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2007-08-07

Karlsruhe: Bundesanwältin über 129a auf dem Weg zu Negris Italien

Zum 1. August hat die Bundesanwaltschaft ihr bewährtes Lasso 129a neu geknüpft und ist jagdfroh geworden. So wurden drei Personen in Berlin angeblich beim Versuch erwischt, Lastwagen der Bundeswehr abzufackeln. Das wäre an sich Sachbeschädigung oder Brandstiftung und würde für Untersuchungshaft bei Nicht-Vorbestraften Nicht- Fluchtverdächtigen nicht ausreichen. Deshalb muss 129a herhalten: der Vorwurf der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung. Dieser wieder müsste -wenn es nach dem Wortlaut des Gesetzes ging- nachgewiesen werden, dass sie sich gegen den Bestand der Bundesrepublik oder internationaler Einrichtungen richte. Arme Republik, wenn ihr Bestand an drei angekokelten LKWs hängt.

Damit es spannender wurde, hieß es für alle Beschuldigten in den Helikopter steigen. Auf nach Karlsruhe! In vergleichbaren Fällen haben es auch Autos getan.

Soweit das inzwischen leider schon Gewohnheit gewordene Vorgehen der Bundesanwaltschaft. Der entschlossene Schritt zum Neuen bestand aber dieses Mal darin, dass eine vierte Person- Andrej- mit in Haft genommen wurde, die zugegebenermaßen sehr weit vom Tatort war. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Umstrukturierung von Stadtvierteln wie zum Beispiel dem Prenzlauer Berg und hat dort mit einigem Erfolg Bürgerinitiativen beraten, die sich der Umgestaltung durch Straßen-Café-Planer, Immobilienhaie usw. widersetzen. Deshalb haben sich auch mehrere Initiativen für den Angeklagten ausgesprochen und sofort an Soli-Demonstrationen teilgenommen.

Wie argumentiert die Bundesanwaltschaft und was akzeptiert der Untersuchungsrichter als Haftgrund? Angeblich hat sich Andrej zweimal mit einem der drei angeblichen Brandstifter konspirativ getroffen. Kein Wort zum Inhalt der Unterredung. Das Konspirative allein muss genügen. Hätten die zwei Beschuldigten sich mehrfach offen im Café getroffen, würde das natürlich zum kiloschweren Mühlstein am Hals: sie scheuten sich nicht, offen ihre Pläne zu besprechen.

Neu aber- ganz in Richtung des Prozesses gegen Negri im damaligen Italien, die Beweisführung für den inneren Tatbestand.

Negri war seinerzeit verurteilt worden, als Chefideologe der “roten Brigaden” also quasi als Anstifter von deren Taten. Ohne jede konkrete Tatbeteiligung.Aufschrei allenthalben. Immerhin waren damals noch geschlossene Gedankengänge Grundlage des Verfahrens ( Alles, versteht sich, bevor Negri auf “Multitude” u.ä. verfiel).

Laut einem Bericht von spiegel-online ist Andrej mit im Helikopter, weil er gut schreibt, weil er über Bibliotheken Zugang zu gelehrten Werken hat, weil die Militante Gruppe auch gegen Umbau des Prenzlauer Bergs zum Hoch-Style-Quartier ist und ähnlich Überzeugendes mehr.

Leider gibt Spiegel-online zu wenig wörtliche Belege. Einer besteht darin, dass Andrej das Wort “repressiv” verwendete. Er sprach vom “repressiven Staat.” Außerordentlich verdächtig auch: die Gruppe hat sich auf Klars Botschaft aus dem Bruchsaler Knast bezogen.

Es hilft nichts! Es muss heraus! Genau das haben wir alles in STATTWEB auch getan. Immer wieder!Gegen Stadtteilverhunzung in Freiburg gewettert. Klars Botschaft gleich im Januar 07 veröffentlicht! “Repressiv” vielleicht nicht geschrieben, aber gedacht. Wir verwenden oft deutschtümlerisch“unterdrückerisch” “Unterdrückung”.

Nur jetzt die alten Fehler nicht wiederholen!Als es in den siebziger Jahren mit den Berufsverboten losging, versuchten wir immer wieder, die Leute aufzuschrecken mit” Das kann doch jedem passieren”. Als zum Beispiel Assessor Topp in Heidelberg flog, weil er Schülern recht gegeben hatte,die ausschließlich demokratische Gesetze befolgen wollten, polterten wir von der damaligen Fachgruppe GEW Gymnasien los :

Das geht doch gegen alle! Wer ist schon für undemokratische Gesetze?- Darauf das breite Grinsen von SPD und Etabliert-GEW: Uns könnte das nicht passieren.

Mit Recht! Der Wortlaut bedeutet nichts mehr. Es kommt auf die Zuordnung an. Nur vorgemerkten Gruppen werden vorgemerkte Worte zur Last gelegt.

Den Fehler dürfen wir nicht wiederholen. Es geht wirklich nicht gegen alle. Es geht gegen die, die an den bestehenden Verhältnissen aktiv etwas ändern wollen. Damit allerdings auch gegen solche wie uns. Nicht umsonst wird die langjährige Tätigkeit Andrejs im Kampf gegen die kapitalistische Umgestaltung Berlins immer wieder hervorgehoben. Darum geht es. Sie führte zur Markierung, zur Vormerkung

Mit Recht wird auf die Gefahr hingewiesen, die drei aus dem Kasernenhof zu vergessen über dem einen, der als unser Mit-Intellektueller gelten soll. In Wirklichkeit handelt es sich um ein notwendiges Amalgam. ( Amalgam seit den Zeiten des französischen Polizeiministers Fouché eine Methode, möglichst verschiedene Leute unter einem Anklagepunkt zusammenzufassen, um schwierigere Fälle ans Eindeutige Eindrucksvolle zu ketten.) Hier ist die Verkettung offenbar notwendig, um das Konstrukt der “terroristischen Vereinigung” wenigstens so lange hinzubekommen, bis der Untersuchungsrichter abgenickt hat. Nur wenn es den einen gibt, der die angeblich staatsfeindliche Theorie aufstellt, ist die angebliche Nutzanwendung der Autozündler nicht nur Sachbeschädigung, sondern Ausdruck des Zusammenhalts einer “terroristischen Vereinigung.”. Und umgekehrt: nur wenn zur Theorie eine praktische Anwendung hinzugefunden wird, bleibt die Theorie nicht einfache -grundgesetzlich geschützte freie Überlegung, sondern terroristische Handlungsanweisung.

Es kommt alles darauf an, beides nicht auseinanderreißen zu lassen.

Und den Ausgang der Entwicklung in Italien im Auge zu behalten. Am Ende waren die traditionellen juristischen Regeln so zerkrümelt, dass willkürlich Amnestien erlassen werden mussten.

Während die Gerichte sich verzettelten, die Republik gegen links zu retten, jagt Ex-Staatsschef Berlusconi heute noch eine Meute Anwälte gegen solche Richter, die etwa auch ihm ans Leder wollen. '

Quelle: junge welt; Spiegel-online; indymedia; ulla-jelpke PE

[http://www.stattweb.de/baseportal/NewsDetail&db=News&Id=2151]