Berlin verteidigt Bannmeile

Ostsee Zeitung 18. Mai 2007

Fast alle Parteien kritisieren das von der Polizei erlassene Demonstrationsverbot. G8-Gegner wollen klagen.

Heiligendamm (dpa/ddp/OZ) Die Gegner des G8-Gipfels hatten es schon lange befürchtet: Die Polizei will Demonstrationen rund um den Gipfelort Heiligendamm verbieten. Wegen einer „andauernden Bedrohungssituation“ sollen in einer Zone von 200 Metern vor dem Sicherheitszaun um das Ostseebad keine öffentlichen Versammlungen erlaubt werden. Vom 30. Mai bis 8. Juni sind zudem in einem fünf bis zehn Kilometer breiten Gürtel alle unangemeldeten Proteste verboten. Bei den Gipfel-Gegnern rief die Entscheidung heftige Reaktionen hervor. Die Vorwürfe an die Polizei reichen vom Angriff auf die Grundrechte bis zur Täuschung der Öffentlichkeit. Ein geteiltes Echo gab es in der Politik.

Das Bundesinnenministerium verteidigte das Demonstrationsverbot. „Wir haben als Gastgeber die Pflicht, dass wir alles tun werden, um unsere Gäste zu schützen“, sagte Staatssekretär August Hanning. Das Verbot diene dazu, Störungen des Gipfels zu vermeiden. Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla rechtfertigte die Maßnahme: „Der enorme Aufwand dient dem Schutz unserer Gäste. Ich kann die aufgeheizte Debatte um die Sicherheit nicht nachvollziehen.“

SPD, Linkspartei und FDP meldeten dagegen Bedenken an. Der FDP-Innenexperte im Bundestag, Max Stadler, dagegen sagte, diese Maßnahmen bewirkten „wahrscheinlich eine Solidarisierung bei den Globalisierungsgegnern“. Ein so umfassendes Demonstrationsverbot „dürfte doch wohl kaum mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in Einklang stehen“.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, nannte die Verfügung eine „undemokratische Willkürhandlung nach dem Vorbild der ,Operation Schutzwall’ beim G8-Gipfel 2006 im russischen Sankt Petersburg.“ Damals waren die Sicherheitsorgane wegen ihres rigiden Vorgehens kritisiert worden. Jelpkes SPD-Amtskollege, Dieter Wiefelspütz, sagte, grundsätzlich dürfe nicht in Zweifel gezogen werden, dass man in Deutschland friedlich und ohne Waffen gegen den G8-Gipfel demonstrieren darf. Der Online-Ausgabe der „Financial Times Deutschland“ sagte er: „Es müssen schon sehr gute Gründe vorliegen, um ein Demonstrationsverbot zu begründen.“ Das letzte Wort würden die Gerichte haben.

Darauf wird es wohl hinauslaufen. Die Gipfel-Gegner kündigten umgehend an, Widerspruch bei den Verwaltungsgerichten einzulegen. Die Organisation „Gipfelsoli Infogruppe“ warf der Polizei vor, die Verbotsankündigung so spät erlassen zu haben, um den Gegnern nicht genug Zeit zu lassen, sich vor Gericht zu wehren. „Die Polizei spielt auf Zeit. Damit wird der juristische Klageweg beschnitten“, sagte ein Sprecher. Zudem seien die Demonstranten getäuscht worden. Monatelang habe es geheißen, beim Gipfel werde es keine „Bannmeilen“ geben.
Ein Sprecher der globalisierungskritischen Organisation Attac nannte die Begründung der Polizei für das Verbot, Rettungs- und Nachschubwege müssten freigehalten werden, unglaubwürdig: „Die polizeiliche Bewegungsfreiheit kann nicht zu demonstrationsfreien Zonen führen. Die sind im Grundgesetz nicht vorgesehen.“

Insgesamt liegen der Polizei während des G8-Gipfels eigenen Angaben zufolge 60 Anmeldungen öffentlicher Veranstaltungen vor, zehn davon sind genehmigt.

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