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"Was wir machen, muss sich ausdrücken in dem, was wir tun"I) Prolog: Der folgende Text ist das Ergebnis unserer Diskussionen nach dem G8-Vorbereitungstreffen im Berliner Mehringhof im Januar diesen Jahres. Wir haben uns mit den dort von verschiedenen Gruppen vorgestellten Papieren beschäftigt (zu finden im Internet auf http://www.gipfelsoli.org/Inhalt+Theorie.html), über eigene Vorschläge diskutiert usw. Eigentlich wollten wir unseren Debattenbeitrag dann spätestens zum Leipziger Treffen mitbringen - na ja, wir sind bestimmt nicht die einzige Gruppe, die zum Texte produzieren manchmal etwas länger braucht. Wir schicken das Ding jetzt hiermit ohne erneute Aktualisierung weg, wohl wissend, dass seit Januar ein paar Wochen ins Land gegangen sind und freuen uns auf Reaktionen aus der Jetzt-Zeit. II) Der Text Die Wogen schlugen hoch auf dem bisher zweiten bundesweiten Vorbereitungstreffen gegen die G8-Gipfel in Petersburg und Heiligendamm, das manche als linksradikale Vorbereitung, manche als dissent!-Spektrum bezeichnen. Vor allem am 7./8. Januar in Berlin prallten die Ansichten heftig aufeinander: Sind das überhaupt "linksradikale" Vorbereitungstreffen? Ist das gewollt? Wie halten wir es mit den 'hallmarks' des Peoples Global Action (PGA)- Netzwerks(1), den Begriffen Imperialismus, Internationalismus usw. usw. Knallt das ganze Ding demnächst auseinander? Wo wir auch hingucken, verdammt viele Fragen sind ungeklärt oder äußerst umstritten. Teil 1 oder: Was wir gewinnen können: Mit möglichst vielen, möglichst gut vorbereiteten, organisierten und motivierten AktivistInnen lässt sich vor, in und um Heiligendamm herum einiges reißen - womit keine bestimmten Aktionsformen festgeschrieben sein sollen. Egal, ob Gruppen vor allem das Ziel vertreten, die eigenen Inhalte attraktiv und überzeugend auf die Straße zu tragen, MitstreiterInnen zu gewinnen, viele bestehende Zusammenhänge zu vernetzen, linke Strukturen in McPomm zu stärken, globale und lokale Aktivitäten zusammen zu bringen, phantasievolle und/oder militante Aktionen hinzukriegen, Internationalismus praktisch zu machen, nach den Gipfelaktionstagen mehr zu sein als vorher oder einfach mal wieder das Gefühl von Stärke auf Großdemos o.ä. zu erleben - weder Kleingruppen noch Einzelpersonen können all das alleine rocken. Eine frühzeitige möglichst bundesweite und internationale Vorbereitungs- und Vernetzungsstruktur ist uns bei dem Versuch, die Treffen in Heiligendamm nicht glatt und ungestört über die Bühne gehen zu lassen, viel wert. Aber auch unsere Organisationsform ist für uns nicht nur Mittel zum Zweck, so mühsam sie sich bisher auf einigen der großen Plena auch darstellte. Natürlich ist es leichter gesagt, ganz viele Leute, Zusammenhänge, Gruppen und Einzelpersonen aus unterschiedlichen Spektren, Arbeitsbereichen und Ländern zusammenbringen zu wollen, als in der konkreten Situation auch nur eine gleiche oder ähnliche Sprache, geschweige denn Arbeitsweise zu finden. Die recht wilden Auseinandersetzungen z.B. um die Handzeichen oder Entscheidungsverfahren kamen und kommen unseres Erachtens nach nicht von ungefähr. Sie zeigen jedenfalls, dass wir in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen aktiv sind und uns zum Teil darin so zuhause fühlen, dass andere Umgangsweisen schnell als wahlweise absurd, albern, dominant oder unnötig empfunden und abgetan werden. Als weiteren Gewinn einer großen, auch linksradikalen Vernetzung zu G8 sehen wir die Chance auf gute inhaltliche Debatten oder auch Streits darum, was linksradikale Positionen eigentlich heutzutage sind. Auf dem Treffen in Berlin wurde in den Diskussionen der Inhalte-AG der Versuch unternommen, auch kontroverse Meinungen auszutauschen und sich darin gegenseitig