Von Carolin Jenkner
Auch nach dem G-8-Gipfel reißt in Berlin die Serie von Brandanschlägen auf Autos nicht ab. Die Abfackel-Praxis wird inzwischen sogar im Internet dokumentiert: Fahrzeugtyp, Ort und Datum werden erfasst.
Die Autobrände in Berlin nehmen kein Ende. In der vergangenen Nacht zündeten Unbekannte einen Audi A4 in Friedrichshain an. Das Auto brannte aus. Ein daneben stehender Toyota wurde ebenfalls beschädigt. In der Nacht zu Montag brannte ein Mercedes in Kreuzberg. Die Polizei geht in beiden Fällen von einem politischen Hintergrund aus und vermutet, dass die Täter aus der linksautonomen Szene kommen. Deshalb hat nun der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes die Ermittlungen übernommen.
71 Brandanschläge auf Autos hat die Berliner Polizei in diesem Jahr schon zu verbuchen. “Das hat es letztes Jahr in dem Ausmaß nicht gegeben”, sagt Klaus Schubert von der Pressestelle der Polizei. Die Krawalle begannen ein paar Wochen vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm. Linksextreme Splittergruppen machten teure Fahrzeuge als Symbol ihrer Feindbilder aus. Sie setzten den Mercedes von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann in Brand. In Berlin ging fast jede Nacht ein Auto in Flammen auf (mehr…). Schwerpunkt war damals wie heute der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.
Im Vorfeld des G-8-Gipfels hatten Linksautonome zu “Wettbewerben” aufgerufen. Acht Punkte gab es für ein abgebranntes Auto, drei für eine eingeschlagene Scheibe. Der Wettkampf scheint auch zwei Wochen nach G8 weiterzugehen. Die Polizei fährt auch weiterhin verstärkt Streife im Bezirk.
Chronik der Anschläge im Internet
Mittlerweile gibt es im Internet eine Chronik über die Brandanschläge in Berlin. Auf der Website www.brennende-autos.de sieht man auf einer Karte die Orte der Anschläge. Außerdem werden Fahrzeugtyp, Datum und Straße genannt. Bei den meisten angezündeten Autos handelt es sich um die Marken Mercedes, BMW und Opel. Die Internetseite ist aber nicht etwa von einer linksextremen Gruppe gestaltet worden.
Hinter dem Projekt steckt Uwe Frers. Eigentlich betreibt er mit seiner Firma “Tripsbytrips” eine Reisewebsite und hat, wie er sagt, mit der linksextremen Szene nichts zu tun. Als er aber vor ein paar Wochen auf dem Weg ins Büro an einem ausgebrannten Auto in Kreuzberg vorbeikam, war er geschockt und ihm kam die Idee zu der Internetseite. “Wir wollten einfach mal zeigen, was man mit einer Google-Karte alles machen kann”, sagt Uwe Frers und weist jegliche politische Intention von sich. “Wir lehnen Gewalt strikt ab und wollen einfach mit einer neutralen Homepage eine Chronologie der Anschläge abbilden.”
Die Polizei hat nichts gegen die Hobby-Auflistung. “Wir betrachten das ganz neutral”, sagt Klaus Schubert. Und auch Uwe Frers betont noch einmal, dass er ja selbst Angst um sein Auto habe: ein Audi A3, nur sechs Monate alt. Die Straße, in der er sein Büro hat, liegt in der Nähe des Paul-Lincke-Ufers in Kreuzberg – genau da also, wo in der Nacht zu Montag ein Mercedes angesteckt wurde.
Kreuzberger sehen Anschläge mit gemischten Gefühlen
Nicht alle Kreuzberger teilen seine Furcht. Claudia Klemm arbeitet in einem Buchladen am Heinrichplatz und kommt jeden Tag mit ihrem Golf zur Arbeit. Sie findet, dass die Polizei im Vorfeld des G-8-Gipfels falsch gehandelt und die Straftaten somit provoziert hat. “Die Polizei hat nichts dazu gelernt. Die kesseln die Leute ja so ein”, sagt sie. “Wenn die Autonomen mein Auto abbrennen, kann ich das verstehen.”
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