel blockieren!" an.
Unser Kampf ist aber auch eine Unterstützung der nationalen Befreiungsbewegungen, etwa in Kolumbien und Venezuela, in Nepal, in Palästina, Kurdistan und im Baskenland. Sicher wollen wir alle eine staatenlose Gesellschaft, aber angesichts eines Imperialismus, der hochgerüstet bereitsteht, in jedes beliebige Land einzufallen, ist es nicht möglich, eine Gegengesellschaft aufzubauen, die frei von vertikalen Strukturen ist. Es kommt für uns daher darauf an, wie und für welche Ziele diese (Gegen)Macht benutzt wird. Wenn die Bolivarianische Revolution in Venezuela aufgrund ihrer Macht beispielsweise den vom Fischfang Lebenden die Möglichkeit bietet, Kooperativen zu gründen und damit endlich am gesellschaftlichen Reichtum teilzuhaben, dann können wir diese Machtausübung nicht verurteilen. Und Befreiungsbewegungen wie in Nepal und Kolumbien wären schon längst zerschlagen, wenn sie nicht Strukturen aufgebaut hätten, die fürs Überleben notwendig sind. Die Befreiungsbewegungen haben erkannt, daß wer die Machtfrage stellen will, auch bereit sein muß, die Macht zu übernehmen. Die Frage ist nach wie vor: Sitzen wir hier in Westeuropa auf unserem Sofa und schauen Glotze oder sind wir uns bewusst, dass wir uns im Herzen der Bestie befinden und deshalb anfangen müssen, unsere eigene Gegenmacht vor Ort gegen die imperialistische Herrschaft aufzubauen.
Die Mobilisierung soll daher von Beginn an auf einer internationalistischen und klassenkämpferischen Basis geführt werden. Wir wissen, dass der Imperialismus nicht in Heiligendamm geschlagen werden wird, sondern dass dazu der Widerstand im Irak und in Palästina, die Revolution in Bolivien oder Massenstreiks gegen die Angriffe in Europa unterstützt und propagiert werden müssen.
Eine solche Ausrichtung und die dazu notwendigen Bündnis- und Koordinierungsstrukturen müssen jetzt diskutiert und auf den Weg gebracht werden. Das ist auch deshalb notwendig, weil wir es - wie zuletzt auch in Gleneagles - mit politischen Vereinnahmungsversuchen von Kirchen, NGOs, von PDS/Linkspartei/WASG, Gewerkschaftsführungen, den Grünen und gar der SPD zu tun haben. Inhaltlich werden diese versuchen, die Forderungen und Ziele der Bewegung auf eine illusionäre "Reformierung der G8" zurechtzustutzen.
Bei den Aktionen werden sie versuchen, diese zeitlich oder örtlich möglichst abseits vom Gipfel zur organisieren und radikalere Kräfte und Aktionsformen von der "Masse" der Protestes zu isolieren. Diesen Befriedungs- und Spaltungsversuchen müssen wir entgegentreten und dafür Unterstützung auch in Massenorganisationen- und Bewegungen suchen: in Gewerkschaften, in bei der Mitgliedschaft von Linkspartei/WASG, in den sozialen Bewegungen usw. Das ist nicht nur deshalb nötig, um die Bewegung möglichst groß zu machen, sondern auch, um die reformistischen Führungen mit dem Druck ihrer eigenen Basis zu konfrontieren. Wir müssen damit rechnen, dass z.B. Lafontaine die Mobilisierungen gegen den Gipfel nutzen wird, um seine Ideen einer Reformierung der G8 und einer "neuen globalen Finanzarchitektur" - nicht zuletzt auch zur Freude solcher Kräfte wie attac - zu präsentieren.
Dagegen müssen alle Kräfte, die für eine antiimperialistische Ausrichtung stehen, vorbereitet und gut organisiert agieren. Dazu sind eine politische Plattform und ein politischer Kampf um die Hegemonie in der Bewegung und breite Mobilisierungen nötig.
Nächste Schritte zur Mobilisierung sollten Aktionen gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos, die Demo gegen die Münchner-Sicherheitstagung und Solidaritätsaktionen mit den Protesten gegen den G8-Gipfel in St. Petersburg sein.

Berlin, Oktober 2005

Autonome KommunistInnen

Rote Aktion Berlin (RAB)

Soziale Initiative Neukölln (SiNN)

Gruppe Arbeitermacht

revolution! Berlin