Nach dem G8-Gipfel und den Hausdurchsuchungen nach §129a in Berlin, Bremen und Hamburg provoziert die Berliner Linke das Bundekriminalamt: ein entdeckter Peilsender soll öffentlich versteigert werden. Die Einnahmen sollen für Prozess- und Verteidigungskosten verwendet werden. Verhöhnung auf hohem Niveau.
Am 12.05.07, drei Tage nach der Grossrazzia nach §129a durch BKA und Bundesanwaltschaft gegen GlobalisierungsgegnerInnen, wurde am Auto eines der Berliner Beschuldigten ein GPS-Peilsender des Bundeskriminalamts (BKA) entdeckt.
Der Peilsender war im vorderen linken Radkasten des Pkws mit starken Magneten befestigt. Ein ähnlicher Sender wurde auch in Hamburg an einem Auto entdeckt. Es handelt sich um einen Satz Hochleistungsbatterien, eine GPS-Empfangsantenne, ein Modul zur Datenverarbeitung und ein Mobilfunk-Sendemodul mit Sendeantenne. Das ganze mit schwarzem Klebeband umwickelt als handliches Päckchen.
Laut Fachleuten wird der Marktwert der Technik auf ca. 1000 € geschätzt. Das BKA forderte inzwischen von den Betroffenen ihr „Eigentum“ zurück.
Die Entdeckung der Geräte war für die Behörden doppelt peinlich: so waren zum einen die Vorwürfe gegen die Beschuldigten so hanebüchen, dass selbst die mediale Mainstream-Öffentlichkeit die Observation als völlig überzogen und unbegründet ansah. Einer der Betroffenen aus dem Autorenkollektiv „AG Grauwacke“ geriet wegen seiner Teilnahme an dem Buchprojekt „Autonome in Bewegung“ ins Fadenkreuz der Ermittler. Das Buch ist seit 2 Jahren auf dem Markt und ist inzwischen in zweiter Auflage restlos ausverkauft. Er erklärte nach dem Fund des Peilsenders: „Ich sehe es als ein Zeichen leiser Verzweiflung der Verfolgungsbehörden an, wenn sie meinen, durch Satellitenpeilung der geheimen Verschwörung zum Schreiben eines Buches auf die Spur kommen zu müssen.“
Peinlich ist aber auch das konspirativ-technische Unvermögen der Behörde. Sie hat mit der Aktion auch ihren Dilettantismus bei der angeblichen „Terrorabwehr“ belegt und sich damit im doppelten Sinne der Lächerlichkeit preisgegeben.
Vollends lächerlich ist das Ansinnen, nach dem groben Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen jetzt auch noch die Rückgabe der Überwachungstechnik zu fordern.
Eine gruppenübergreifende Berliner Arbeitgruppe gegen Polizeigewalt und für Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten bietet der Bundesbehörde nun an, ihr „Eigentum“ zurückzuholen. Im Rahmen einer Party gegen Polizeigewalt, die u. a. von der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) unterstützt wird, soll einer der entdeckten Peilsender öffentlich versteigert werden. Für Polizeibeamte bestehe allerdings Hausverbot, so eine Sprecherin der Veranstalter, da die Polizei in der Regel durch Gewalttätigkeiten auffalle und die Partystimmung dann verderben würde. Trotzdem hätte das BKA die Chance mitzumachen. Unter einer per Pressemitteilung veröffentlichten Telefonnummer kann sich die Behörde offiziell an der Live-Versteigerung beteiligen. Die Einnahmen aus der Versteigerung kommen nach Angaben der Arbeitsgruppe Betroffenen von Polizeiübergriffen zur Wahrnehmung ihrer rechtsanwaltlichen Vertretung zugute.
Ob diese öffentliche Verhöhnung des BKA von den Strafverfolgungsbehörden einfach so hingenommen wird, ist unklar. Diesbezügliche Nachfragen wurden vom Pressesprecher des BKA nicht kommentiert.
