In Brokdorf, beim Castor und der WM

taz 18. Mai 2007

Das Bundesverfassungsgericht hat 1985 festgestellt, dass die Veranstalter einer Demonstration grundsätzlich selbst über “Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung” bestimmen können. Es ging um eine Demonstration am geplanten Kernkraftwerk Brokdorf. Das Urteil ist ein Meilenstein des Verfassungsrechts, weil es die Demonstrationsfreiheit erstmals als “unentbehrliches Funktionselement eines demokratischen Gemeinwesens” einstufte.

Aber selbst in dieser Entscheidung hat das Verfassungsgericht ein Versammlungsverbot in der “näheren Umgebung” des AKWs für gerechtfertigt gehalten, weil “Gewaltanwendungen gegen die Baustelleneinrichtungen, insbesondere gegen den Bauzaun, durchaus zu befürchten waren”. Konkret ging es um eine Schutzzone im Abstand von 4,5 bis 9 Kilometern zum Bauplatz. Dagegen hatte das Gericht Bedenken gegen ein vom zuständigen Landrat ausgesprochenes weiträumiges und mehrtägiges Demonstrationsverbot auf einer Fläche von 210 Quadratkilometern um das umstrittene AKW.

Großflächige Demonstrationsverbote werden auch bei Castor-Transporten regelmäßig gerichtlich geprüft. So akzeptierte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg 2004 einen demonstrationsfreien Korridor von 50 Metern links und rechts der Bahnlinie von Lüneburg nach Dannenberg. Begründet wurde dies damit, dass Castorgegner planten, die Bahnstrecke über einen möglichst langen Zeitraum zu blockieren und dabei auch Sachbeschädigungen in Kauf zu nehmen. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg betonte zwar, sie wolle nur friedlich demonstrieren. Die Richter hielten ihr aber vor, dass sie sich von den geplanten Blockadeaktionen der Gruppen “X-tausendmal quer” und “widersetzen” nicht distanziert habe.

Auch am Tag des WM-Finales 2006 in Berlin durfte eine geplante Demonstration “für die Jugend” nicht am gewünschten Ort stattfinden, da der Aufzug Rettungswege und den Zugang zum Olympiastadion versperrt hätte. Protest dürfe sich “nicht um den Preis einer physischen Blockade des kritisierten Ereignisses Gehör verschaffen”, entschied das Verwaltungsgericht Berlin. CHRISTIAN RATH

taz vom 18.5.2007, S. 3, 73 Z. (TAZ-Bericht), CHRISTIAN RATH

http://www.taz.de/dx/2007/05/18/a0131.1/text