MOPO 28.3.2003
Student muss sich für Gewalt gegen Polizei in Göteborg verantworten
"Es gab keine Handlungsmöglichkeit gegenüber der Polizei", sagt der 24-jährige Tim E. vor einer Strafkammer in Moabit. In diesem "Gefühl der Ohnmacht" schien "mir die einzige Möglichkeit, mich zu wehren, in Sachbeschädigung zu bestehen". Der wegen Landfriedensbruchs und versuchter gefährlicher Körperverletzung angeklagte Student trägt das ganz ernst vor. Er fühlt sich noch immer absolut unschuldig. Ein Opfer der Polizeiwillkür, zu Straftaten quasi gedrängt.
Im Juni 2001 war Tim E. mit einer Gruppe Demonstranten zum EU-Gipfel nach Göteborg gereist. In friedlicher Absicht, wie er sagt. Doch schon an der Grenze - "unser Bus wurde sechs Stunden aufgehalten" - habe sich die Spirale der Gewalt zu drehen begonnen: Es habe willkürliche Verhaftungen gegeben, brutale Angriffe hoch zu Ross und Schläge mit Metallstangen. Sogar mit Pflastersteinen hätten die schwedischen Polizisten geworfen.
"Die Unübersichtlichkeit der Situation hat mich in einen starken Angstzustand versetzt." Und dann habe er aus dieser Angst vor den aggressiven Polizisten eben Steine geworfen. Vormittags gegen die Schaufensterscheiben einer Bank. Abends auf Polizisten - "die trugen Helme und Schutzanzüge. Eine Verletzungsgefahr schien also ausgeschlossen."
Es ist ein kurzer Prozess. Ohne Zeugen. Und so wird erst bei der Urteilsbegründung klar, welche Rolle der brave Student Tim E. im Juni 2001 bei den Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten tatsächlich spielte. 77 Verletzte gab es damals, darunter 20 Polizisten. Einem wurden aus kürzester Entfernung Pflastersteine ins Gesicht geschmettert.
"Wir können glauben, was sie erzählen", sagt der Richter, "aber wir sind nicht verpflichtet dazu." Es sei offen, warum der vermeintlich friedlich demonstrieren wollende Tim E. wirklich nach Göteborg gefahren sei. Aber immerhin - Fotos am Tatort beweisen das - "war er professionell vermummt", habe "sogar einen Helm dabei gehabt". Zwei Jahre Gefängnis lautet dann die Strafe, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Die seien auch notwendig, sagt der Richter. Es käme ja "bald der 1. Mai".