ernst zu nehmen, ohne dauernd mit den üblichen Verflachungen zu arbeiten. Ohne Schaum vor dem Mund konnte hier in einer konstruktiven Atmosphäre diskutiert werden, was wir uns in ähnlicher Form für weitere Treffen, Arbeitsgruppen etc. und insbesondere für das Camp 06 im August diesen Jahres wünschen und auf vielfache Beteiligung hoffen. Allerdings war auch hier der Redeanteil von Männern extrem hoch und weniger Platzhirschgehabe ist auch hier dringend nötig. Wir wollen uns hier mit ein paar bisher von Gruppen formulierten Thesen auseinandersetzen und darüber hinausgehend einige Debatten aufgreifen, die wir für wichtig halten und unsere Positionen dazu darstellen. Es gab und gibt unserer Ansicht nach leider viel zu oft gerade in Kampfsituationen das Verschieben von scheinbar nach- oder untergeordneten Kämpfen auf später (also oft auf nie) und das Sich-Durchsetzen derjenigen autoritären Positionen, die mit dem Verweis auf die Schärfe der (historischen) Situation blinden Gehorsam einfordern. Es scheint uns den einen oder anderen Streit wert, wo vertikale Strukturen anfangen und wofür sie da sein sollen. Das Thema, mit wem kämpfen wir oder auf wen beziehen wir uns positiv, bedarf noch einiger Auseinandersetzung. Was genau bedeutet es denn, Solidarität einzufordern mit beispielsweise den Kämpfen in "Palästina/Israel, Irak, Kolumbien, Nepal, Kurdistan, Baskenland" (vgl. GIB: Kapital Macht Krieg)? Entstehen daraus praktische Folgen für unser Handeln, und wenn ja, welche? Oder bleibt es bei der bloßen Parole? Im Vergleich zu früher scheint es uns auf diesem Feld gerade zu wenig Praxis zu geben. Es gibt heute immer noch Soligruppen, viele Zeitungsprojekte, ein paar Solipartys und Reise-grüppchen hie und da. Auch die häufig recht starken und international vernetzten Proteste gegen Gipfeltreffen etc. sind unserer Meinung nach Ausdruck einer Veränderung in diesem Bereich. Wir denken, hier müssten wir ansetzen und diese bestehenden Initiativen ausbauen, um wieder zu mehr Praxis zu gelangen. Gerade weil es uns nötig erscheint, eine internationale Perspektive zu stärken, ist uns daran gelegen, ein paar Kriterien für Solidarität oder, viel besser, für Zusammenarbeit klarer zu kriegen. Daher zunächst die Frage nach mehr Genauigkeit: welche kämpfenden Gruppen sollen denn z.B. im Irak gemeint sein? Bezieht doch mal Position! Wir können weder mit den Aufständischen aus dem Umfeld der unter Saddam Hussein an der Macht gewesenen Baath-Partei, noch mit den Al-Sarkawi -nahen Kräften irgend etwas anfangen, ganz im Gegenteil. Wir hätten genau bei diesem Thema gerne mal Namen oder Beispiele gehört/gelesen, um endlich mal wieder eingehender zu diskutieren. So finden wir es beispielsweise lohnenswert, sich mit den Positionen der nicht religiösen, also säkular orientierten irakischen Frauenorganisation OWFI (Organisation der Freiheit von Frauen im Irak) mehr auseinander zu setzen, die sich sowohl gegen den Krieg der USA, gegen die Besatzung, aber auch gegen fundamentalistische Widerstandsgruppen ausspricht. Ist es auch eine "privilegierte deutsche linke Ghetto-Debatte" (GIB, "Kapital Macht Krieg"), sich die Unterschiede zwischen anarchistischen HausbesetzerInnen etwa in Iru?ea, den Straßenkämpfen (kale borroka) der militanten Jugendlichen und den häufig autoritären ETA-Strukturen genauer anzusehen? Wie gesagt, bitte hier mal etwas Butter bei die Fische! Es sind doch eher die Projektionen und Darstellungen der Herrschenden und der Repressionsorgane, all diese Gruppen in einen undurchschaubaren SympathisantInnensumpf zu werfen, um alle für alles verantwortlich machen zu können! Uns ist sehr daran gelegen, in unseren Anti-G8-Positionen und Aufrufen in Bezug auf Internationalismus und Antiimperialismus konkreter und identifizierbarer zu werden. Die