Indymedia - 23.08.2007
Am 17. August trat in der südlichsten Region Portugals, der Algarve, erstmals das “Moviemento Verde Eufémia” mit einem Akt zivilen Ungehorsams in Erscheinung. Ziel der Aktion war ein Feld mit gentechnisch verändertem Mais, dem ersten seiner Art, in einer offiziel gentechnisch freien Zone. Mehr als 60 freiwillige MäherInnen schafften es in weniger als 20 Minuten einen Hektar des insgesamt 50 Hektar großen Feldes zu “mähen”. Die Aktion wurde von einer Parade unterstützt, in der ebenfalls mehr als 60 TeilnehmerInnen tanzten,
Samba und Theater spielten und Umherstehende mit Flyern, Gesprächen und Bannern über die Thematik informierten. Das Event war die größte direkte Aktion in Portugal seit der Zeit nach der Revolution in den 1970zigern.
Politischer Hintergrund
Dieses Jahr wurde erstmalig ein GMO-Feld in der Algarve angelegt. Schon Jahre zuvor,war eine große Ablehnung seitens der Bevölkerung gegenüber der Kultivierung von Gensaat zu verzeichnen. Dies beinhaltet sowohl Sozial- wie Umweltbewegungen, Landwirte als auch eine Bevölkerung , die dem Konsum und der Anssaat von Genprodukten sehr skeptisch gegenübersteht. In einer Umfrage ( Eurobarameter) im Jahr 2004 sprechen sich 75% aller PortugiesInnen dagegen aus, genmanipulierte Lebensmittel zu sich nehmen zu wollen. Allerdings muss man ebenso erwähnen, dass es bis vor kurzem kaum zugängige Informationen für die Bevölkerung gab und eine große allgemeine Unwissenheit vorherrscht, so hatten nur 30% aller Befragten überhaupt eine Idee, was Gentechnik bedeutet, ein Bild, dass sich durch die beharrliche Arbeit einiger Umwelt NGOs allmählich wandelt.
Im Zuge der langsam wachsenden Opposition hatte man sich auch auf politischer Ebene gegen Gentechnik ausgesprochen. Viele “municipios” ( vergleichbar mit Großgemeinden) verliehen sich offiziel den Titel “ Zona livre Transgénicos” ( gentechnikfreie Zone).
Die Algarve war die erste Region, die sich im Jahre 2004 komplett genfrei erklärte. Absurd erscheint es nun, dass ein Landwirt dort dann doch ein Genfeld ansähen kann, ohne legal dafür belangt zu werden. Das liegt zum einen daran, dass es sich bei der gentechnikreien Zone nur um eine politische Erklärung handelt, die keinerlei Rechtsgrundlage hat. Die portugiesischen Gesetze tragen nicht zur Abhilfe bei, sondern stiften nur mehr Verwirrung. Obwohl Portugal innerhalb der EU eines der ersten Staaten war, die prinzipiell Genfreie Zone unterstützen, ist das Gesetz im der Praxis nutzlos, da es einen Paragraphen beinhaltet, der sagt, dass wenn nur ein Landwirt innerhalb der Zone ein Genfeld anlegen will, der gesamte bürokratische Prozess der Genfreien Zone zunichte gemacht wird. Dieses Gesetz wird durch eine Politik der EU unterstützt, die völlig auf die freie Marktwirtschaft ausgerichtet ist und die Wahfreiheit des Individuums über das Wohlergehen der Gesamtbevölkerung stellt.
In Portugal gibt es eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, die mehr als 0,9 % Genprodukte enthalten, allerdings unterliegen Tierprodukte, die mit Genprodukten wie Soja oder Mais gefüttert wurden, keiner Kennzeichnungspflicht.
Movimento Verde Eufemia
Da der Staat seine Bürger weder durch Aufklärung noch durch Gesetzgebung vor den Gefahren der Gentechnik zureichend schützt, hat sich eine Gruppe von LandwirtInnen, UmweltschützerInnen und besorgten Bürgern für eine direkte Aktion zusammen geschlossen und die demokratische, moralische und ökologische Ordnung wiederherzustellen.
Die Bewegung startete unter dem Namen “Moviemento Verde Eufémia”, was dem Kampf der Bauern gegen das vormals faschistische Regime Portugals Tribut zollen soll.
Catarina Eufémia und die Bewegung der LandwirtInnen, in der sie eine aktive Rolle inne hatte, kämpfte für mehr Rechte und das Wohlergehen der Bauerngemeinden. Auf einer Demonstration mit anderen Landwirtinnen für eine Lohnerhöhung von 2 Cent die Stunde wurde sie schwanger und mit Kind auf dem Arm erschossen, was ihr in den 1950 zigern einen Heldenstatus in antifaschistischen Kreisen zukommen ließ.
