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2002-06-10

VIER POLIZISTEN WEGEN GÖTEBORG ANGEKLAGT

Fast genau ein Jahr nach dem EU-Gipfel in Göteborg wurde am 6. Juni 2002 gegen vier schwedische Polizisten wegen Fehlverhalten bei der Stürmung des Schillerska Gymnasium des Anklage erhoben. Das ist das erste Mal, dass in der Folge des Göteborger Gipfeltreffens einer Anklage gegen Polizeibeamte stattgegeben wurde. Die vier Beamten hatten den Einsatz vor Ort geleitet, bei dem die Schule, die 79 DemonstrantInnen und TeilnehmerInnen des Gegengipfels als Schlafstätte diente, durch ein Sondereinsatzkommando der schwedischen Polizei gestürmt wurde.

In der Nacht des 16. Juni 2001, einen Tag nachdem bereits das Hvitdfeldska Gymnasium belagert wurde, stürmte ein Sondereinsatzkommando, die "Nationella Insatsstyrka", unterstütz von regulärer Polizei und einer Hundestaffel, mit vorgehaltenen Maschinengewehren die Schule. Die sich in der Schule befindenden Menschen aus Schweden und dem Ausland wurden auf den Schulhof geführt und mussten sich auf den regennassen Beton legen während sie dem zum Teil rassistischen und menschenverachteten Spott der Polizeibeamten ausgesetzt waren. Dort mussten sie bis zu eineinhalb Stunden auf dem Bauch mit den Händen hinter dem Kopf liegen bleiben, wobei ihnen vorher verweigert wurde, persönliche Gegenstände oder weitere Bekleidungsstücke als die, die sie am Körper hatten, mitzunehmen. Nach der Personalienfeststellung und einer Leibesvisitation durften die 45 schwedischen StaatsbürgerInnen das Gelände verlassen, während alle Ausländer mit Busen zu einer auswärtigen Dienststelle gebracht wurden, wo sie gesondert überprüft wurden. Allen AktivistInnen wurde dir Rückkehr in die Schule für den Rest der Nacht verweigert, während die Polizei die Schule durchsuchten.
Als Begründung für den Einsatz gegen die Schule gab die Polizei an, dass sie dort einen Terroristen aus Deutschland vermutete. Laut Polizeiangaben hatte die Polizei im Laufe des Tages einen Hinweis erhalten, demnach sich in der Schule ein deutschsprechender Mann mit einer Tasche mit fünf Schusswaffen aufhalten solle. Diese Person erhielt prompt in den Medien und Polizeiberichten die Bezeichnung "der deutsche Terrorist mit den gelben Haaren" auf Grund seiner angeblich auffälligen Haarfarbe. Die Identität des Mannes wurde nie geklärt, geschweige dass er je aufgegriffen wurde oder die besagten Handfeuerwaffen oder sonstige Waffen in der Schillerska gefunden wurden.
Angeklagt sind vier Beamte, drei Polizeiinspektoren und ein Kommissar, die den Einsatz gegen das Schillerska Gymnasium befehligt haben. Ihnen wird "Fehlverhalten im Dienst" in zwei Fällen vorgeworfen. Zu einem bezieht sich die Anklage auf das Festhalten von den 45 SchwedInnen, was in der Anklageschrift als "Freiheitsberaubung ohne rechtliche Grundlage" bezeichnet wird. Desweiteren wird das Vorgehen der Polizei als Nötigung ausgelegt, da es laut Anklage keinen Anlass gab, dass die Menschen sich auf den Boden legen mussten und diese Vorgehensweise unverhältnismäßig war. Die Staatsanwältin Agneta Blidberg, die die 1500 Seiten lange Anklage verfasst hat, konnte keine Beweise für Misshandlungen finden. Dies steht im Widerspruch zu Aussagen von Betroffenen, die Übergriffe durch Polizeibeamte gesehen haben oder selbst erleben mussten.
Auslöser für die Anklage war die Anzeige von 34 Betroffenen wegen der übertriebenen Brutalität mit der die Räumung durchgeführt wurde, und die anschließenden Erniedrigungen und Beschimpfungen der Betroffenen. Der Prozess wird wahrscheinlich erst im Herbst stattfinden. Als Zeugen sollen neben 13 Betroffenen auch ca. 20 PolizistInnen und der oberste Staatsanwalt Mats Sällström geladen werden, der die Durchsuchung angeordnet hat.
Anders Svensson, Vertreter der Dachorganisation Göteborgsaktion2001 und selbst anwesend in der Schillerska, würde gerne die höchste Befehlsebene der Polizei angeklagt sehen: "Der Kommandochef Håkan Jaldung hatte die höchste Verantwortung für das, was in der Schillerska passiert ist. Ich denke, dass er für die Übergriffe, die gegen uns begangen wurden, zur Verantwortung gezogen werden sollte. So können jetzt die höchsten Polizeichefs ungestraft davonschleichen."

[globalistak@gmx.net]