Phase der "strategischen Verbündeten" oder das alte Spiel "der-Feind-meines-Feindes-ist-mein-Freund" ist für uns definitiv vorbei, bzw. hat für viele auch noch nie Gültigkeit gehabt. An diesem Punkt ist viel mehr Genauigkeit nötig und einfache Parolen klären nichts. Die allgemeine Forderung "Solidarität mit den Kämpfen in xy" bleibt verdammt zahnlos, provoziert keine Auseinandersetzung über reaktionäre versus emanzipatorische Kämpfe. Diese Debatte wollen wir aber führen, um linksradikale Positionen klarer zu kriegen und zu äußern, weshalb wir hier ein paar unserer diskutierten Kriterien vorstellen. - Auch wenn die meisten Kämpfe, riots und sozialen Bewegungen häufig ein Hauptanliegen haben - ein Beharren auf scheinbaren Hauptwidersprüchen ist für uns weit weg von emanzipatorischen und linksradikalen Positionen, weil dadurch andere Herrschaftsmechanismen schlicht ignoriert werden. Als solidarisch begreifen wir uns nur mit denjenigen, die sich ebenfalls auf Diskussionsprozesse darüber einlassen. Um Bewusstsein über verschiedene und zum Teil komplexe Unterdrückungsformen zu entwickeln, muss unserer Ansicht nach auch niemand AkademikerIn sein oder unsere gewohnten Begriffe verwen-den. Mit einem auf Diskussionsbereitschaft aufgebauten Ansatz kommen wir - gerade in internationaler Perspektive - mit Sicherheit weiter als mit einem festgeschriebenen Kodex. - Für uns stellt eine klare Bezugnahme auf Kämpfe von unten einen wichtigen Punkt dar. Als Beispiel kann mensch etwa gerade in Argentinien wunderbar sehen, wie schnell ehemals emanzipatorische Bewegungen wie einige piqueteros und Stadtteilgruppen durch den Einsatz staatlicher Sozialpläne (eine Art erkämpftes Arbeitslosengeld) aufgekauft und integriert wurden - also mit Methoden, die dem bisher üblichen Klientelismus stark ähneln und darüber hinaus Wut und Auflehnung in kontrollierbare, bürokratische Bahnen kanalisieren. Für die übrigen, die versuchen, von dieser Staatskohle und damit politisch unabhängig zu bleiben, ist die Situation um so härter geworden, diese sind aber diejenigen Gruppen/Menschen, mit denen wir uns vor allem verbunden fühlen(8). Auch den Hype, der hier in der linken/linksradikalen Szene teilweise um Venezuela gemacht wird, können wir so nicht teilen. Auch wenn es dort einen viel größeren Unterschied zu vorher macht, wer nun in der Regierung sitzt, als ein Wechsel im hiesigen Parteienspektrum - wenn AkteurInnen sozialer Bewegungen (was Chavez ja noch nicht mal ist...) an die Regierung kommen, halten wir Skepsis für durchaus angebrachter als Jubel(9). Um jetzt nochmal konkreter zu werden: die Auseinandersetzung mit den bisher veröffentlichten Papieren und die Diskussionen auf den bundesweiten Treffen sowie in unserer Gruppe brachten uns dazu, ein paar Vorschläge für drei Aktionstage in Heiligendamm zu machen. Wir haben den Eindruck, es könnten sich drei große Themenkomplexe herauskristallisieren, die in den bisherigen Debatten häufig auftauchten bzw. von mehreren Gruppen / AktivistInnen / Strömungen stark gemacht wurden. Das ist Ausdruck unserer bisherigen Einschätzung, keinesfalls ein endgültiger Stand und zudem könnte alles bestimmt noch viel besser ausformuliert werden: Krieg und Imperialismus Zu diesen drei großen Bereichen gibt es offensichtlich aktive Gruppen und Zusammenhänge, die dazu bereits arbeiten oder Vorschläge dazu gemacht haben - auch wir haben dazu einige Ideen: Beim Thema Krieg und Imperialismus bietet es sich doch hervorragend an, zu einem Aktionstag am nahe Heiligendamm gelegenen Flugplatz Rostock-Laage aufzurufen. Laage ist Fliegerhorst des Jagdgeschwader 73 "Steinhoff"(11) und hat damit sowohl für die Bundeswehr als auch für NATO-Kräfte Bedeutung. Er spielt zudem eine zentrale Rolle als Startbahn für Eurofighter, die ab Sommer 2006 