Das Moviemento gibt an ihren Kampf im Kontext neu auftretender Bedrohungen, die heutzutage zu großem Anteil von der Agro-Biotechnologie und ihrer mächtigen Lobby ausgehen, fortführen.
Die Aktion
An der Aktion waren mehr als 60 MäherInnen beteiligt, die in den Mittagsstunden binnen weniger als 20 Minuten einen Hektar Genmais umtrat und umknickte. Die AktivistInnen hatten zuvor sämtliche Medien des Landes über die bevorstehende Aktion informiert.
Ebenfalls wurden am Tag zuvor die Einwohner des kleinen Dorfes Poço Barreto nahe des Feldes mithilfe von Flyern und Gesprächen über die Genproblematik informiert. Die Mehrheit der Leute sprach sich gegen das schon wohlbekannte Genfeld aus.
Durch all diese Aktionen wurde nun auch der Landwirt selbst der das 50 Hektar Feld ( 50 Fußballplätze) bewirtschaftet aufmerksam und bereiteten sich auf den Aktionstag vor. Schon nach 10 Minuten, die die AktivistInnen im Feld verbracht hatten, kamen er und einige seiner Kollegen auf die MäherInnen zu und begannen sie zu attackieren. Es wurde berichtet, dass einige der insgesamt 8 Bauern, trotz früher Stunde eine erhebliche Alkoholfahne vorzuweisen hatten.
Die MäherInnen, obwohl in der Überzahl, gingen in die Defensive und nutzen keinerlei körperliche Gewalt gegenüber den Landwirten. Die Mehrheit der MäherInnen versuchte nur ihnen aus dem Weg zu gehen und nahm sich weitere Genmaispflanzen vor.
Ein Landwirt schoß mit einer Schreckschusspistole in die Luft und die AktivistInnen wurden mit giftigen Sprays bedroht.
Ein Polizeiwagen traf kurz darauf ein. Die Mäherinnen brachen ihre Aktion nach 20 Minuten ab und begaben sich zur öffentlichen Straße um sich mit der eben eingetroffenen Parade zu vermischen.
Die zu diesem Zeitpunkt anwesenden 10 Polizisten konnten nicht mehr verrichten, als den Verkehr für die nun mehr als 160 Personen zählende Parade zu regeln, die sich Richtung des kleines Dorfes Poco Barreto bewegte. Erstaunte Einwohner säumten den Weg.
Der Pressesprecher und 2 Polizeisprecherinnen mussten der Polizei ihre Personalien vorlegen.
Die gesamte Gruppe wurde im Dorf von 2 Bussen abgeholt und die Aktion endete ohne jeglichen weiteren Vorkommnisse.
Was seitdem geschah....
Nach schon fast einer Woche nach der Aktion beherrscht der Name Moviemento Verde Eufémia sämtliche portugiesche Medien, noch am Dienstag war das Thema auf den Tielseiten der Zeitungen zu finden. Alle Fernseh- und Radiostation geben kontinuierlich Updates über den Fortgang der Geschehnissen. Hier wird nur ein kurzer Überblick gegeben:
Die Sache zieht sich mitlerweile in die höchsten Politikerkreise.
Der President Portugals selbst verlas ein Statement im Fernsehen, indem er sich mit 5 Mirkrofonen unter der Nase dazuhinreißen ließ, darauf hinzuweisen, dass die Kriminalität bestraft werden muss und Eigentumsrechte über allen anderen Rechten steht.
Der Minister für Landwirtschaft besuchte das Feld und ließ Abmessungen vornehmen, die dem Landwirt Einbußen von 17 Tonnen Erntegut bescheinigten, was mit 3900 Euro festgelegt wird. Die identifizierten Aktivisten sollen zahlen, die Regierung wird dem Landwirt den Prozess finanzieren.
Selbiger ist durch die Aktion geschwächt, erlitt den Anfang eines Herzinfarktes, lässt sich jedoch noch immer mit verschiedenen Ministern auf dem Feld ablichten.
Die Debatte geht nun also weg vom eigentlichen Inhalt der Aktion zur Aktion selbst, die Öffentlichkeit diskutiert lieber die Frage, warum die Polizei nicht aktiver einschritt. Ebenso wird das Movimento personalisiert, und konzentriert sich in den von der Polizei Identifizierten, die durch weitere Nachforschungen der Polizei zu einer Zahl von 6 Personen angewachsen ist.
In den Zeitungen war zu lesen, dass der portugiesische Geheimdienst sich nun an die Fersen der “Anführer” der Gruppe heftet, die man in diesem Kreise ausmachen will.
Einer der bekanntesten Politikkommentatoren fordert, dass der Pressesprecher ins Gefängnis geht, obwohl es dafür keine Rechtsgrundlage gibt.
