Schnellgerichte und mobile Gefängnisse – zwei Begriffe im Umfeld von G8, die dem Präsidenten des Landgerichts, Dr. Gerhard Hückstädt, aufstoßen. Denn auch beim Gipfel bewege sich die Justiz auf dem Boden der Verfassung.
Rostock (OZ) Innenminister Lorenz Caffier (CDU) kündigte für den G8-Gipfel Schnellgerichte und mobile Gefängnisse an. Zwei Begriffe, die dem Präsidenten des Landgerichts in Rostock, Dr. Gerhard Hückstädt, missfallen.
OZ: Was sind Schnellgerichte?
Hückstädt: Den Begriff gibt es meines Wissens in der Küche. Bei uns nicht. Wir haben auch bei G8 normale Gerichte auf der Basis des Grundgesetzes. Wir werden beschleunigte Verfahren durchführen, die in der Strafprozessordnung geregelt sind und die bei einfachen Sachverhalten und klarer Beweislage zum Einsatz kommen. Die maximale Freiheitsstrafe liegt bei einem Jahr. Das entspricht dem Prinzip der Justiz, dass Strafe auf dem Fuße folgt.
OZ: Was sind mobile Gefängnisse? Da denkt man an „Hamburger Kessel“.
Hückstädt: Wir sprechen von Gefangenensammelstellen. Der „Hamburger Kessel“, bei dem Polizisten 1986 Demonstranten auf einem Platz festgehalten haben, hat damit nichts zu tun. In den Sammelstellen werden Betroffene ordnungsgemäß verwahrt und versorgt. Auf der Basis rechtsstaatlicher Bestimmungen. Dazu gibt es Verfassungsgerichtsurteile, die die Ansprüche auf Mindestfläche, Betreuung, Liegeplätze etc. regeln. Betroffene können sich mit Angehörigen und Verteidiger in Verbindung setzen. Für Ausländer stehen Dolmetscher bereit. Die Personen werden von der Polizei in die Sammelstellen gebracht. Dort entscheiden Richter unverzüglich, ob eine Gewahrsamnahme zulässig ist und ob sie fortdauern darf. Auch die Dauer wird festgelegt. Die liegt bei maximal zehn Tagen. In der Regel wird nach wenigen Stunden – wenn zum Beispiel eine Demonstration zu Ende ist – die Maßnahme beendet. Ausnahme: Es liegt der Verdacht auf eine Straftat vor, bei der die Staatsanwaltschaft Antrag auf Erlass eines Haftbefehls stellt.
OZ: Was passiert in den Sammelstellen de facto?
Hückstädt: Ein Richter stellt die Personalien fest, prüft den polizeilichen Antrag auf Gewahrsamnahme. Das wesentliche Instrument ist die Anhörung. Auch Videos gehen in die Entscheidung mit ein. Beweise werden nicht erhoben, da es ein Verfahren zur Gefahrenabwehr ist. Sollte der Gewahrsam länger als 48 Stunden dauern, wird der Betroffene in die Justizvollzugsanstalt Bützow gebracht.
OZ: Und ist dann vorbestraft?
Hückstädt: Nein, das ist keine Vorstrafe. Es kann zu einem weiteren Verfahren führen, wenn Verdacht auf eine Straftat besteht.
OZ: Benötigen Sie für G8 Richter anderer Länder?
Hückstädt: Nein. Wir werden 100 Richter in Bereitschaft halten. Die Aufgaben werden durch die Amtsgerichte Rostock, Bad Doberan und Güstrow wahrgenommen. Zur Unterstützung werden Richter des Landgerichts Rostock eingebunden. Es haben auch andere Gerichte ihre Hilfe angeboten. Die Richter sorgen für die Verfolgung und Aburteilung begangener Straftaten und auch Haftanordnung im Rahmen der Strafprozessordnung. Zweitens haben sie im Rahmen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG) die Aufgabe der präventiven Gefahrenabwehr. Das SOG sieht vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Polizei Personen in Gewahrsam nehmen kann. Grund: Drohung oder Fortsetzung einer Straftat oder Störung der öffentlichen Sicherheit. Nach dem Grundgesetz maximal 48 Stunden.
OZ: Müssen Richter dafür extra geschult werden?
Hückstädt: Da Verfahren nach dem SOG relativ neu und nicht allen Richtern geläufig sind, haben wir Schulungen angeboten.
OZ: Es gibt bei Demos immer wieder Vorwürfe des politischen Handelns der Justiz. Wie stehen Sie dazu in Bezug auf G8?
Hückstädt: Es gibt Konzepte, wie man mit G8 umgeht. Das unterliegt allein der Polizei. Richter und Gerichte bleiben in dem Prozess unabhängig, sind keinerlei Weisungen unterworfen. Weder von Regierungen noch von Politikern oder der Polizei. Es wäre äußerst befremdlich, wenn aus der Politik jemand anweisen wollte, bei G8, sagen wir mal, härter durchzugreifen. Genauso hätte es disziplinarische Folgen, wenn ich einem Richter so etwas raten würde. Niemand ist berechtigt, einzelnen Richtern Weisungen zu geben. Das ist verfassungsmäßiger Grundsatz. Dass Versammlungen stattfinden, ist richtig und gut so. Das Versammlungsrecht ist ein besonders hohes Gut unseres Rechtsstaates und Kennzeichen unserer Demokratie. Aber das Versammlungsrecht darf man nur friedlich und ohne Waffen ausüben. Wenn es zu Ausschreitungen kommt, wird die Justiz auf rechtsstaatlicher Grundlage entscheiden.
Interview: MICHAEL MEYER
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