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2002-01-15

PRESSEMITTEILUNG: AUFNAHME IN DIE "GEWALTTÄTERDATEI LINKS" UND DIE SCHWERWIEGENDEN FOLGEN FÜR DIE BETROFFENEN

Die nachfolgende mündliche Anfrage stellt die innenpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Silke Stokar, im Plenum des nächsten Landtages (Niedersachsen, 23.-25. Januar):

"Gefährderansprachen, Meldeauflagen, Reiseverbote"

Im Vorfeld des EU-Gipfels in Brüssel im Dezember 2001 forderte das niedersächsische Innenministerium die Polizeibehörden des Landes auf, sog. "Gefährderansprachen" bei möglichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Demonstrationen gegen den EU-Gipfel vorzunehmen.

Wie öffentlich bekannt wurde, wandte sich die Polizeiinspektion Göttingen mit einem Anschreiben an zahlreiche Personen, die u. a. mit dem vom DGB organisierten Bus zu einer angemeldeten und genehmigten Demonstration nach Brüssel fahren wollten. In dem Anschreiben heißt es:

"Der Polizei Göttingen ist bekannt, dass sie im Zusammenhang mit versammlungsrechtlichen bzw. demonstrativen Aktionen polizeilich in Erscheinung getreten sind. Daher ist es nicht auszuschließen, dass sie auch in Zukunft an demonstrativen Ereignissen teilnehmen werden. Für den 13. - 15. Dezember 2001 sind demonstrative Aktionen gegen den EU-Gipfel in Brüssel geplant. Zu diesen Aktionen in Belgien rufen gewerkschaftliche-, studentische-, linksautonome-, Antifa-Gruppen sowie sonstige Globalisierungsgegner auf. Bei gleichgelagerten Aktionen (z. B. Göteburg, Genua pp.) kam es in der Vergangenheit zu erheblichen gewaltsamen Ausschreitungen seitens einiger Demonstrationsteilnehmer. Auch während dieses EU-Gipfels ist damit zu rechnen. Um zu vermeiden, dass sie sich der Gefahr präventiver polizeilicher Maßnahmen im Rahmen der Gefahrenabwehr (bis hin zur Zurückweisung an der deutsch-belgischen Grenze) oder strafprozessualer Maßnahmen aus Anlass der Begehung von Straftaten im Rahmen der demonstrativen Aktionen aussetzen, legen wir ihnen hiermit nahe, sich nicht an den o. g. Aktionen zu beteiligen."

Bei den angeschriebenen Personen löste das Anschreiben der Polizei Verwunderung aber auch Empörung aus. Für die Betroffenen ist in keiner Weise nachvollziehbar, aufgrund welcher Informationen oder Daten, sie für diese "Gefährderanschreiben" ausgewählt wurden. Keiner der bekannten Betroffenen ist wegen eines Vergehens oder einer Straftat im Zusammenhang mit dem Versammlungsrecht verurteilt. Aus anderen Bundesländern ist bekannt, dass es im Vorfeld von EU und Weltwirtschaftsgipfeln neben Gefährderanschreiben auch polizeiliche Hausbesuche, Meldeauflagen und Ausreiseverbote gab.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Personen wurden in den Jahren 2000 und 2001 im Vorfeld von Demonstrationen durch polizeiliche Hausbesuche, Gefährderanschreiben oder sonstige persönliche Gespräche aufgefordert, sich nicht an Demonstrationen zu beteiligen und gegen wie viele Personen wurden Meldeauflagen oder Reisebeschränkungen verhängt?
2. Wie viele Personen aus Niedersachsen sind in der "Zentral-Datei für linke Gewalttäter" beim Bundeskriminalamt (BKA) erfasst?
3. Nach welchen Kriterien werden in Niedersachsen Personen als "links motivierte Gewalttäter" eingestuft und an das BKA zur Aufnahme in die "Gewalttäterdatei" weitergemeldet?

Silke Stokar