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2007-08-08

"Wir sind alle 129a" - Bundeskoordination Internationalismus wertet jüngste Verhaftungen in Zusammenhang mit der "militanten gruppe" als Angriff auf Meinungsfreiheit

Presseerklärung der Bundeskoordination Internationalismus 8. August 2007

Die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) betrachtet die jüngste
Eskalation bei der Verfolgung linker AktivistInnen nach Paragraf 129a
(Bildung einer terroristischen Vereinigung) als Angriff auf die freie
Meinungsäußerung. Die gegen das BUKO-Mitglied Andrej H. vorgebrachten
Vorwürfe bewertet die BUKO als Kriminalisierung auch ihrer eigenen
politischen Arbeit. Die BUKO fordert die BAW auf, die Beschuldigten
freizulassen und die Verfahren wegen 129a StGB einzustellen.

Am 1. August 2007 hat die Bundesanwaltschaft (BAW) Haftbefehle gegen
vier mutmaßliche Mitglieder der nach § 129a StGB als “terroristische
Vereinigung” eingestuften “militanten gruppe” (mg) erlassen. Den drei am
Tag zuvor Verhafteten Florian L., Oliver R. und Axel H. wird ein
versuchter Brandanschlag gegen Bundeswehrfahrzeuge zur Last gelegt, der,
so die BAW, “eine Vielzahl von Parallelen zu Anschlägen der ,militanten
gruppe (mg)’ in der Vergangenheit” aufweist. Im Falle des vierten
Beschuldigten, des Sozialwissenschaftlers Andrej H., reichen angebliche
“konspirative Treffen” sowie die Benutzung von “Schlagwörtern und
Phrasen, die in Texten der ,militante(n) Gruppe (mg)’ gleichfalls
verwendet werden”, um ihn der Mitgliedschaft in einer “terroristischen
Vereinigung” zu bezichtigen.

Die Anwendung von Paragraf 129a auf diesen Fall zeigt, wie der
Generalvorwurf “Terrorismus” benutzt wird, um gegen Kritik an Staat und
Gesellschaft vorzugehen. Besonders deutlich ist dies im Falle des
beschuldigten Andrej H.: Inhalte angeblicher konspirativen Treffen mit
einem der drei anderen Beschuldigten sind der BAW nicht bekannt.
“Terrorismus” wird ihm aufgrund von Passagen aus seinen
wissenschaftlichen Arbeiten vorgeworfen.

Die Verhaftungen stehen in einer Linie mit der Razzia vom 9. Mai gegen
Gruppen, die in die Vorbereitung der Proteste gegen den G8 involviert
waren sowie mit den Durchsuchungen in Bad Oldesloe und Berlin kurz nach
dem G8. Auch damals wurde das Phänomen “militante gruppe” als Argument
für den Versuch angeführt, das Aufbewahren von Informationsmaterial, die
Veröffentlichung von Büchern oder das Aufrufen zu Aktionen des zivilen
Ungehorsams als “terroristische Akte” zu diffamieren und entsprechend
gegen Beschuldigte vorzugehen.

Mit der Begründungen der Haftbefehle vom 1.August 2007 wird nun eine
neue Dimension erreicht: Andrej H., Stadtsoziologe und langjähriger
Aktivist in zahlreichen stadtpolitischen Gruppen beschäftigt sich
vorrangig mit Themen wie Stadtumstrukturierung und der Verdrängung von
MieterInnen durch Aufwertungsprozesse (Gentrifizierung). Das sind auch
die Themen des BUKO-Arbeitsschwerpunkts Stadt-Raum, in der Andrej H.
aktiv ist. “Wir, die BUKO und unsere Arbeit, werden hier unter
Terrorismusverdacht gestellt” sagt Martina, BUKO-Mitglied und
Mitbegründerin des Arbeitsschwerpunkts. Offensichtlich reicht den
Strafverfolgungsbehörden die kritische Auseinandersetzung mit bestimmten
Inhalten, um Menschen als “Mitglied einer terroristischen Vereinigung”
zu kriminalisieren. Sollte sich eine als terroristische Vereinigung
eingestufte Gruppe des Vokabulars oder der Themen eines von wem auch
immer veröffentlichten Textes bedienen, kann der Autor – so wurde gerade
bewiesen — wegen § 129a StGB in Untersuchungshaft gesetzt werden. Das
zeigt das ganze Ausmaß der Willkürlichkeit, die dieser Paragraf
erlaubt. “Wenn es als ,terroristisch’ gilt, Meinungen frei zu äußern,
kritische Forschung zu betreiben oder sich für gesellschaftliche
Veränderungen zu engagieren — dann sind wir alle TerroristInnen.”, sagt
Armin Kuhn, ein Sprecher der BUKO. Paragrafen wie 129a StGB, die
eingesetzt werden, um missliebige Meinungen zu unterdrücken, sind eines
Rechtsstaates unwürdig und gehören abgeschafft.

Unsere Solidarität gilt den Beschuldigten sowie ihren FreundInnen und
Angehörigen, denen wir für die kommende Zeit viel Kraft und Mut wünschen.

Bundeskoordination Internationalismus (BUKO)

Kontakt: Niklas Reese, Tel.: 0163-7307388, niklas.reese@web.de