auf dem Bombodrom-Gelände nahe Wittstock den kombinierten Einsatz von Luft- und Bodentruppen üben wollen, was nicht wenige in der Region seit Jahren zu verhindern suchen. Gerade die Verbindung dieser für die Modernisierung der weltweiten NATO-Kriegsführung bedeutsamen militärischen Infrastruktur mit einer lokalen Protestbewegung gegen das Bombodrom verheißt die Möglichkeit, dass an einem solchen Aktionstag viel mehr als nur ein paar tausend Linksradikale mobilisierbar sind. Der Flugplatz liegt direkt an der Autobahn Berlin-Rostock und stellt sich somit als ein ideales Aktionsterrain dar. Daneben ist vorstellbar, dass zum G8-Gipfel dieser Flughafen einen Teil der benötigten Infrastruktur darstellt und einige Gipfelschweine dort auch einschweben werden. Zum Bereich Migration existiert bereits eine AG und wir gehen davon aus, dass von dort aus sowohl inhaltliche Schwerpunkte als auch praktische Aktionsvorschläge gemacht werden. Wir möchten uns an dieser Stelle kritisch mit einigen Punkten auseinander setzen, die von dort agierenden Gruppen, z.B. der glocal group Hanau vertreten werden. Diese Kritik verstehen wir ausdrücklich im Rahmen einer nicht zuletzt strategischen Diskussion, auf welche Weise wir uns als Linke im noch immer reichen Norden zu MigrantInnen ins Verhältnis setzen, wieviel wir uns von einer gemeinsamen Organisierung unter diesem doch so häufig erzwungenen Label versprechen. Wir kritisieren den Blick der HanauerInnen auf Migrierende, die politischen Konzepte, die sie aus ihren Einschätzungen ableiten - die wie auch immer gearteten Wirklichkeiten der MigrantInnen selbst stehen dabei nur insofern zur Debatte, um der aus unserer Sicht zu widerspruchsfrei geratenen Sichtweise der HanauerInnen zu widersprechen. Für unsere grundsätzliche Solidarität ist diese Diskussion zunächst einmal weitgehend irrelevant. Wir teilen die Gegnerschaft der glocals zu Grenzregime und kapitalistischem Menschenhandel und sind grundsätzlich erst einmal mit allen solidarisch, die diesem Scheiß ausgesetzt sind. Dieser Zugang kann im schlechten Falle, wie von ihnen kritisiert, dazu führen, MigrantInnen in einer Opferrolle festzuschreiben, was klassischerweise zu einem bevormundenden Umgang führt und die Grenzen zwischen �ihnen' und �uns' weiter zementiert. Ein Zugang aus der Ablehnung des Bestehenden heraus kann aber ebenso gut Ausdruck der Weigerung sein, die Leute auf ihr MigrantInnensein stärker festzunageln, als es die Erfordernisse der Abwehr von Diskriminierung und Ausbeutung nötig machen. Und damit dann genau die Festschreibung auf die MigrantInnenrolle aufzuweichen. Dabei ist uns die Schwierigkeit bewusst, dass auch eine solche Begegnung auf Augenhöhe immer die Erfahrungen der Leute würdigen muss; antirassistische Politik somit auf absehbare Zeit gezwungen bleibt, die Sonderstellung von MigrantInnen anzuerkennen, die sie doch gleichzeitig überwinden will. Wir halten es für irreführend, wenn in Bezug auf Migration als Phänomen Form und Inhalt gleich gesetzt werden, nach dem Motto "viel illegal = viel gut". Eine illegale Organisierung von Flüchtlingen und Aneignungsprozesse werden augenscheinlich positiv gesehen. Auch hier findet für uns - ähnlich wie bei internationaler Solidarität mit kämpfenden Gruppen, s.o. - ein zu undifferenziertes Abfahren auf "die Flüchtlinge" statt. Nur wenig thematisiert wird z.B. die Tatsache, wer überhaupt die Chance hat, hier in den Metropolen anzukommen. Dies sind in allererster Linie junge gesunde Männer. Alleinstehende Frauen mit Kindern haben noch mal viel weniger Chancen, sich auf die lange, teure und teilweise sehr gefährliche Reise zu begeben. Schon allein, weil die Familien in den Herkunftsländern ihr weniges Geld natürlich dem zur Verfügung stellen, von dem sie sich am ehesten einen Geldtransfer