»Demonstrationsfreiheit besteht nur auf dem Papier«

junge welt 19. Mai 2007

G-8-Gegner wollen juristisch gegen Kundgebungsverbot am Flughafen Rostock-Laage vorgehen. Ein Gepräch mit Abel Gehring
Interview: Markus Bernhardt

Abel Gehring ist Sprecher der »Vorbereitungsgruppe Rostock-Laage«, die am 6. Juni gegen den dortigen Militärflughafen demonstrieren will und zu Blockaden aufgerufen hat

Die Polizei hat »alle öffentlichen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel« in der Zeit vom 2. bis 8. Juni für das Gebiet rund um den Flughafen Rostock-Laage verboten. Sie wollten dort am 6. Juni demonstrieren. Werden Sie juristisch gegen das Verbot vorgehen?

Ja, natürlich werden wir Rechtsmittel einlegen. Die polizeiliche Allgemeinverfügung beweist in unseren Augen nur einmal mehr, wie es in diesem Land um demokratische Grund- und Freiheitsrechte bestellt ist. Das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Demonstrationsfreiheit gibt es de facto nur noch auf dem Papier. Es gilt nur so lange, wie es den Herrschenden genehm ist.

Das Verbot unserer am Flughafen geplanten Antikriegsproteste überrascht uns aber nicht. Wir haben damit gerechnet, daß die Polizei versuchen würde, unseren legitimen Protest zu unterbinden. Bereits beim Anmeldegespräch für die vier geplanten Kundgebungen zeichnete sich ab, daß die Polizeiorganisation »Kavala« drei der Plätze nicht zulassen wollte.
Rechnen Sie damit, daß die Demonstrationsverbote einer gerichtlichen Überprüfung standhalten?

Nein, es ist unser Recht, in Hör- und Sichtweite der G-8-Gipfelteilnehmer, die wahrscheinlich am 6. Juni auf dem Flughafen Rostock-Laage landen werden, zu demonstrieren. Sollte das Gericht die juristisch mehr als zweifelhafte Verfügung der Polizei trotzdem absegnen, wäre dies ein weiterer Schritt von präventiver Repression gegen die Gegner des G-8-Gipfels.
Richtet sich Ihr Protest denn nur gegen die in Rostock-Laage ankommenden Staats- und Regierungschefs?

Unser Anliegen ist es, in erster Linie gegen die Kriegspolitik der G8 zu demonstrieren. Unser Protest richtet sich insbesondere gegen die immer offensivere Kriegsbeteiligung der Bundeswehr bei den völkerrechtswidrigen Angriffen gegen den Libanon, den Irak und Afghanistan. Der Flughafen Rostock-Laage ist – ähnlich wie der in Leipzig – eine Mischung aus Zivil- und Militärflughafen. Mehr als 1000 Soldaten der Bundeswehr sind in Rostock-Laage auf einem Fliegerhorst, der ausgerechnet nach Johannes Steinhoff benannt ist, stationiert. Die Bundeswehr möchte von dort aus Flugzeuge starten lassen, um auf dem Gelände des nahe gelegenen sogenannten Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner Heide den Luftkrieg zu üben. Dem steht allerdings seit mehr als 15 Jahren der entschiedene Protest der dortigen Bevölkerung entgegen. Zuletzt demonstrierten 8000 Menschen im Rahmen des diesjährigen Ostermarsches gegen das Bombodrom.
Warum sagten Sie »ausgerechnet nach Steinhoff benannt«?

Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, daß die Namensgebung ein bezeichnendes Licht auf das Traditionsverständnis der Bundeswehr wirft. Johannes Steinhoff war ab 1939 sowohl am Angriff auf England und Frankreich als auch am Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion beteiligt. Er setzte seine Karriere bei der Bundeswehr fort und brachte es dort 1971 zum Vier-Sterne-General. Da die Bundeswehr die Kaserne 1997 nach diesem Faschisten benannte, zeigt sie deutlich in welcher Tradition sie steht.
Antimilitaristische Politik steht ansonsten nicht gerade im Vordergrund der Kritik am G-8-Gipfel, oder?

Im Rahmen der Protestwoche gibt es Aktionstage gegen Krieg, Folter und Militarismus am 5. und 6. Juni. Leider beteiligt sich auch die traditionelle Friedensbewegung daran nur halbherzig. Wir mußten insgesamt bei der Vorbereitung der Anti-G-8-Proteste immer wieder feststellen, daß eine Positionierung zu der Frage von Krieg und Frieden bei vielen politischen Gruppen und Organisationen nur oberflächlich stattfindet. Schon während des israelischen Einmarsches in den Libanon gab es an der Ostsee ein Camp zur Vorbereitung der Proteste im Sommer. Die große Mehrheit lehnte es ab, überhaupt nur über diesen Krieg zu diskutieren – geschweige denn eine Protestaktion zu starten.

g8andwar.de

Montag, 21. Mai, 19.30 Uhr, Berlin, Rathaus Schöneberg, Raum 2113: »Neue Wirtschafts- und Militärstrategien der G8: Sicherung der neoliberalen Weltordnung und der Rohstoff- und Energieversorgung?«, Podiumsdiskussion der WASG Tempelhof-Schöneberg mit Nele Hirsch (Fraktion Die Linke, MdB), Jochen Scholz (WASG), Dr. Hans-Günter Szalkiewicz (DKP) und Laura von Wimmersperg (Friedenskoordination)

Mittwoch, 23. Mai, 19 Uhr, Kato, U-Bahnhof Schlesisches Tor, Berlin-Kreuzberg: Informationsveranstaltung zum geplanten Aktionstag am Flughafen Rostock-Laage

19.05.2007 / Inland / Seite 8

http://www.jungewelt.de/2007/05-19/033.php