Überlegungen zum G8-Gipfel in Heiligendamm

Von P.

Nachdem ich an mehreren Gipfeln teilgenommen habe, werde ich versuchen, eine kurze Bilanz dieses Gipfels zu ziehen. Ich halte mich nicht mit dem auf, was auf dem Gipfel diskutiert wurde, sondern rede über die Gegenaktivitäten. Vielleicht irre ich mit einigen meiner Annahmen, zögert nicht, mich per Kommentar (Artikel ist erschienen auf Indymedia, am 1.7.07, Anm. d.Ü.) zu korrigieren, falls ihr Hinweise auf evtl. Fehler habt. Ich möchte meine Überlegungen den eurigen gegenüberstellen, nicht aus Klugscheißerei, sondern als Versuch, die Bewegung zu vergrößern, auf konstruktive Art und Weise.

Blockaden
Der Hauptaktionsmodus beim G8-Gipfel diesen Jahrs waren Straßenblockaden. Solch Vorgehen war bereits in Evian erprobt worden. Vor zwei Jahren in Schottland war es weit verbreitet, mit konkreten Auswirkungen auf den eigentlichen G8. Zumindest erinnere ich mich an Bilder von genervten Delegierten in ihren blockierten Autos. Dieses Jahr, sicherlich aufgrund des Nicht-Verbergens unserer Absichten, kamen wir nicht in den Genuss dieser Bilder. Die Delegierten wurden nicht blockiert. Sie sind offensichtlich mit Hubschraubern und Flugzeugen gekommen. Die Presse hingegen, jene die sich dieses Mittel nicht leisten konnten, hat sich resigniert damit begnügt, eher die Gegenaktivitäten als den Gipfel medial zu begleiten. Aus diesem Grund glaube ich, dass dieser Gegengipfel der presseträchtigste war (abgesehen von Genua… mit der Ermordung von Calo Guiliani). Wie also haben sich letztlich die Blockaden auf den G8 ausgewirkt? Wofür sind sie gut, außer um Späße mit der Polizei zu treiben?

Rote Zone – Orange Zone
Mir scheint, dieses Jahr war das erste, in dem sie Staatsmacht eine orange Zone rund um die rote Zone errichtet hat. Mehrere Quellen haben ein Eindringen in die rote Zone erwähnt. Das hat es jedoch meines Wissens nicht gegeben. Wir waren stark präsent in der orangen Zone, doch nie in der roten. Kann man also von einem Sieg des Gegengipfels sprechen?
Aber was waren letztlich unsere Ziele? Mehrfach hat sich die Gelegenheit ergeben, in die rote Zone einzudringen (trotz ihres Zauns à XXXXXX€). Aber nichts ist passiert. Den wenigen, die den Zaun überwunden haben und die zum massenhaften Eindringen aufriefen, wurde nicht gefolgt (ohne Zweifel aus Angst). Oder sie wurden beschimpft, besonders durch „Block G8“, eine sehr gemäßigte und strukturierte Organisation, die zum Beispiel die Blockade des Westtors am Mittwoch organisiert hat. Das ist sehr bedauerlich.
Ich erinnere mich an den Gegengipfel während der Weltbank/IWF-Tagung in Prag 2000, an jenen Tag als sich der rosa Zug unter den Mauern wiederfand, wo sich die Mächtigen trafen. Sie machten ein solches Tamtam, dass sie Delegierten gezwungen waren, ihre Versammlungen zu unterbrechen. Im gleichen Moment waren sie Bullen zu sehr damit beschäftigt, sich mit dem gelben und dem blauen Zug zu amüsieren. (Bei diesem Gipfel hatte es auch Aktivisten gegeben, die die Delegiertenhotels ausgecheckt hatten und dorthin gingen, um ihnen Wiegenlieder zu singen).
Ihr werdet sagen, das war die gute alte Zeit; wie soll so was noch möglich sein im Angesicht des aktuellen Polizeiaufgebots?

Aber wir müssen subtil bleiben und weiter kreativ sein. Wenn es unmöglich ist, in die rote Zone einzudringen und wenn die empfangenden Staaten ihren bewaffneten Arm so gerne zur Verteidigung der roten Zone benutzen, warum dann nicht von diesen Gipfeln profitieren und dezentrale Aktionen machen? Es gab einige dieses Jahr, in Rom, Hamburg, Berlin und anderen Orten. Aber das waren eher „klassische“ Demos. Warum werden Blockaden nicht anderswo als rund um die rote Zone durchführt (vor allem wenn sie letzlich niemanden blockieren)?
Ich sorge mich um den reellen Gehalt unserer Aktionen. Ist die Vorstellung, die Wirtschaft eines Landes – Güterzüge, wichtige Autostraßen etc. - zu blockieren, so wahnwitzig? Gezielte Aktionen, effizient, von anderer Natur, blitzschnell und so dezentralisiert, dass sie für die Ordnungshüter unmöglich zu händeln sind? (Vorsicht vor den vielen Eingeschleusten) Ich glaube, wir müssen symbolische Aktionen rund um diese roten Zonen fortführen, damit die mediale und polizeiliche Aufmerksamkeit gut gelenkt wird und damit unsere Aktionen für die gesamte Menschheit verständlich bleiben – das Symbol hat diese Kraft, einfach verstanden zu werden, von allen, egal woher sie kommen.

Gewalt und Medien
Wie schon oben erwähnt, glaube ich auf diesem Gipfel die größte Konzentration von Journalisten pro Quadratmeter erlebt zu haben. Und im Gegensatz zu Genua, war nicht Gewalt der Grund dafür.
Samstag war gewalttätig. Es war die große Mode, den „Schwarzen Block“ als Grund allen Übels zu beschuldigen. Eine offensichtlich verfälschende Sichtweise.
Dem Black Block die Schuld zu geben ist einfach. Denn der Black Block ist niemand und alle, ist sich ein schwarzes Tuch überzuziehen oder ein verkleideter Bulle zu sein (die könnten von keiner besseren Tarnung träumen), oder Metal zu mögen (das erinnert mich an die groteske Beschuldigung, Marilyn Manson sei der Grund für den Highschool-Amoklauf von Colombine gewesen), oder schwarz zu mögen – ein Klamottenklischee, als ob ein weiß angezogener Typ keinen Stein tragen könnte und ein schwarz angezogener nur an Sit-ins teilnehmen könnte.
Es bleibt die Feststellung, dass nach dem 2.Juni nicht mehr von Gewalt gesprochen wurde, die der Schwarze Block angeleitet hätte. Nur noch von Polizeigewalt. Ich frage: Warum?
Was die Medien betrifft, war dieses Jahr ein großes Vergnügen von Seiten der Aktivisten an Medienbespaßung zu memerken, als Besänftigung. Hier begrüße ich die Clownsarmee sowie den neuen „Naked Block“, für vieles gut.
Es ist spät und ich beende meine Überlegungen, to be continued...