Mehr Sicherheit für Politiker
G 8-Gegner zwischen Kritik und Zustimmung
Tourismusbranche will sich nach Anschlag nicht verunsichern lassen
Personenschutz in MV wird überprüft
Geschlafen
Anschlag auf Privathaus von Ringstorff
Mehr Sicherheit für Politiker
Aufgeschreckt gab sich das politische Schwerin nach den Angriffen auf das Wohnhaus des Regierungschefs. Die CDU fordert Aufklärung, die PDS grenzt sich ab.
Schwerin (OZ) Auch wenn es nur Steine und Gläser mit schwarzer Farbe waren – die Wurfgeschosse der nächtlichen Eindringlinge auf dem Grundstück von Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) haben die Verantwortlichen in Innenministerium und Landeskriminalamt mächtig aufgeschreckt. Schließlich hätten es auch Molotow-Cocktails oder Handgranaten sein können.
“Wir überprüfen, ob insgesamt die Sicherheitsmaßnahmen ausreichend sind – nicht allein für den Ministerpräsidenten, auch für andere Personen des öffentlichen Lebens”, sagte gestern Marion Schlender, Pressesprecherin im Innenministerium.
Die Landespolitik in Schwerin verurteilte die Angriffe. “Wer mit Gewalt versucht seine Ziele durchzusetzen, stellt sich außerhalb der demokratischen Grundordnung”, sagte CDU-Generalsekretär Lorenz Caffier und forderte schnellste Aufklärung der Vorfälle. Peter Ritter, Landeschef der Linkspartei.PDS, der sich selbst zu den G 8-Gegnern zählt, war um Abgrenzung bemüht. “Weder mit gewaltbereiten Chaoten noch mit Globalisierungsgegnern, die mit diesem Thema ihr eigenes Süppchen kochen wollen, hat die PDS was am Hut”, sagte Ritter. Und Wolfgang Methling (Linkspartei.PDS), Stellvertreter Ringstorffs im Amt des Regierungschefs, betonte, die Bekenner des Anschlags mit Kürzel P.D.S. hätten nichts mit seiner Partei zu tun.
Bislang ist Ringstorff der einzige im Land, dem Personen- und Objektschutz zuteil wird. Theoretisch hätte auch Innenminister Gottfried Timm (SPD) Anspruch. Der lehne bisher ab, sagt Schlender, ebenso wie seine Vorgänger Rudi Geil und Armin Jäger (beide CDU).
Außer den bisherigen Ministerpräsidenten Berndt Seite und Alfred Gomolka hätten lediglich Georg Diederich und Lothar Kupfer und (CDU-Innenminister 1990 bis 1992 bzw. 1992/93) Leibwächter genutzt, die als Beamte mit Spezialausbildung zum Landeskriminalamt (LKA) gehören.
Wer zum Kreis zu schützender Personen gehöre, lege das LKA in einer “Gefährdungsanalyse” vor – laut Schlender ein “sehr sensibles Thema”, über das möglichst wenig an die Öffentlichkeit dringen soll.
Deshalb gab sich das Ministerium betont einsilbig auf die Frage, wie ein künftiges Sicherheitskonzept aussehen könne. Erst müsse das von einer linksautonomen Gruppe eingegangene Bekennerschreiben “von Fachleuten ausgewertet” werden. Dazu gebe es einen intensiven Datenaustausch mit dem Bundes- und anderen Landeskriminalämtern. Der Anschlag auf Ringstorff sei in Mecklenburg-Vorpommern der erste auf einen Politiker mit Bezug auf den 2007 in Heiligendamm stattfindenden G 8-Gipfel.
Im Schreiben der Gruppe “Peuple de Seattle” waren auch Angriffe auf Hotels und touristische Einrichtungen angedroht worden. “Das hat uns natürlich erschreckt”, gibt Guido Zöllick, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in MV zu. “Wir können uns doch aber jetzt nicht verbarrikadieren.” Die Hoteliers wollen sich jedoch mit “den Leuten, die es wissen müssen”, zusammensetzen, um in Erfahrung zu bringen, welche Häuser besonders gefährdet seien. Zöllick: “Ansonsten machen wir in aller Ruhe unseren Job, die Gäste sollen sich wohlfühlen.”
[Ostseezeitung 31. August 2006]
G 8-Gegner zwischen Kritik und Zustimmung
Rostock (OZ/mcp) Gewalt gegen den G 8-Gipfel wird in der Szene der Gegner unterschiedlich bewertet. Das Anti-G 8-Büro in Berlin meint zum Anschlag auf Ringstorffs Haus: “Seit einem Jahr artikulieren die Kritiker des G 8-Gipfels ihre Positionen in MV. Wieso werden die Menschen erst durch Farbeier hellhörig?”