aus den Metropolen erwarten. Diese durch die Verhältnisse erzwungene survival-of-the-fittest-Logik wird dann schön geredet, wenn Migranten (in diesem Sinne hier ohne großes I) als "Pioniere einer Globalisierung von unten"(12) bezeichnet werden. Dagegen ist ein emanzipatorischer Prozess manchmal vielleicht sogar eher bei den 'daheim' gebliebenen Frauen festzustellen, insofern, als der 'Herr im Hause' nicht mehr da ist und viele Frauen dadurch eine viel selbständigere Stellung und Freiheiten gewinnen und sich diese nicht mehr nehmen lassen. Es wird auch des öfteren eine Art Kollektiv der MigrantInnen erfunden, das so natürlich nicht existiert(13). Die MigrantIn ist nicht deshalb revolutionär, weil sie diesen Status hat, sondern, wenn sie die herrschenden Macht- und Gesellschaftsverhältnisse radikal ablehnt und bekämpfen will - was für uns und alle anderen auch gilt(14). Etwas vereinfacht gesagt: Natürlich begrüßen wir die Ankunft von MigrantInnen, die hier lediglich ihren berechtigten Anspruch am weltweiten Reichtum erstreiten wollen. Und wollen trotzdem nichts mit denen zu tun haben, die die miesen kapitalistischen Spielregeln gerne und ohne Rücksicht auf Verluste anwenden. Gerade hier ergibt sich eine Perspektive für gemeinsame Kämpfe auf eben gleicher Augenhöhe. Auch in den Metropolen scheint es nicht mehr notwendig zu sein, halbwegs erträgliche Lebensverhältnisse für die überwiegende Mehrheit der hier Wohnenden zu garantieren. Wagenburgen, Häuser, Wohnprojekte werden schikaniert und vertrieben, SozialhilfeempfängerInnen durch Hartz 4 in sinnlose und repressive Bewerbungsschleifen und 1�-Jobs gepresst. Das heißt in der Konsequenz, dass kein Überleben jenseits der neoliberalen (Selbst-) Zurichtung erwünscht ist: "Fördern und Fordern", um die Loyalität zum Wahnsinn nicht zu gefährden. In dem Moment, wo die Suche nach Alternativen zum Ämter- und (Lohn-) Arbeitswahnsinn dringender und für eine breitere Schicht aktueller wird, werden diese Alternativen verstärkt unter Druck gesetzt oder abgeschafft. Der Arbeitsterror verschärft sich seit Jahren auch in den Metropolen und lässt seine Schleier auch dort fallen. Working poor, Prekarisierung und De-Regulierung läuten das Ende der historisch bedingten Ausnahme (in Deutschland "Sozialstaat" genannt) von der kapitalistischen Normalität ein. Für uns gilt es deutlich zu machen, dass diese Veränderungen in den Metropolen (auf einem anderen Niveau) genauso Auswirkungen der veränderten Weltordnung und Kapitalstrategien sind, wie die Maquiladoras und die High-Tech-Sweatshops in China. Nur, dass die kapitalistische Realität im Trikont schon immer brutaler aussah als in Westeuropa oder den Vereinigten Staaten. Doch unterschiedliche Ausgangslagen und Lebensrealitäten der Betroffenen bedeuten nicht gleich unterschiedliche Ziele. Gerade zu diversen Gipfelmobilisierungen war in den letzen Jahren schon mitzuerleben, dass die Exekutive der Kapitalverwertung (G8, WTO, IWF, Uniformen usw.) auf weltweiten Widerstand stößt, ob von Menschen aus Chiapas, indischen Bäuerinnen und Bauern oder Erwerbslosen-Initiativen westlicher Länder. Diesen transnationalen und emanzipatorischen Widerstand, als dessen Teil wir uns verstehen, gilt es auszubauen und zu verstärken! Als letzter Punkt und Lieblingsthema stellt sich uns die Frage, wie sich das Thema Krieg und Imperialismus noch um eine internationalistische antikapitalistische Perspektive erweitern läßt. Dort, wo die NATO-Panzer rollen, mögen die Widersprüche am verschärftesten sein, aber sie sind das letzte Mittel in diesem Spiel. Vorher kommen die Konzerne, die internationalen Agenturen, die BeraterInnen, die EntwicklungshelferInnen, WissenschaftlerInnen, die die vorhandenen Ölvorkommen oder Bio-diversität zum Zwecke der Vermarktung erforschen