Repression
Eines der Ziele von Repression ist es, einzuschüchtern und ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber staatlicher Herrschaft zu vermitteln. Im Zuge dessen können Traumatisierungen entstehen. Deswegen ist es wichtig, miteinander über dieses Thema zu reden und einen bewussten Umgang damit zu finden - anstatt zu verdrängen und vielleicht irgendwann zu resignieren.
Einen neuen Umgang schaffen
Wir können traumatische Erfahrungen zwar nicht verhindern, uns aber gegen sie und ihre Folgen besser schützen, indem wir uns mit ihnen auseinandersetzen. Dazu gehört, unsere Angst als eine verständliche Reaktion auf Brutalität und Gewalt zu begreifen und zu akzeptieren. Dadurch können wir offen mit solchen Gefühlen umgehen und uns vor, während und nach Gewalterfahrungen unterstützen. Ganz praktisch schützt z.B. die Bildung von Bezugsgruppen davor, plötzlich alleine da zu stehen und bietet die Möglichkeit zur gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Thema. So kann eine traumatische Situation in einem gesicherten Umfeld durchdacht und durchlebt werden - und das ist wichtig. Hilfreich ist, Erfahrungen mit Angst und Trauma jeglicher Art und Weise auszutauschen und auf die Auswirkungen von psychischer und physischer Gewalt einzugehen. Wir müssen uns klar machen, dass die Art der Aktivität oder langjährige Erfahrung mit politischer Arbeit keinen Schutz vor Traumatisierung darstellt. Der Leistungsdruck und Gruppenzwang bei politischen Aktionen muss abgebaut werden, um unsere Sensibilität für die Emotionen anderer zu fördern. Für die gegenseitige Unterstützung ist es also nicht notwendig, "ExpertIn" in Traumaarbeit zu sein, aber es ist wichtig, Verständnis und Solidarität zu zeigen.
Die Gruppe
Während Erste Hilfe und rechtlicher Beistand zu Anlässen wie dem Protest gegen den G8-Gipfel bisher immer gut organisiert waren, mangelte es an psychologischer Betreuung von AktivistInnen für AktivistInnen. Die Idee zum Activist Trauma Support (AktivistInnen Trauma Unterstützung) entstand während des G8-Gipfels 2003 in Evian. Zwei Jahre später gab es in Schottland solche Hilfe zum ersten Mal. Im Eco-Village in Stirling und in Edinburgh wurde Raum zum Sprechen, Zuhören, Weinen und Entspannen geschaffen. Es wurde nun eine Emotional-Support-Gruppe für den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm (und darüber hinaus) ins Leben gerufen. Uns ist es wichtig, das Thema "Trauma" weiterhin zur Sprache zu bringen und zu enttabuisieren, um unter den AktivistInnen ein Bewusstsein für Furcht und Trauma zu schaffen. Deswegen versuchen wir mit diesem Flyer, näher auf wichtige Aspekte einzugehen.
Was genau ist eigentlich Trauma?
Ein Trauma kann durch verschiedene Arten von Gewalt (rassistische, sexistische, ideologische, faschistische, religiöse, institutionelle, willkürliche...) entstehen. Im Prinzip kann jede gefährliche Situation, in der eine Person handlungsunfähig ist (oder sich fühlt) zu einer Traumatisierung führen. Betroffen sein kann jede/r, unabhängig von Alter, Geschlecht, Denken etc. Der Umgang mit traumatischen Erlebnissen ist je nach Situation verschieden, außerdem hat jede/r hat eine eigene Art, damit umzugehen. Das Handeln nach den erlebten Situationen kann ebenso unterschiedlich sein, und kann dazu führen, dass Leute "aussteigen", sich bei politischen Aktionen nicht mehr blicken lassen, nicht mehr (politisch) aktiv sind, sich ausgeschlossen fühlen, weil sie Angst haben und/oder unter „Symptomen“ leiden, die in der Psychiatrie als "Post Traumatischer Stress" bezeichnet werden.
Anzeichen sind z.B. ein Wiedererleben des Erlebten mit Alpträumenen, Flashbacks und immer wiederkehrenden Erinnerungen. Eine andere Ausdrucksform ist das Vermeidungsverhalten, in der die/der Betroffene das Erlebnis verdrängt, sich nicht mehr erinnert und oft isoliert. Schließlich gibt es noch die Reaktion der erhöhten Erregung (Übererregbarkeit), die durch Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Gefühlsausbrüche, Wutausbrüche, Angst, Panik, Konzentrationsschwierigkeiten oder Schreckhaftigkeit gekennzeichnet ist. Alle drei 'Phasen' können in beliebiger Reihenfolge nach-, nebeneinander oder auch gleichzeitig auftreten, manchmal tun sie oder einzelne von ihnen es auch überhaupt nicht.
