Unglaubliche Brutalität der Polizei in Bukarest. Rumänische Behörden unterdrücken gewaltsam Proteste gegen die NATO. Ein Gespräch mit Alex
Alex ist Sprecherin der »Romania-Repression-Group« und zieht es vor, anonym zu bleiben. Sie steht in Kontakt mit den Nato-Gegnern in Bukarest
Am Mittwoch wurden 47 Nato-Gegner, darunter 22 Deutsche, in der rumänischen Hauptstadt Bukarest festgenommen. Eine normale Polizeiaktion?
Nein. Es war ein Spezialkommando, voll maskiert und mit Gewehren, das unseren Treffpunkt stürmte, das Convergence Center in Bukarest. Bei der Razzia wurden mehrere Aktivisten geschlagen, auch anschließend in den Polizeiwagen wurden die Festgenommenen bedroht und mißhandelt. Es fielen Sätze wie: »Wenn du nicht den Mund hältst, bringen wir dich um.« Auf den Polizeiwachen wurden sie weiter verprügelt. Mindestens einer kam mit einem Knochenbruch ins Krankenhaus. Das Ergebnis der Razzia bestand übrigens darin, daß lediglich Farbtöpfe und Stoff für Transparente gefunden wurden.
Die Festgenommenen sind wieder frei – kann man in Bukarest jetzt gegen den Nato-Gipfel demonstrieren?
Das war zu keinem Zeitpunkt möglich. Die Behörden haben alles verboten, keine einzige Demonstration wurde genehmigt. Selbst politisches Straßentheater wie »food not bombs« wurde verboten, also das kostenlose Verteilen von Essen, um gegen Rüstung und Hunger zu protestieren.
Gibt es denn neue Verhaftungen?
Die ganze Zeit werden hier Leute festgenommen, seit Tagen schon. Wer zum Beispiel einen großen Rucksack trägt, gilt als auffällig und wird zum Polizeirevier geschleppt, wo er erkennungsdienstlich behandelt wird, d. h. Fingerabdrücke, Durchsuchung usw. Danach werden die Menschen wieder freigelassen, aber solche Maßnahmen schüchtern natürlich ein.
Sind außer der Polizei auch andere Behörden an den Repressionen beteiligt?
Auch der Geheimdienst SRI ist darin eingebunden. Deren Leute stehen bei mehreren Aktivisten seit Tagen ganz offen vor der Wohnung. Wenn die einen Schritt heraus machen, folgen ihnen im Abstand von wenigen Metern die Agenten. Ähnlich ist es auch einer deutschen Gruppe gegangen, die mit einem Kleinbus angereist war. Von der Grenze an wurden sie verfolgt, bis nach Bukarest hinein. Sie haben natürlich darauf verzichtet, das Convergence Center anzusteuern.
Wie reagiert die rumänische Öffentlichkeit darauf?
Es hat eine riesige Medienkampagne gegeben, die vor den Nato-Gegnern gewarnt hat. Der schwarze Block aus Deutschland drohe die Stadt zu überrennen, hieß es, es war immer nur von Anarchisten und Terroristen die Rede. An den Grenzen werden ständig potentielle Demonstranten abgewiesen. Ich selbst habe zweimal versucht einzureisen. Das wurde verweigert, nachdem die Grenzer antimilitaristische Schriften gefunden hatten. Rumänische Nato-Gegner wurden in Zeitungen bei Namen genannt und davor gewarnt, sich an Aktionen zu beteiligen. Die Hetze ging so weit, daß es in den Medien Aufrufe gab, Nato-Gegner aus den Fenstern heraus mit Steinen zu bewerfen.
Gibt es keine kritischen Medien?
Sie sind kaum wahrzunehmen. Die Homepages der Nato-Gegner sind abgeschaltet worden, nachdem die Behörden Druck auf die Provider ausgeübt hatten. Worauf die Medienkonzerne jetzt allerdings reagieren, ist, daß die Polizei auch Journalisten festnimmt. Das rumänische Fernsehen zeigte Bilder von den Freigelassenen, die mit geschwollenen Augen aus den Polizeiwachen herauskamen. Seither werden die immerhin nicht mehr als »Terroristen«, sondern als »Pazifisten« bezeichnet. Nur bewirkt das nicht viel: Vor dem Polizeirevier werden die Übergriffe dokumentiert, aber drinnen gehen die Prügel weiter. Die Polizei stört sich überhaupt nicht daran, daß ihre Gewalt bekannt wird.
Welche Möglichkeiten haben die Nato-Gegner überhaupt noch?
In Bukarest haben rund 60 Leute am Mittwoch abend gemeinsam die verschiedenen Polizeireviere aufgesucht, wo die Festgenommenen einsaßen. Ansonsten sind Aktionen auf der Straße praktisch nicht drin. Auch die geplanten Workshops müssen wahrscheinlich ausfallen, weil ja das Zentrum geräumt wurde.
Info: Protestdemonstration gegen die Polizeiübergriffe in Bukarest am heutigen Freitag um 15.00 Uhr in Berlin vor der rumänischen Botschaft. (Dorotheenstraße 62–66, U-Bahnhof Friedrichstraße)
Interview: Frank Brendle
[http://www.jungewelt.de/2008/04-04/040.php]
Source: www.jungewelt.de