Schäubles Drohgebärden

taz 12. Mai 2007

KOMMENTAR VON FELIX LEE

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wendet einen alten Trick an: Er droht mit harten polizeilichen Mitteln, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Er bringt die Vorbeugehaft ins Spiel und versucht so, nach den Razzien vom Mittwoch die Anti-G-8-Bewegung weiter einzuschüchtern.

Damit verfolgt er zwei Ziele: Zum einen schürt er die in manchen Teilen der Bevölkerung tatsächlich vorhandene Angst vor “gewaltbereiten GlobalisierungskritikerInnen”, um die Verschärfung seiner geplanten Sicherheitsgesetze mehrheitsfähig zu machen. Konkret geht es ihm um eine Ausweitung der Befugnisse des Bundeskriminalamts und darum, den umstrittenen Antiterrorparagrafen 129 a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) um eine c- und d-Variante zu erweitern. Dem rechtskonservativen Innenminister ist der paternalistische Gedanke durchaus zuzutrauen, mittels strenger Sicherheitsgesetze eine soziale Bewegung zu bändigen. Ein kommunikativer Nebeneffekt ist ihm aber genauso wichtig: die Abgrenzung vom sozialdemokratischen Koalitionspartner.

Im selben Interview, in dem er den Globalisierungsgegnern mit einer harten Gangart droht, erklärt der Bundesinnenminister, dass er vor dem Hintergrund der derzeitigen Differenzen in der Sicherheitspolitik keine Perspektive für die Fortsetzung der großen Koalition nach der nächsten Bundestagswahl sieht. So bietet die globalisierungskritische Bewegung einen schönen Anlass zur populistischen Profilierung gegen die SPD.

Doch sein Kalkül könnte nicht aufgehen. Schäubles Drohgebärden erinnern erschreckend an die Hetzkampagnen des damaligen italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi im Vorfeld des G-8-Gipfels von Genua 2001. Berlusconi hatte vor den Gipfelprotesten ebenfalls versucht, die Gipfelgegner in eine kriminelle Ecke zu drängen. Särge wurden nach Genua geschifft, die gesamte Altstadt wurde zur Hochsicherheitszone erklärt. Der Schuss ging nach hinten los. Zu den hunderttausenden G-8-Gegnern gesellten sich auch Berlusconi-Gegner. Ihre Proteste währten länger als die eine Woche Gipfelprotest.

taz vom 12.5.2007, S. 1, 62 Z. (Kommentar), FELIX LEE