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2001-12-03

Antirepressionsstrukturen und Rechtsinfos für Brüssel

Viele undogmatische Rechtsanwälte aus ganz Belgien bereiten sich bereits seit einiger Zeit auf die bevorstehenden Proteste an den Grenzen und in Brüssel vor.

Es gibt drei zentrale Telefonnummern unter denen Kontakt zu den legal-teams und allen involvierten AnwältInnen aufgenommen werden kann. Direkte Adressen und Telefonnummern von Anwälten werden nicht herausgegeben. Diese Nummern gelten sowohl für Probleme an der Grenze als auch für Brüssel selber (Vorwahl außerhalb Belgiens: 0032 und dann die erste Null der Nr. weglassen):

0473-73 12 77
0495-44 44 73
0473-54 53 15
Das legal-team wird permanent erreichbar sein vom 10.-14.Dezember.

An der Grenze
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Schengener Abkommen wieder außer kraft gesetzt wird und es zu vielen Zurückweisungen an den Grenzen kommen wird. Es wird spezielle legal-teams an den Grenzen geben, die versuchen werden hier so gut wie möglich zu helfen z.B. durch bereits vorbereitete gerichtliche Eilanträge gegen die Zurückweisungen. Im Falle einer Zurückweisung sollte daher das legal team (siehe obige Telefonnummern) kontaktiert werden. Das legal team versucht in allen Städten an den Hauptgrenzübergängen Anwalts-Kanzleien zu finden. Abgewiesene können dann dorthin um sich beraten zu lassen, die Anwälte einzuschalten, um notwendige Informationen für die gerichtlichen Eilanträge an das legal team zu faxen und um eventuell weniger problematische Grenzübergänge zu erfragen etc. Sobald die Adressen und Telefonnummern der Kanzleien feststehen, werden wir sie auf unserer Internetseite (www.gipfelsturm.net) veröffentlichen.
Hier einige Rechtsinfos, die uns die Brüsseler Rechtsanwälte haben zukommen lassen. Es ist immer gut seine Rechte zu kennen, auch wenn wir immer wieder erfahren müssen, daß sie oft nicht das Paper wert sind, auf dem sie stehen:
Auch wenn Schengen außer kraft gesetzt wird, besteht für EU-Bürger weiterhin freies Reiserecht innerhalb EU. Selbst wenn Ihr keinen Personalausweis oder Reisepass dabeihabt ist dies für EU-Bürger kein Grund zur Einreiseverweigerung, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit, die lediglich mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Um Komplikationen zu vermeiden solltet Ihr jedoch Euren Peronalausweis mitnehmen und den Reisepass zu Hause lassen, da dort sonst unschöne Stempel hinterlassen werden können. Wenn Ihr keinen Personalausweis habt, solltet Ihr natürlich Euren Reisepass mitnehmen.
Für Nicht-EU-Bürger besteht dagegen kein Einreise-Anspruch nach Belgien, sondern nur das Recht an der Grenze ein Visum zu beantragen. Sollte dieses verweigert werden, ruft das legal team an. Wenn Ihr nach dem Grund Eures Einreisebegehrens gefragt werdet, dann gebt Tourismus oder den Wunsch zur Ausübung Eures Rechts auf Teilnahme an den legalen Demonstrationen am 13./14./15. Dezember an.
Die Einreise kann immer nur Einzelpersonen bezüglich Gründen die in dieser Person liegen, verweigert werden, d.h. es ist nicht rechtmäßig pauschal ganze Gruppen, Züge oder Busse zurückzuweisen, es sei denn jede einzelne Person erfüllt einen Zurückweisungsgrund.
Grund für eine Zurückweisung kann nur sein, daß man angeblich eine schwerwiegende Bedrohung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Belgien darstellt, also z.B. gegen Straf- oder andere Gesetzte verstoßen wird. Dafür müssen konkrete Anhaltspunkte vorhanden sein. Bloße Vorstrafen oder frühere Verhaftungen reichen hier nicht, sondern die Grenzer müssen präzisieren, warum man eine konkrete und akuelle Bedrohung darstellt.
Die Grenzbeamten können sich für eine Zurückweisung nicht auf die allgemeine Gefährdung der öffentlichen Ordnung wegen der angekündigten Demos etc. in Brüssel berufen.
Falls die Grenzer meinen, Eure Personenbeschreibung stehe im Computer, dann laßt Euch das beweisen
Als praktischen Ratschlag empfehlen die belgischen Rechtsanwälte, problematischen Grenzkontrollen durch Anreise mit kleinen PKW's, zu Fuß oder über die "grüne Grenze" aus dem Weg zu gehen.

