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Solidarität organisieren. §129a abschaffen.FelS, 16.08.2007 Der §129a hat eine ganz eigene Logik: Mit ihm ist es möglich, ohne einen konkreten Tatnachweis Menschen hinter Schloss und Riegel zu bringen – und das für lange Zeit. Unterstellungen und konstruierte Indizienketten als Ausgangspunkt sind ständige Begleiterinnen von §129a-Verfahren. So musste sich Ende der 1980er Jahre die Journalistin Ingrid Strobl vorwerfen lassen, sie gehöre den Revolutionären Zellen (RZ) an, weil sie einen Wecker gekauft hatte. Denn, so der Zirkelschluss der Generalbundesanwaltschaft, die RZ sei so verantwortungsvoll, dass sie nur Mitgliedern zumute, Material für Anschläge zu beschaffen. Und so wurde Ingrid Strobl zur RZ-Militanten, obwohl nie auch nur ein Beweis dafür vorlag, dass sie wusste, was mit dem von ihr gekauften Wecker passierte. Eine ähnlich absurde Konstruktion stellt das aktuelle Verfahren dar. Deshalb ist vor allem klar: Der §129a muss weg! Die andauernde Verschiebung dessen, was als legitim (im Gegensatz zu legal) erachtet wird, hängt natürlich auch mit dem Anti-Terrordiskurs seit dem 11. September 2001 zusammen. Der Staat verändert ständig die Vorstellung dessen, was staatsgefährdend oder terroristisch ist und konstruiert im zweiten Schritt fleißig Terrornetzwerke. Deren diffuse und unübersichtliche Struktur wiederum, so die Argumentation, muss sich der Staat ebenso wie seine Überwachungs- und Verfolgungstechnik immer wieder neu anpassen, dies ist auch ein Grund für die geplante Erweiterung des §129. Die Wahnvorstellung, alles und alle überwachen und kontrollieren zu können, findet gerade seinen Ausdruck darin, dass falls der Staatsschutz etwas nicht mitkommt, dies gleich als konspirativ, ergo subversiv und schlussfolgernd wahrscheinlich staatsgefährdend sein muss. Hier wirkt eines der wahnwitzigen Funktionsprinzipien des Staates, das einen unserer Genossen in den Knast gebracht hat. Dabei darf nicht allein bzw. unkritisch – wie in den letzten Monaten oft zu hören ist – auf eine ominöse Privatsphäre, die es zu schützen und zu bewahren gilt, verwiesen werden. Der zunehmende Kontroll- und Überwachungswahn sollte für eine Linke vor allem deshalb Gegenstand von Kritik sein, weil er zunehmend die Rechte und Möglichkeiten politischer und sozialer Assoziation und Organisierung untergräbt. Nach der Logik des gegenwärtigen präventiven Sicherheitswahns darf im Kern nur der Staat Politik machen und die ihm wohl gesonnen Parteien und auf ihn fixierten Interessensvertretungen. Dieses Prinzip zeigt sich vor allem daran, dass der präventive Charakter des Sicherheitsstaats in den Vordergrund rückt und immer weitere Straftaten – so genannte Vorfeldhandlungen – konstruiert werden, die nichts mit strafbaren Handlungen im engeren Sinn gemein haben. So soll zum Beispiel mit der Ausweitung des §129 (auf Absatz c und d) das Herunterladen von Bastelanleitungen für Sprengsätze oder das Sammeln von "nicht unerheblichen Vermögenswerten" bereits unter Strafe gestellt werden (Die Welt, 09.05.2007). Dass in den letzten Jahren derart viele §129a-Verfahren ohne spürbare öffentliche Empörung oder gar Widerstand möglich waren - die spontanen Reaktionen nach den Razzien am 9. Mai waren angesichts des bevorstehenden G8-Gipfels offensichtlich eine Ausnahme - ist auch eine Konsequenz unserer eigenen Politik: Dass die Ermittlungsbehörden Staatsfeinde ausmachen und gegen jegliche rechtsstaatlichen Spielregeln wegsperren können, ist auch das Resultat einer politischen Ausrichtung, die Kapitalismus- und Staatskritik, Radikalität und antagonistische Politik mit Selbstisolierung verwechselt. Statt zu versuchen, mit der eigenen Politik in die Gesellschaft zu intervenieren, feiern sich viele Linke als kleinste radikale Minderheit. Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden ist somit ein Ergebnis von gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen. Mit derartigen Verfahren sollen sie zu unseren Ungunsten verschoben werden. Denn wie der Blick in die Geschichte zeigt, trifft der Paragraf 129a vor allem linke Strukturen und Zusammenhänge, die mit Hilfe dieser Sondergesetzgebung sehr einfach ausspioniert, eingeschüchtert und isoliert werden können. Nicht zuletzt daher würde es der radikalen Linken durchaus zugute kommen, wenn die Masse an Verfahren, VS-Ansprachen und Beobachtungen der letzten Zeit – erinnert sei an die Spitzel im Berliner Sozialforum – nicht als Ausdruck von Stärke, sondern einerseits als Schwäche der Linken und andererseits als Verdrängung bürgerrechtlicher Standards und linksliberaler Positionen aus der politischen Debatte und Öffentlichkeit gedeutet werden würde. Die Repression und Verfolgung der letzten Monate und Jahre ist auch Resultat der Isolierung der Linken sowie von herrschaftskritischen und emanzipatorischen Positionen – eines zunehmend verengten Rahmen des Sag- und Denkbaren. Dies muss als Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Konstellation verstanden werden, deren Ursache auch im sektiererischen Charakter linksradikaler Politik begründet ist – einer Politik, die sich mit sich selbst und ihren Ritualen und Gewissheiten begnügt und gleichzeitig auch nicht willens ist, die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse insgesamt nach links zu verschieben. Ein Ausdruck dieser Politik ist auch eine militante Praxis à la "mg". Auch die "mg" muss sich durchaus scharfe, aber solidarische Kritik gefallen lassen. Denn eine kritiklose Akzeptanz ihrer Politik verhindert eine linke Diskussion über Strategien und Mittel ebenso wie die allgemeine Forderung, "der Gewalt" abzuschwören. Doch dazu gleich. Die Politik der "mg" geht nicht von den realen existierenden Kräfteverhältnissen aus. Die Folgen dieser Fehleinschätzung sind für eine radikale linke Politik nicht gerade von Vorteil – im Gegenteil. Die militanten Aktionen waren trotz thematischem Bezug zu realen Kämpfen nie Ausdruck einer realen sozialen Bewegung und damit auch kaum vermittelbar. Die "mg" verfolgt genau die Form selbstbezogener Politik, die die radikale Linke isoliert hat. Das Beispiel des Anschlags auf das Finanzamt Berlin-Neukölln in der Neujahrsnacht 2002/2003 zeigt dies deutlich: Nachdem der Anschlag im Feuerwerk und den 500 Bränden in jener Nacht medial unterging, zog die "mg" daraus in einer Erklärung (25.02.2003) die Konsequenz, dass klandestine Medien erhalten und ausgebaut werden müssten, um den Informationsfluss zu garantieren. Die Vermittlung und Vermittelbarkeit der eigenen politischen Aktionen zielt so nur auf die radikale Linke. Manche Anschläge sind überhaupt nicht vermittelbar. So zum Beispiel der Anschlag auf das Polizeipräsidium in Tempelhof im April 2006, während der Beerdigung eines Polizisten, der im alltäglichen Einsatz erschossen wurde. Diese Form militanter Politik verändert an den herrschenden Kräfteverhältnissen wenig und trägt noch weniger dazu bei, dass sich Menschen zu organisieren beginnen und anfangen sich kollektiv zu wehren. Trotz allem muss die Kritik an militanter Politik solidarisch und konkret bleiben. Denn auch eine allgemeine Abgrenzungswut durch das linke Distanzierungskartell, der Leute, die z.B. ohne jede Trennschärfe Sachbeschädigung als Gewalt verurteilen, ist an der gegenwärtigen Lage nicht unbeteiligt. Wer meint, sich ganz allgemein von Gewalt oder militanter Politik distanzieren zu müssen, der/ die stützt einen Diskurs, der die Hau-drauf-Politik des Staatsapparats trägt. Distanzierung schließt somit bestimmte Formen der Praxis endgültig aus, macht sie indiskutabel, entzieht