Die Debatte wird nun auch von der sozialistischen und der sozial-demokratischen Partei dankend aufgenommen und sie tragen alte Grabenkämpfe auf dem Rücken des Movimentos aus.
Man will nun auch eine Verbindung vom Movimento zu einem Ökoaktivistentreff namens Ecotopia gefunden haben, welches zur gleichen Zeit in der Algarve stattgefunden hat. Die Organisation, welches dieses Event veranstaltet hat, wird nun an den Pranger gestellt, da im Programm für Ecotopia zu einem GMO-Action-Day aufgerufen wurde und man stellt Nachforschungen an, in denen sie Gelder vom Staat durch ein Jugendförderungsprogramm bekommen hätten, um Ecotopia veranstalten zu können und unterstellt so dem Institut für Jugendförderung die “Ökoterroristen soft “( Zitat Innenminister) finanziell unterstützt zu haben. Die Organisatoren derweil dementieren eine Verbindung zwischen dem Movimento und Ecotopia, einem friedlichen, emazipatorischen Treffen, an dem insgesamt mehr als 600 internationale Menschen teilgenommen haben. “ Es liegt in der demokratischen Natur von Ecotopia, wo jedeR mitmachen kann und jeder zum Selbermachen eingeladen ist, dass die Organisation sich von jeglicher Verantwortung freimachen kann, dass eventuell einige Leute, die auf Ecotopia zugegen waren, beim Movimento Verde Eufémia dabei waren “ ( freie Übersetzung einer Pressemitteilung von GAIA/ EYFA vom 22.8.2007)
In einigen Zeitungen wurde das Movimento im gleichen Atmenzug wie ETA genannt, die AktivistInnen werden von der Bevölkerung als öffentliche Bedrohung empfunden. Dagegen auf die Thematik von GMO angesprochen, reagierte der Landwirtschaftsminister:
“Es ist eine geprüfte Wissenschaft, das GMO gesundheitsunschädlich sei, da gibt es nichts daran zu rütteln.” (freie Übersetzung seines Zitates vom 21.8.08 in der Tageszeitung Publico)
Die Problematik
Das Movimento möchte dennoch ein wenig an den Fakten rütteln. Laut der wenigen unabhängigen Studien, die trotz hohen Drucks der Genlobby herauskommen konnten, können Genprogukte allergische Reaktionen , Krebs und andere negative Langzeitschäden verursachen, die bislang noch nicht intensiv genug studiert worden sind.
Einmal Gensaatgut ausgestreut, sind die Veränderungen in der Landwirtschaft unwiderbringlich.
Das manipulierte Gen fängt schnell an, sich in anderen “natürlichen” Pflanzen zu reproduzieren, auf einem anderen Feld und in anderen Spezien, ein Prozess, der trotz gebetsmühlenartig wiederholten Lügen der Genlobby und einigen Meter Plfichtabstand zwischen Genpflanze und Nichtgenpflanze, nicht zu vermeiden ist. Eine friedliche Koexistenz ist unmöglich.
Die größte Studie über über die Auswirkungen von Gentechnik auf die Umwelt wurde im Jahr 2003 von der britischen Regierung publiziert, Es kam zur Schlussfolgerung, dass das Aussähen von Gensaatgut für die Natur wesentlich gefährlicher ist, als konventionelle Landwirtschaft
Nordamerikanische Landwirte, die sich für Gensaatgut entschieden, sehen sich schon den Nachteilen ausgesetzt: sie müssen mehr für das Saatgut zahlen, können es im nächsten Jahr nicht noch einmal verwenden, müssen mehr Geld ausgeben für Pestizide, und Produkte sind weniger profitträchtig, weil sie GMO sind.
Ökolandwirte sind aufgrund von spontanen Kreuzungen von Gensaatgut mit den ihrigen Pflanzen gezwungen, ihren Beruf aufzugeben. Versicherungen schließen keine Versicherungen für Genfelder ab, weil die Risiken, die sie mit sich bringen, zu hoch sind. Lloyds, eine der größten Versicherungsfirmen der Welt, hat GMO's in das selbe finizielle Risiko gesetz wie terroristische Akte.
Wer Gensaatgut anpflanzt, darf keine 2. Generation des Saatsguts anpflnazen, sondern muss jedes Jahr neu kaufen.
Dutzende von nordmamerikanischen Farmern werden schon vor Gericht gegestellt, weil sie ihr eigenes Saatgut, im Folgejahr wieder verwendet hatten, andere, die niemals zuvor Gensaatgut angepflanzt hatten, weil Monsanto, der größte Genssathersteller in ihren Felder durch Kreuzungen genverunreinigende Planzen gefunden hat und sie somit gegen das Patentrecht verstoßen hatten.
Für weitere Informationen ueber Gentechnik kann man folgende Seiten konsultieren:
http://www.gentechnik-info.de/index.html