etc. - auch diese Aktivitäten können gut entlarvt und gegebenfalls angegriffen werden! Erst im nächsten Schritt kommen militärische Hilfe, Unterstützung bei der Ausbildung von Polizeieinheiten, low intensity wars usw. zum Einsatz. Wie sagt es doch der neoliberale Kolumnist der New York Times und Buchautor, Thomas Friedman: "Die verborgene Hand des Marktes wird niemals ohne eine verborgene Faust funktionieren. McDonald's kann ohne McDonell-Douglas(16) nicht gedeihen. Und die verborgene Faust, welche dafür sorgt, dass die Welt sicher ist und die Technologien aus Silicon Valley florieren können, heißt US-Army, Air Force, Navy und Marine Corps." Wir fügen hinzu: schnelle Eingreiftruppen und Task Forces der EU, Bundeswehr sowie internationale Organisationen wie der IWF mit seinen erzwungenen Strukturanpassungsprogrammen, die Weltbank und auch nationale Institutionen wie die GTZ in Deutschland, die beispielsweise die Wasserprivatisierungen in Cochabamba/Bolivien mit voran getrieben hat - und nicht zuletzt natürlich die G8. Solange arm gemachte Länder mittels ihrer reich gemachten Regierungen die ökonomische Durchdringung durch die transnationalen Konzerne zulassen (bzw. dazu durch den IWF oder andere, z.T. auch bilaterale Abkommen gezwungen werden) und Milliarden von $ oder � in die Kassen derselben transferieren, muss kein Panzer rollen und kein Bomber aufsteigen. Ganz vorne mit dabei sind eben nicht nur Regierungen und internationale Organisationen, sondern Konzerne, Multis und solche, die es gerne werden wollen. Wichtig wird es an dem Punkt, wenn wir überlegen: was sollen denn unsere Aktionsfelder sein? Wir sollten - nicht nur im Hinblick auf Sommer 2007 - versuchen, Punkte zu finden, an denen sich Kämpfe und Widerstände bündeln und vernetzbar sind. So findet der Kampf gegen Wasserprivatisierung sowohl in den reichen Metropolenländern als auch im Trikont statt(18). Er hat damit etwas tendenziell Verbindendes, wobei die Kämpfe hier leider bei weitem nicht so offensiv wie etwa in Cochabamba/Bolivien sind, wo nicht nur eine Rücknahme der Privatisierung erreicht werden konnte, sondern auch eine demokratische Kontrolle eingefordert und ausprobiert wurde. Wir dürfen eben auch hier nicht die Unterschiede verwischen und nivellieren. Im Trikont ist der Kampf um ungehinderten Zugang zu Wasser häufig ein Kampf um Leben und Tod, hier in den Metropolen sind wir vorerst nur über die steigende Wasserrechnung unmittelbar betroffen (und abstrakt von der Gewinnmaximierungslogik, dass die transnationalen Konzerne versuchen, möglichst jeden Bereich des öffentlichen Lebens zu kommerzialisieren und daraus Profit zu schlagen). Privatisierung von bisher freien (oder öffentlichen) Gütern geschieht in Ländern des Trikonts wie hier - genauso unterliegen auch hier Arbeitsbedingungen und Sozialpolitik immer mehr Einschnitten und Angriffen, wenn auch noch nicht so tödlich wie anderswo. Die beste internationale Solidarität ist nicht die moralisch begründete, die nur auf die Verhältnisse woanders schielt und diese unerträglich finden mag, während es hier ganz passabel ist, sondern die Verbindung von Lebensbedingungen und Widerstand hier und dort. Beim Thema Wasserprivati-sierung kommt hinzu, dass die Gegner dieselben sind: Suez, RWE, Veolia (früher Vivendi) und Coke nehmen im Trikont den Tod von Tausenden zur Steigerung ihrer Profitraten in Kauf, und hier zwingen sie uns über die Erhöhung der Wasserrechnung, entweder mehr zu arbeiten oder den berühmten Gürtel noch enger zu schnallen. Der Orte und Anlässe gibt es unserer Ansicht nach mehr als genug - legen wir los! Endnoten: 1 Die Eckpunkte stehen auf http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/de/pgainfos/hallmde.htm autopool April 2006 |
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