Linke Szene rüstet sich für Proteste gegen G8-Gipfel

Mitteldeutsche Zeitung 24. Januar 2007
Berlin

Informationsbüro für Aktionen im mecklenburgischen Heiligendamm eröffnet

von Thomas Kunze,

NATO-Draht
Ein Arbeiter befestigt NATO-Draht auf den ersten Segmenten des Sicherheitszaunes rund um den Tagungsort des G8-Gipfels in Heiligendamm (Archivfoto vom 15.01.2007). (Foto: dpa)

Berlin/dpa. «Fang'», ruft es von oben. Ein Schlüssel fällt herab, mit dem sich die schwere Stahltür im Innenhof des «Bethanien» öffnen lässt. Im zweiten Stock des legendären Kulturhauses der alternativen Szene in Berlin-Kreuzberg gibt es seit kurzem ein Informationsbüro der Globalisierungsgegner zum G8-Gipfel im mecklenburgischen Heiligendamm (6.-8. Juni). Das «Glocal Office» -ein schmaler Schlauch von einem Raum - wird von der «Gipfelsoli Infogruppe» und dem bundesweiten Dissent-Netzwerk der Anti-G 8-Bewegung unterhalten. Die Wände sind mit Postern linker Gruppen, aber auch Tourismusflyern der Region um Heiligendamm tapeziert.

«Mit dem Büro wollen wir allen Interessenten einen öffentlichen Raum bieten, um sich zu informieren und eigenes Material zu verteilen», erläutert ein Dissent-Sprecher. Das Thema Gewalt werde in der Szene kontrovers diskutiert, betont der Aktivist. Die große Mehrheit der Globalisierungsgegner setze auf gewaltlose Blockaden, um etwa am Flughafen Rostock-Laage die Abfahrt von Gipfelteilnehmern nach Heiligendamm zu behindern. «Angesichts der Politik der G 8-Staaten halten wir aber auch Farbeierwürfe für legitim».

Die Globalisierungsgegner werfen den führenden Industriestaaten vor, mit ihrer Politik Armut und Ungerechtigkeit zu fördern. Bei den G 8-Gipfeln der vergangenen Jahre war es in den Gastgeberländern stets zu Straßenprotesten gekommen. Teilweise lieferten sich Demonstranten und Sicherheitskräfte regelrechte Straßenschlachten. In Heiligendamm soll ein gewaltiger, mit NATO-Draht bewehrter Zaun Protestierende fern halten.

In der linken und alternativen Szene in Berlin wie bundesweit geht die Vorbereitung von Protestaktionen in die heiße Phase. Die Organisatoren hoffen, für Demonstrationen und Blockaden bis zu 100 000 Teilnehmer mobilisieren zu können. Das Spektrum reicht von Hilfs-und Nichtregierungsorganisationen über kirchliche und Umweltinitiativen bis hin zu gewaltbereiten linken Gruppen.

Letztere planen unter anderem laut Berliner Verfassungsschutz, «die Proteste anlässlich des G 8-Gipfels zu radikalisieren». Sie sähen die Proteste als Chance, «langfristig die Isolation in der Gesellschaft zu überwinden» und die bundesweite Kooperation der radikalen Linken zu verstärken. Ein Teil der Szene kündige in Flugschriften und im Internet unverhohlen gewalttätige Aktionen an.

Der Präsident der Innenministerkonferenz, Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), sagte der Tageszeitung «Die Welt» (Dienstag), aus dem linksextremistischen Spektrum werde es «Menschen geben, die mit dem Ziel anreisen, Krawall zu machen, vielleicht auch Gewalttaten gegen Polizeibeamte zu verüben».

Berlins Verfassungsschützer gehen davon aus, «dass die Proteste gegen den G 8-Gipfel sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf Heiligendamm beschränken werden». Insbesondere Berlin biete wegen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Ansatzpunkte auch für militante Protestaktionen, heißt es in einem Bericht der Behörde, der an diesem Mittwoch im Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses vorgetragen werden soll.

«Dieser Gipfel hat eine immense Bedeutung für die globalisierungskritische Bewegung», sagt Pedram Shayar, Mitglied im Koordinierungskreis von Attac Deutschland. «Es ist der erste Gipfel in Deutschland seit Beginn der Großproteste 1999. Wir erleben eine europaweite Mobilisierung. Für Deutschland wird es die größte Demonstration seit vielen Jahren.» Aus Skandinavien, Griechenland, Frankreich, aber auch Osteuropa würden Zehntausende erwartet.

«Wir suchen nicht die Auseinandersetzung mit der Polizei», sagt Shayar. »Eine militärische Eskalation würden wir nur verlieren. Aber wir wollen mit Mitteln des zivilen Ungehorsams so lange wie möglich die Logistik des Gipfels blockieren.» Die «Musik» werde bei den Protesten während des Gipfels aber nicht an dem Sicherheitszaun um Heiligendamm spielen. «Für uns ist es schon ein Erfolg, dass der Gipfel nur eingesperrt hinter einem Zaun tagen kann», sagt Shayar.