Ein öffentlicher Showdown kündigt sich also an: das Berliner LKA hatte in der Vergangenheit schon einmal eine Antifa-Party gestürmt, weil es dort Gratis-Cocktails für Naziplakate geben sollte. Damals reagierte die ALB mit einer Gala, an der mehr als 1000 Menschen teilnahmen, und die zahlreiche Prominente mit einem Cocktail für mitgebrachte und zerstörte Nazipropaganda belohnte.
Möglicherweise scheut die Polizei in dieser unrühmlichen Angelegenheit allerdings das Rampenlicht. Die Veranstalter der Party jedenfalls sehen einem Ansturm der Berliner Polizeiarmee gelassen entgegen. „So ein Auftritt passt gut in unser Programm!“ meint die Sprecherin und betont, dass sie im Vorfeld ausreichend Sicherheitsvorkehrungen getroffen hätten. Für Polizei und Staatsanwaltschaft gaben die Veranstalter in ihrer Presseerklärung schon mal vorsorglich sachdienliche Hinweise. Der zu versteigernde Peilsender befinde sich zurzeit an einem sicheren Ort außerhalb Berlins. Der Peilsender werde erst am 7.7.2007 nach Berlin transportiert und wenige Minuten vor Versteigerung per Kurier angeliefert. Hausdurchsuchungen im Umfeld der Partyveranstalter seien deshalb völlig zwecklos. Und trotzdem rechnen die Veranstalter mit schikanösen Maßnahmen der Polizei. Man sei aber gut darauf vorbereitet, und wäre mit polizeiliche PR-Arbeit sehr zufrieden. Schließlich soll die Party mit vielen BesucherInnen Geld in die leeren Prozesshilfekassen spülen, und da sei jede kostenlose Werbung, auch in Form überzogener Reaktionen der Staatsgewalt willkommen.
Das geschmacklose Partyplakat im Titanic-Stil jedenfalls könnte die Staatsanwaltschaft, zumindest aber den Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch zum humorlosen Durchgreifen gegen die Provokateure verleiten. Dort wird satirisch die immer noch fehlende individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte in Berlin auf die Schippe genommen. Im Körper von Sacha Cohen, der als kasachischer Journalist namens Borat in diesem Jahr die Kinos erobert hatte, lächelt den Zuschauer der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch an. Dass er dabei nur einen völlig albernen Badeanzug trägt, der im Schritt die Aufschrift „Glietsch 001“ trägt, macht den Anblick des Plakats in ästhetischer Sicht fast unerträglich. Mit der Meldung „Endlich: Innensenator Körting führt Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ein!“ spielt das Plakat wohl auf die von der rot-roten Landesregierung eingeführte Kennzeichnung von Polizeigruppen an, die unter anderem von der innenpolitischen Sprecherin der Linkspartei, Marion Seelig, als Erfolg verkauft wird. Laut RechtsanwältInnen ist diese Kennzeichnung völlig sinnlos, da sie eine individuelle Identifizierung von Polizeischlägern genauso wenig möglich mache, wie die vorherige Kennzeichnung der Einsatzhundertschaften. Mit dem Plakat wird die Kennzeichnung von Polizei-Unterwäsche als weiterer Erfolg gefeiert. Zur Satire gehört wohl auch, dass die presserechtlich Verantwortliche für die Jubelmeldung Marion Seelig ist. Nach den Übergriffen Berliner Beamter in Rostock lobte Seelig trotz der bundesweiten Kritik an den rabiat zuschlagenden Berliner Polizeieinheiten die seit der Regierungsübernahme der PDS in Berlin angeblich geläuterten Einsatzhundertschaften. Es habe sich viel gebessert, seit die Polizei auch auf das Kommando der Linkspartei höre.
Ob BKA, LKA Berlin, der Polizeipräsident und die innenpolitische Sprecherin der neuen Linkspartei nun diesen Spaß verstehen, wird sich wohl spätestens bei der Solidaritätsparty gegen Polizeigewalt am kommenden Wochenende in Berlin zeigen.
[http://de.indymedia.org/2007/07/186639.shtml]