Hintergrund für diese Symptome kann der Versuch sein, wieder Kontrolle über unser Leben zu gewinnen, da wir darauf angewiesen sind, Einfluss auf die Bedingungen zu haben unter denen wir leben. Wird uns dieser Einfluss genommen, wenn wir z.B. ohnmächtig der Gewalt ausgeliefert sind, kann traumatischer Stress entstehen. Wenn ein Mensch nach einer traumatischen Erfahrung beispielsweise nicht schlafen kann, so kann das daran liegen, dass die Person nicht wieder die Kontrolle verlieren will. Selbst "Medikation" mit Alkohol will oft erreichen, dass die eigene Verfassung nicht wahrgenommen wird. Es kann zu Selbstvorwürfen kommen, die dem Muster folgen: "Hätte ich mich anders verhalten, wäre das nicht passiert...", d.h. die Schuld wird bei sich selbst gesucht.
Bei ca. 70% der Menschen verschwinden die Symptome nach ungefähr 4-6 Wochen. In diesen Fällen wird von einer „Akuten Belastungsreaktion“ gesprochen.
Bleiben die Symptome bestehen, wird diese Verfassung als PTBS (Post Traumatische Belastungstörung) bezeichnet und kann dazu führen, dass sachverständige Hilfe erforderlich ist (selbstverständlich kann professionelle Hilfe auch vor diesem Zeitpunkt hilfreich sein, wenn die Symptome das Leben erschweren). Es besteht die Möglichkeit, dass eine PTBS erst Monate oder Jahre nach der Erfahrung auftritt. Eine PTBS wird als eine Störung der Verarbeitung gesehen, bei der die/der Betroffene die Erinnerungen an die Gewalt, der sie/er ausgesetzt gewesen ist, nicht "aus dem Kopf" bekommt und das Geschehene nicht überwinden kann. Langfristig leiden viele Betroffene mehr unter den emotionalen Folgen als unter den körperlichen Verletzungen. Sich nicht unterstützt zu fühlen, kann die Dinge noch schlimmer machen. Wenn uns die Bullen brutal behandeln, sind wir meistens nicht überrascht, aber was wirklich niederschmetternd sein kann, ist mangelnde Unterstützung von unseren FreundInnen. Das Gefühl, im Stich gelassen zu werden, kann zu einer weiteren Traumatisierung führen und in den Folgen schlimmer sein als das ursprüngliche traumatisierende Ereignis.
Warum gegenseitige Unterstützung so wichtig ist
Obwohl Post Traumatische Symptome zunehmend ernst genommen und allgemein bekannter werden und auch Feuerwehrleute, RettungssanitäterInnen, sogar die Bullen nach belastenden Einsätzen psychologische debriefings machen, gilt für uns häufig immer noch das Bild der "unerschütterlichen AktivistInnen". Wir negieren Schwäche, haben das Gefühl, uns stark verhalten zu müssen - auch wenn dies den subjektiven Empfindungen manchmal widerspricht. Innerhalb der Linken wird über diese Art von "innerer Zensur" zu wenig gesprochen. Wir konzentrieren uns oft ausschließlich auf die "politische Sache" und lassen Ängste nicht zu oder verschweigen sie. Dieses Verhalten gilt es zu überwinden, denn wir müssen uns gegenseitig unterstützen, wenn wir als Bewegung wirkungsvoll sein wollen. Wir brauchen Vertrauen zueinander, um in angespannten Situationen Rückhalt und Verständnis bieten und empfangen zu können und nicht Einzelne mit den Folgen alleine zu lassen. Repression betrifft nicht einzelne, sondern geht uns alle was an! Die Strategie der Bullen ist letztlich auch eine psychologische - sie schlagen eine/n von uns zusammen und hundert kriegen Angst und fühlen sich blockiert. Und vielleicht geht die/der eine, die/der zusammengeschlagen wurde, nie wieder zu Aktionen. So funktioniert Repression. Und darum sollten wir darüber reden, was wir dagegen tun wollen.