Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler hat die Ermittlungsmethoden gegen G-8-Gegner scharf kritisiert. „Der Staat agiert fast schon hysterisch mit ergebnislosen Razzien, Schnüffelattacken und durchforsteter Post“, sagte Geißler der Hamburger Morgenpost am Sonntag. Untersuchungen ohne konkreten Verdacht schädigten den Rechtsstaat. Man dürfe nicht mit der Schrotflinte ins Dunkle schießen, in der Hoffnung etwas zu treffen, sagte Geißler.
Wenn Autos angezündet würden, wie in Hamburg und Berlin in vergangener Zeit häufiger passiert, sei das kriminell. Dennoch dürfe man die Taten nicht Hunderttausenden in die Schuhe schieben, die friedlich demonstrierten. „Die Behörden drehen ja durch, wenn sie das als Vorwand nehmen, um das Demonstrationsrecht zu beschneiden und ad absurdum zu führen“, wird Geißler zitiert. Dieses Vorgehen werde zur Eskalation führen.
Die Bundesregierung solle die Demonstranten als Menschen betrachten, die ihr helfen, gemeinsame Ziele durchzusetzen. Um die Weltsituation nicht weiter in Schieflage geraten zu lassen, regte Geißler eine internationale Börsenaufsicht sowie eine weltweite Börsenumsatzsteuer und eine Demokratisierung der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation WTO.
Geißler ist vor wenigen Wochen dem Globalisierungskritiker-Bündnis attac beigetreten.
Unterdessen ist Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nach der harschen Kritik der letzten Tage an den staatlichen Sicherheitsmaßnahmen zum G-8-Gipfel offenbar um Entspannung bemühlt. In den gewaltsamen Protesten vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm sieht keinen neuen Linksterrorismus. Anzeichen für eine Entwicklung wie in den 70er Jahren gebe es nicht, sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag. Allerdings seien die Brandanschläge, die seit Monaten stattfänden, ernst zu nehmen, so Schäuble. “Wer Autos oder Häuser anzündet, muss damit rechnen, dass auch Personen zu Schaden kommen”, sagte Schäuble.
Mitte der Woche hatte der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, gesagt, er fühle sich bei den militanten Attacken von G-8-Gegnern an die Frühzeit des RAF-Terrorismus erinnert.
Schäuble erwartet keine Eskalation der Gewalt bei den Demonstrationen am Rande des Gipfels. „Die Zahl der Gewalttäter ist gering, unsere Polizei wird mit ihnen fertig.“ Diejenigen, die derzeit zu Demonstrationen aufriefen, hätten mit militanten G-8-Gegnern nichts zu tun.
Auch die Bedrohung durch Islamisten sei nicht außergewöhnlich hoch, sagte Schäuble. Zwar habe ein Großereignis wie ein G-8-Gipfel ein ernstzunehmendes Gefahrenpotenzial. Hinweise auf Anschlagspläne gebe es aber nicht.
Zum Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G 8) vom 6. bis 8. Juni im Ostseebad Heiligendamm haben zahlreiche Organisationen zu Demonstrationen aufgerufen. Die größte Kundgebung soll am 2. Juni in Rostock stattfinden, wo die Veranstalter bis zu 100.000 Globalisierungskritiker erwarten.
Zum Schutz des Gipfels haben die Behörden starke Einschränkungen für Demonstrationen in der Nähe des Sicherheitszauns um den Tagungsort verhängt. Diese waren am Freitag zum Teil vom Gericht aufgehoben worden, wogegen die Polizei umgehend Beschwerde einlegte.
Aufgeheizt wurde die Debatte zudem durch Hausdurchsuchungen bei G-8-Gegnern und Berichte, die Ermittlungsbehörden hätten von Verdächtigen Geruchsproben genommen und private Post überwacht.
27.05.2007 - 3:32 Uhr (sueddeutsche.de/Reuters/AP)
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