Home » Strasbourg Baden-Baden 2009 » NATO 2009 Evaluation  

 Recent

Watch also...



print
2009-04-05

Heike Hänsel: »Niemand hat sich um das Feuer gekümmert«

Kompetenzgerangel oder Wahnsinn mit Methode – warum Brände nicht gelöscht und Demonstranten nicht über die Europabrücke durften. Ein Gespräch mit Heike Hänsel

Interview: Claudia Wangerin

Heike Hänsel ist Mitglied der Bundestagsfraktion Die Linke. Sie und weitere Parlamentarier verhandelten am Samstag mit der Polizei über die Anti-NATO-Demonstration auf der Europabrücke

Am Samstag haben in Kehl und Strasbourg Tausende friedlich gegen den Jubiläumsgipfel demonstriert. Am Rande kam es aber zu erheblichen Ausschreitungen. Was war Ihrer Meinung nach der Hauptgrund?
Die deutsche und die französische Regierung sind durch ihre restriktiven Vorgaben und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit für die Eskalation verantwortlich. Während sich die Staats- und Regierungschefs der NATO gegenseitig in ihrem globalen Kriegskurs bestärkten, wurden sie gegen die kritische Öffentlichkeit abgeschirmt. Das Chaos war hausgemacht. Ein geordneter Ablauf der Proteste war durch Einreiseverbote, massive Grenzkontrollen und die Sperrung des Zugangs zur Kundgebung unmöglich gemacht worden.

Die Situation verschärfte sich, als die deutsche Bundespolizei den Ostermarsch von Kehl nicht über die Europabrücke nach Strasbourg durchließ. Dem internationalen Anti-NATO-Bündnis gelang es zwar, in Strasbourg mit dem Teil der Demonstranten, die es bis zum Kundgebungsplatz geschafft hatten, eine kraftvolle Auftaktkundgebung zu beginnen. Als die französische Polizei Tränengas in diese friedliche Versammlung schoß, mußte sie abgebrochen werden. Das sogenannte Sicherheitskonzept ist komplett gescheitert.

Was haben Sie von den Bränden auf der französischen Seite der Europabrücke mitbekommen?
Ich habe dort Barrikaden gesehen – und anfangs nur ein kleines bis mittelgroßes Feuer, das auf alle Fälle eindämmbar gewesen wäre. Das hat aber niemand gemacht. Irgendwann hat die Überdachung des alten Zollhäuschens Feuer gefangen. Daraus entwickelte sich dann ein richtig großer Brand.

Sie waren bei den gescheiterten Verhandlungen über den Fortgang der Demonstration über die Europabrücke dabei. Wie wurde dort argumentiert?
Es hätte zur Deeskalation beitragen können, wenn man die Demonstranten aus Kehl über die Brücke gelassen hätte. Das war unser Hauptargument. Es schien der Polizei zunächst einzuleuchten, weil sie die Demonstration in Kehl als friedlich einschätzte. Wir hatten ja schon einen Kompromiß. Das Feuer sollte gelöscht und Freizügigkeit für die Demonstration gewährleistet werden. Die deutsche Polizei hatte zugesagt, ihre Wasserwerfer zurückzuziehen, um die Teilnehmer von deutscher Seite auf die Brücke zu lassen. Es hieß auch zunächst, daß es von französischer Seite kein Problem gebe. Aber dann hat man uns hingehalten. Wir haben gut eine halbe Stunde gewartet, es tat sich aber nichts. Dann sagten sie uns, es müsse noch mit der französischen Seite abgeklärt werden. Währenddessen wurde das Feuer immer größer. Niemand schien sich darum zu kümmern.

Halten Sie das für eine Verzögerungstaktik?
Vielleicht gab es zu diesem Zeitpunkt auf deutscher Seite Kompetenzgerangel zwischen Bundes- und Landespolizei. Uns fehlte auch zeitweise ein Ansprechpartner. Die deutsche Einsatzleitung teilte uns immer wieder mit, die französischen Kollegen seien nicht erreichbar. Später wurde uns gesagt, der französische Präfekt finde es jetzt zu gefährlich, die Demonstranten von deutscher Seite auf die Brücke zu lassen – und daran wolle sich die deutsche Polizei halten. Aber sie hatten jede Menge Zeit verstreichen lassen, in der es möglich gewesen wäre, über die Brücke zu gehen. Es gab ein Zeitfenster von mehr als einer halben Stunde.

Wurden Sie von der deutschen Polizei möglicherweise belogen, was die Haltung der französischen Polizei und des französischen Präfekten betrifft?
Das muß dringend aufgeklärt werden. Darüber hinaus fragen wir uns, wie die Koordination zwischen Landes- und Bundespolizei gelaufen ist.

Source: http://www.jungewelt.de/2009/04-06/008.php