Dass dieser Anschlag nicht der letzte sein wird, glauben andere. In ungefestigten Strukturen wie denen gegen den Weltwirtschaftsgipfel gebe es immer auch Militante. Deren Aktionen könne man kaum verhindern. Die Gruppe “Peuple de Seattle”, die sich zum Anschlag bekannte, sei in der Szene unbekannt, heißt es. Unbekannt waren auch die Gruppen, die für zwei Angriffe im März und April diesen Jahres verantwortlich sind. Dabei wurde zum einen das Auto des Hamburger Direktors des Welt-Wirtschafts-Instituts abgebrannt und dessen Haus mit Farbe und Steinen angegriffen. Im zweiten Fall wurden fünf Lkw einer Oldesloer Firma in Brand gesetzt, die Geschäfte im Sudan macht.
Bislang registrierte das Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt acht Anschläge im Zusammenhang mit dem Gipfel in Heiligendamm.
[Ostseezeitung 31. August 2006]
Tourismusbranche will sich nach Anschlag nicht verunsichern lassen
30.08.2006: Rostock/MVr Die Tourismusbranche in Mecklenburg-Vorpommern will sich nach dem Farbanschlag von G8-Gegnern auf das Privathaus von Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) nicht verunsichern lassen.
“Wir sind ein gutes Gastgeberland, für den Weltwirtschaftsgipfel ebenso wie für andere große Tagungen”, sagte Verbandschef Bernd Fischer heute auf ddp-Anfrage. Im Bekennerschreiben waren weitere Aktionen nicht nur gegen Politiker, sondern auch gegen Hotels und gastronomische Einrichtungen angekündigt worden. “Wir sollten uns nicht einschüchtern lassen, das ist eine grundsätzliche Frage”, sagte Fischer.
Im Land gebe es bereits für einige Einrichtungen “in sensiblen Bereichen” erhöhte Sicherheitsvorkehrungen im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel im kommenden Jahr in Heiligendamm. Darüber habe der Hotel- und Gaststättenverband schon mit seinen Mitgliedsunternehmen beraten, sagte Fischer. Die Leidtragenden einer solch deutlichen Drohgebärde seien die Kellner und Angestellten, die rund 100 000 Beschäftigten der Fremdenverkehrsbranche, betonte der Verbandschef und riet, “gelassen zu bleiben”.
Für Fischer ist der Anschlag mit Farbbeuteln auf das Haus des Ministerpräsidenten auch ein “Ansatz von Terrorismus, der geprobt wird”. Wichtig sei jetzt, sich öffentlich dagegen zu positionieren. Diese Art von Protest gegen den Weltwirtschaftsgipfel habe nichts mehr mit Demokratie zu tun, sagte Fischer.
[MVregio Rostock mv/hro 30. August 2006]
Personenschutz in MV wird überprüft
Schwerin (OZ/E.E) Nach der Farbattacke auf das Wohnhaus von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) werden die
Sicherheitsvorkehrungen für gefährdete Personen im Land überprüft. Der Schweriner Innenminister Gottfried Timm (SPD) sagte gestern, es werde auch neu analysiert, wer zum Kreis der besonders zu schützenden Personen gehöre. Politiker von CDU und PDS, aber auch nichtmilitante G 8-Gegner verurteilten den Anschlag.
Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zeigte sich “geschockt” von dem Angriff der vermutlich linksautonomen Gruppe. Obwohl diese vor dem G 8-Gipfel auch Aktionen gegen touristische Einrichtungen androhte, sollten Hotels nicht in Festungen verwandelt werden. “Ich kann nicht nachvollziehen, dass Millionen Gästen der Urlaub verdorben wird, weil wir 2007 vier Tage lang Politiker beherbergen”, sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick. Er machte deutlich: "Wir freuen uns auf den Gipfel, er ist gut für unser Land
[Ostseezeitung 31. August 2006]
Geschlafen
Unglaublich: Da fliegen Steine und Farbbeutel auf das Wohnhaus des Ministerpräsidenten. Mitten in der Nacht, mitten in einem kleinen Dorf im beschaulichen Mecklenburg-Vorpommern.
Und das, obwohl der wichtigste Mann der Schweriner Landesregierung eigentlich rund um die Uhr von Sicherheitsbeamten strengstens bewacht werden soll. Eigentlich: Denn in der Tatnacht schlief wohl nicht nur Ringstorff fest. Da drängt sich die Frage auf, was hätte noch passieren können?