Brüssel
In Brüssel wird es verschiedene legal teams geben die wieder über die oben stehenden Telefonnummern erreichbar sein werden: ein ständiges Rechtsanwalt-Bereitschaftsteam, ein Convergence-Center-Team, ein Verhaftungsteam, mehrere Straßenteams (Demo- und Straßenbeobachtung) und ein Team, daß Kontakt zur (Alternativ-)Presse, zur Rechtsanwaltskammer, zum Parlament etc. hält. Während der Demonstrationen werden die legal teams durch spezielle Kleidung erkennbar sein.
Aufgrund der starken Aktivitäten der Rechtsanwälte bereits im Vorfeld haben diese von der Polizei schon jetzt die Zusage erhalten, daß sie alle Verhaftungen von sich aus dem legal team melden werden (na wer's glaubt). An allen drei Tagen des EU-Gipfels sind Demonstrationen angemeldet und bisher nicht verboten worden. Die Routen stehen aber noch nicht fest.
Hier einige zusätzliche Infos, die uns von einigen belgischen AnarchistInnen mitgeteilt wurden: Es gibt schon jetzt ca. 40 Anwälte gibt, die bereit sind, jedem Verhafteten zu helfen. Das heißt, daß es hoffentlich nicht das Problem geben wird, wie in Italien, daß militante Protestierende lange suchen müssen, bis sie einen Anwalt finden, der zur Hilfe bereit ist. Auch ca. 100 Jurastudies sollen schon ihre Hilfe zugesagt haben. Die Polizei soll gerne Wasserwerfer einsetzen (nett, bei dem Wetter), über sehr moderne Räumpanzer verfügen und auch Pfeffergas haben (dies aber selten benutzen). Außerdem gibt es normalerweise keine Massenverhaftungen, sondern eher vor und nach den Demos Abhaftungen von Leuten, die sich "checkermäßig" verhalten. Es wird sich zeigen, ob diese Erfahrungswerte auch für den EU-Gipfel noch Geltung haben werden.

Einige Infos der belgischen Anwälte zur Rechtslage in Belgien und dem, was die Polizei daraus macht:
Die Gründe, warum man auf Demos verhaftet werden kann sind im Ergebnis unvorhersehbar. Außer Alkohol, Kaffee und Tabak sind alle Drogen in Belgien verboten. Auch Waffen und waffenähnliche Gegenstände sind auf Demos verboten. Teilweise wurden auch schon DemonstrantInnen verhaftet wegen aufgesetzter Kapuzen oder weil sie Wechselklamotten dabeihatten.
Bei konkreten Verdachtsmomenten darf die Polizei Personalien kontrollieren. Zivilpolizisten müssen sich jedoch auf Verlangen ausweisen können. Nach der Kontrolle müssen sie die Dokumente sofort wieder zurückgeben. Man hat das Recht den Grund der Kontrolle zu erfahren und darauf, daß sie nicht "unvernünftig" lange dauert.
Kann die Identität durch die Kontrolle nicht geklärt werden, könnt ihr deshalb 12 Stunden (zur Identitätsklärung) festgenommen werden. Außerdem kann man 12 Stunden festgenommen werden, wenn die Polizisten der Überzeugung sind, daß man die Absicht hat, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, d.h. Gestze zu verletzen, Straftaten zu begehen etc. (Vorbeugehaft). Bei diesen zwei Verhaftungsgründen, hat die Polizei kein Recht von Euch Fotos zu machen oder Fingerabdrücke zu nehmen, es sei denn, Ihr habt keine Identitätsdokumente oder verweigert deren Herausgabe. Bei diesen zwei Haftgründen gibt es aber kein Recht auf einen Anwalt.
Wenn ihr festgenommen werdet, habt Ihr das Recht eine Person eures Vertrauens zu benachrichtigen.
Werdet Ihr verdächtigt eine Straftat begangen zu haben, könnt Ihr zunächst für 24 Stunden inhaftiert werden. In diesem Fall dürfen Fotos und Fingerabdrücke gemacht werden. Innerhalb dieser Zeit müßt Ihr dem Haftrichter vorgeführt werden, der entscheidet ob Ihr freigelassen werdet oder in U-Haft kommt. Bis zum Haftprüfungstermin gibt es selten sie Möglichkeit einen Anwalt zu kontaktieren. Danach könnt Ihr jedoch einen nennen. Falls Ihr keinen kennt, bekommt Ihr einen Pflichtverteidiger. Letzteres solltet Ihr verhindern, indem Ihr Euch einen Anwalt vom legal team vermitteln laßt. Um einen Anwalt zu bekommen ist es nicht notwendig, daß dieser schon vorher eine Vollmacht von Euch hat. Falls Ihr in U-Haft sitzen solltet, darf Euch Euer Anwalt täglich bis 21 Uhr besuchen.
Wenn Ihr verhaftet werdet, werden Sie sicher versuchen, Euch zu verhören bzw. zu befragen. Wir meinen, Ihr solltet alleine auf gar keinen Fall mit den Polizisten oder der Staatsanwaltschaft "plaudern". Ihr habt das Recht jegliche Aussage zu verweigern. Für den Fall, daß Ihr doch mit Ihnen redet: Ihr habt das Recht auf einen Dolmetscher, müßt das Verhörsprotokoll nur unterschreiben, wenn es richtig ist, ansonsten könnt Ihr die Berichtigung des Protokolls verlangen. Desweiteren habt Ihr das Recht, das sie Euch eine Kopie des Protokolls überlassen.
Schließlich gibt es auch in Belgien die Möglichkeit von Schnellverfahren, bei denen Ihr aber auch das Recht auf einen Anwalt habt. Darauf solltet Ihr in diesem Fall unbedingt bestehen, nicht nur, damit er Euch verteidigen kann, sondern auch damit er prüfen kann, ob ein Schnellverfahren überhaupt durchgeführt werden darf und um dieses dann evtl. zu verhindern. Für eventuelle neue Infos zum Thema schaut ab und zu unter www.gipfelsturm.net nach

[gipfelstuermen@gmx.net]