sie der politischen Auseinandersetzung und legt somit eine Grundlage für staatliche Repression. Sie ermöglicht die Identifizierung derjenigen, die sich nicht unterwerfen wollen. Aus einem Streit über angemessene und legitime Formen des Widerstands und Protests, Ziele und Möglichkeiten linker Politik, wird so inkriminierbare Gesinnung. Was sich allgemein als Distanzierung von jeglicher Gewalt äußert, ließ sich zuletzt am Distanzierungsdrang während des Gipfels in Heiligendamm erkennen. Von pauschalen Distanzierungen, Übernahme der Polizeipropaganda bis hin zur geforderten Auslieferung von "Straftätern" war vieles im Stimmengewirr der Entsolidarisierung zu vernehmen. Von manchen wurden da Genossen als "Fremdkörper" (taz) bezeichnet und ein Peter Wahl macht mit seinem "Wir wollen euch nicht mehr sehen!" den Trennungsstrich und die Aufkündigung von Solidarität mehr als deutlich. Distanzierungen von Gewalt einzuklagen, ist im Endeffekt nichts anderes, als die politischen Akteure auf den Staat und seine Logik einzuschwören. Dieser Logik sollten wir uns entziehen. Einer der zentralen Momente des gegenwärtig im stärker sich herausbildenden präventiven Sicherheitsstaats ist der allgemeine Verdacht gegen alle, die nicht Ja und Amen sagen. Dabei greift die Strategie von Angst und realer Verfolgung ineinander. Eine verallgemeinerte Politik der Verunsicherung funktioniert nur dann, wenn der Staat auch ernst macht, wenn er Personen mit §129a-Verfahren überzieht und wegsperrt. Wer hat sich in Berlin nach dem 31. Juli nicht überlegt, wen der Beschuldigten er/sie kennt und wann und unter welchen Umständen ein letztes Treffen stattfand. Aus der "Kontaktschuld" wird so schnell eine "Berührungsfurcht" (Peter Brückner), die weit reichende politische Folgen hat. Das Ergebnis ist ein umfassendes System der Isolierung. Soll ich noch auf diese oder jene Demo gehen, wenn dort die Polizei wieder in großen Maßstab filmt? Soll ich wirklich mit meiner politischen Initiative eine Solidaritätsadresse schreiben? Welche Kneipen sollte ich lieber nicht regelmäßig aufsuchen? Kann ich bei google überhaupt mal "militante gruppe" eingeben, um mich zu informieren, was die so schreiben? Eines ist dabei klar: Ohne offene Gewalt und Repression ist diese Form der Politik der Angst unwirksam und nutzlos. Aber die ständig neuen Verfahren sind nicht einzig und allein als Form der Kriminalisierung zu interpretieren, sind dienen auch der Stigmatisierung von radikalen Linken generell. Einer Stigmatisierung, der offensiv begegnet werden muss – durch solidarischen Umgang und einem selbstbewusster Politik, die sich nicht einschüchtern lässt. Unsere Solidarität gilt deshalb allen Gefangenen vom 31.Juli 2007! Doch Solidaritätsarbeit darf nicht zur Selbstbestätigung der eigenen "antagonistischen" Politik werden. Mit der auch von Teilen der radikalen Linken forcierten Isolierung muss jetzt gebrochen werden. Vielmehr gilt es, in den kommenden Wochen und den folgenden Monaten deutlich zu machen, dass das aktuelle, wie auch die anderen §129a-Verfahren ein zentrales Moment des präventiven Sicherheitsstaats und der forcierten Politik der Angst sind. Nicht erst die Vorratsdatenspeicherung stellen einen Dammbruch dar, sondern alle Formen der Verfolgungspolitik im Rahmen des § 129a. Unser Ziel muss es sein, jeglichen staatlichen Einschüchterungsmaßnahmen solidarisch und gemeinsam entgegenzutreten. In diesem Sinne: Freiheit für Oliver, Florian, Axel und Andrej! Für eine linke Strömung! Soliwebsite: http://einstellung.so36.net Die Soliarbeit für die von den 129a-Verfahren betroffenen kostet viel Geld. Deshalb sind wir auf Spenden angewiesen. Eins bei den Anwälten: Thomas Herzog Und eins bei der Roten Hilfe: Rote Hilfe e.V. |
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