Zweifellos ist der bislang unbekannten Gruppe von G 8-Gegnern ein großer Coup in der militanten Szene geglückt. Er rückt nach dem spektakulären Bush-Besuch im Juli und noch vor den Landtagswahlen im September das im Frühsommer 2007 in Heiligendamm geplante Gipfeltreffen der Regierungschefs der führenden Industrienationen wieder in den Fokus.
Die Gegner des Gipfels machen schon lange weltweit mobil. Der Anschlag auf Ringstorffs Haus beweist nun: Sie sind ernst zu nehmen. Sie machen Ernst.
Die Gewaltbereitschaft und die Drohungen der militanten Globalisierungsgegner sollten den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern die Sinne schärfen. Der Kampf gegen den Gipfel hat längst begonnen. Und Mecklenburg-Vorpommern ist, wie das Beispiel Ringstorff zeigt, allein überfordert.
[Ostseezeitung 30. August 2006]
Anschlag auf Privathaus von Ringstorff
Sachschäden durch Steine und Farbbeutel – Bekennerschreiben von militanten G 8-Gegnern – Gruppe droht weitere Aktionen in MV an
Rostock (OZ) Der Ministerpräsident und seine Frau schliefen , die Sicherheitsbeamten offenbar auch. . . In der Nacht vom vergangenen Sonntag zum Montag verübten bislang unbekannte Täter einen Anschlag auf das Wohnhaus von Harald Ringstorff in einem Dorf bei Warin (Landkreis Parchim). Das bestätigte gestern der Chef des Landeskriminalamts, Ingmar Weitemeier. Der Staatsschutz ermittelt.
Durchgeführt wurde die Aktion wie ein Kommandounternehmen. Die Täter warfen mehrere Steine sowie mit schwarzer Lackfarbe gefüllte Beutel und Glasbehälter auf das Grundstück des Regierungschefs. Einige trafen Fenster und Wände des hell verklinkerten Hauses. Verletzt wurde niemand.
Gestern tauchte der Bekennerbrief einer Gruppe “Peuple de Seattle” (P.D.S.) auf, der der OZ vorliegt und in Hamburg aufgegeben wurde. Darin macht die Gruppe den SPD-Politiker verantwortlich, Asylbewerber in Lager zu “zwingen und gewaltsam abzuschieben” sowie den G 8-Gipfel 2007 nach Heiligendamm geholt zu haben. Wer das tue, “soll zu Hause auch keinen Frieden finden”. Es folgt die genaue Anschrift Ringstorffs.
Die Unterzeichner, die sich auch als “TeilnehmerInnen der militanten Kampagne gegen den G 8 in Heiligendamm” ausgeben, drohen mit weiteren Anschlägen. Wörtlich: “. . . wir wissen, dass nicht alle wichtigen Funktionsträger und Institutionen in Mecklenburg-Vorpommern in den nächsten Monaten geschützt werden können, auch wenn PDS und SPD im Landeshaushalt bereits 10 Mio. für Sicherheitskosten beim G 8-Gipfel bewilligt haben.”
Doch die in Zukunft geplanten Aktionen der Gruppe sollen sich nicht nur gegen Politiker richten. “Hotels, Gastronomie und die Fremdenverkehrsbetriebe von Mecklenburg-Vorpommern”, warnen die G 8-Gegner, “sollten sich genau überlegen, ob sie an dem Herrschaftsspektakel Anfang Juni 2007 partizipieren wollen.” Dann deutlicher: “Denn MV tut nicht allen gut.”
Ministerpräsident Ringstorff reagierte gestern gelassen auf den Anschlag. “Sicher ist das sehr ärgerlich”, sagte er der OZ. “Farbbeutel können aber Argumente nicht ersetzen.” Das LKA wollte sich gestern weder zu den Ermittlungen noch zur tatsächlichen Bedrohung durch die Gruppe äußern. Ein Hamburger Verfassungsschützer sagte gegenüber der OZ, dass eine militante Gruppe namens P.D.S. nicht bekannt sei. Die Drohungen im Bekennerschreiben solle man in Schwerin aber ernst nehmen. Noch unklar ist, wie es überhaupt zu dem Anschlag auf den Ministerpräsidenten kommen konnte. Sein Haus ist schwer einzusehen und dazu rund um die Uhr bewacht. Eigentlich. In Ermittlerkreisen hieß es gestern, die diensthabenden Beamten waren auf Streife. . .
http://www.ostsee-zeitung.de/mantel_titel_32343239373331.phtml