Von Charlotte Ullmann
Schon bei der Ankunft in Straßburg konnten unsere Frankfurter Busse, wegen der Polizeisperren, nicht wie geplant parken. Mitten in der Stadt, wo die Sperren am größten waren, verließen wir die Busse, die sich dann einen anderen Standort suchen mussten.
Bezeichnenderweise standen wir direkt vor der Kaserne der “Ecole Militaire”, hinter deren hohem Eisentor ca 20 bis an die Zähne bewaffnete Soldaten in Tarnanzügen und Reih und Glied postiert waren und uns grimmig anblickten. Nichts wie fort. Aber wie, bei dieser Überrepräsentanz von Polizei und Militär. Also dann, auf, in Richtung Kundgebungsplatz am Hafen.
Wir mussten buchstäblich im Zickzack und um die Stadt herum zum Hafen marschieren, es war ein richtiges Spießrutenlaufen, überall Polizisten, die den Weg versperrten. Voran unsere wackere Stefanie Haenisch aus Frankfurt, bewaffnet mit Stadtplan, Handy und Megaphon, um die Marschroute einigermaßen flexibel hinzubekommen. Diese notwendige Flexibilität führte uns buchstäblich im Zickzack und um die Stadt herum zu unserem Kundgebungsplatz. Dabei wurden wir mehrmals von der Polizei eingekesselt, die wahllos Tränengas-Bomben in die Menge der Demonstranten warfen, mit Gummigeschossen Menschen verletzten, aggressive Arschtritte verteilten und Wasserwerfer einsetzten. Es war wie im Bürgerkrieg. Die Geschäfte waren verriegelt, aber einige mutige und gleichzeitig sehr arme Anwohner ließen Demonstranten in ihre Häuser, um sie mit Wasser zu versorgen. Denn die Einkesselung hatte auch unsere Vorräte zuneige gehen lassen.
Zugegebenermaßen hatte der schwarze Block ziemlich randaliert, eine Fabrik von ihren Fensterscheiben befreit, Barrikaden quer über die Straßen gebaut aus Holzpaletten, die aus der eroberten Fabrik stammten, oder aus Güterzug-Waggons, die sie zuvor abgehängt hatten. Weiterhin hatten die Autonomen sämtliche Bushaltestellen auf unserer Marschroute entglast, ein Hotel und eine Tankstelle unter Feuer gesetzt usw., was unsere friedlichen Absichten gewaltig in Misskredit gebracht hat.
Endlich am Kundgebungsplatz angelangt, Stunden nach der festgesetzten Zeit, wagte keiner mehr, die Kundgebung in Angriff zu nehmen, auch angesichts des drohenden Wasserwerfers, der seine dicken Wasserstrahlen die Böschung hinabschickte. Jeder Demonstrant war nur noch darauf bedacht, der Einkesselung zu entfliehen und die Busse rechtzeitig zu erreichen. Dafür mussten wir uns querfeldein, in halsbrecherischer Tour, unter parkenden Güterzügen hindurch oder über sie hinweg, durch eine Schrebergartenkolonie schlagen.
Dies alles schien der Polizei nicht entgangen zu sein. Denn als wir wieder auftauchten, filzten sie uns, nahmen einen jungen Spunt fest, der grotesterweise noch kurz zuvor damit geprahlt hatte, was er alles in seiner Hosentasche mit sich führe, und zu allem Überfluss diese Insignien jugendlichen Übermutes auch noch herumgezeigt hatte. Auf unsere Entgegnung, Messer, Schlagringe und dgl. gehörten nicht auf eine Demo und er möge die Sachen wegwerfen, weil man damit rechnen müsse, gefilzt zu werden, hatte er nicht reagiert. Was hätten wir tun sollen? Ihm die Sachen abnehmen? Anschließend verzögerte sich unsere Abfahrt auch wegen seiner Festnahme um Stunden, da er in einem unserer Busse mitgefahren war.
Einen solchen aggressiven Einsatz der Polizei habe ich noch nie erlebt, noch nicht einmal vorletztes Jahr in Rostock oder zu Zeiten der 68iger Studentenbewegung.
Allerdings scheint es eine Parallele zu Rostock zu geben. Ich habe das Gefühl, dass ebenfalls gestern die Polizei Agents provocateurs in den Schwarzen Block geschickt hatte. Zumindest spielte dieser mit seinem Barrikadenbau in die Hände der Polizei-Strategie, die Demonstration zu zerstückeln und somit die Kundgebung zu verhindern, obwohl sie angemeldet und genehmigt war.
So waren wir an der Ausübung unseres demokratischen Grundrechts der freien und öffentlichen Meinungsäußerung systematisch gehindert worden.
Charlotte Ullmann, Frankfurt am 5.4.09
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