22. und 23. März 2006
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die Innenminister von Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Spanien und dem Vereinigten Königreich sind am 22. und 23. März 2006 in Heiligendamm (Deutschland) zusammengekommen. Sie haben als neuen Teilnehmer in diesem bereits seit 2003 bestehenden Kreis den Innenminister Polens begrüßt.
Die Zusammenarbeit der sechs Staaten soll weitere Impulse für die Stärkung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geben. Im Sinne eines "Laboratoriums" sollen in kleinem Kreis konkrete Vorschläge zur Intensivierung der Zusammenarbeit im Bereich der europäischen Innenpolitik entwickelt werden. Die anderen EU-Staaten werden in vollem Umfang über die Vorschläge der G6-Staaten unterrichtet und können sich an deren Umsetzung beteiligen.
Zur Förderung der Integration und zur Bekämpfung der illegalen Migration sowie zur Bekämpfung des Terrorismus haben die Minister folgende konkrete Maßnahmen beschlossen:
1. Förderung der Integration und Bekämpfung der illegalen Migration
Die Minister haben die herausragende Bedeutung erfolgreicher Integration für die Stabilität einer Gesellschaft betont. Sie haben deshalb einen intensiven Austausch über ihre Integrationsprogramme und Integrationsvoraussetzungen, insbesondere die Art und Form von eventuellen Testverfahren vereinbart. Die Minister beschlossen die Einrichtung einer Expertengruppe, die die Möglichkeit eines Integrationsvertrags mit Zuwanderern oder vergleichbarer Instrumentarien prüfen und deren wesentlichen Inhalte ausarbeiten soll.
Mit Blick auf den Dialog mit der muslimischen Gemeinschaft haben sie sich darauf verständigt, sich über die jeweiligen Konsultationsmechanismen und Dialogstrukturen der anderen Partner sowie den interkulturellen und interkonfessionellen Dialog mit den Herkunftsländern gegenseitig zu unterrichten.
Die Minister sind überzeugt, dass alle Ansätze zur erfolgreichen Integration nur von Dauer sein können, wenn die europäischen Partner zu einem gemeinsamen Verständnis der Grundlage von Migration nach Europa gelangen und wirksame Strategien zur Bekämpfung illegaler Einwanderung entwickeln.
Daher streben die Minister an, die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der illegalen Migration zu intensivieren und die nationalen Zentren zu verknüpfen. Experten aus allen betroffenen Behörden (Grenzpolizei, Polizei, Ausländerbehörden) sollen zusammenarbeiten, um den Informationsaustausch auf den erforderlichen Ebenen sicherzustellen. Bei der Bekämpfung des Menschenschmuggels, des Menschenhandels oder damit verbundener Kriminalität sollen "Gemeinsame Ermittlungsteams" mit Unterstützung von EUROPOL eingesetzt werden.
Die Minister treten dafür ein, auf die Ausarbeitung einer gemeinsamen Liste sicherer Herkunftsländer hinzuwirken und unterstützen die diesbezüglichen Anstrengungen der Kommission und der Präsidentschaft.
Die Minister treten darüber hinaus dafür ein, das Visa-Informationssystem (VIS) einschließlich Einladerdatei im VIS zügig einzurichten und einen polizeilichen Zugriff auf EURODACm sowie einen uneingeschränkten Zugriff der für innere Sicherheit zuständigen Behörden auf das VIS einzuräumen. Sie begrüßen, dass der Einsatz von Biometrie in Auslandsvertretungen und an ausgewählten Grenzübergangsstellen im Vorgriff auf das VIS durch die französische Initiative BIODEV II ausgeweitet wird.
In Bezug auf die Rückführung von illegal aufhältigen Personen haben sie beschlossen, sich gegenüber besonders relevanten Herkunfts- und Transitländern vor allem im Mittelmeerraum und in Osteuropa abzustimmen, gemeinsame Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit mit den Drittstaaten zu ergreifen und die Kommission bei der Verhandlung und dem Abschluss von Rückübernahmeabkommen aktiv zu unterstützen, wie dies in dem gemeinsamen Schreiben an Vizepräsident Frattini hervorgehoben wurde. Die Minister haben ein abgestimmtes Vorgehen mit den Außenministern beschlossen, um eine beschleunigte Ausstellung von Heimreisedokumenten durch die betreffenden Länder zu erreichen. Sie werden eine Bewertung der bisherigen Maßnahmen und Ergebnisse hinsichtlich der Ausstellung von Heimreisedokumenten vornehmen und eine gemeinsame Strategie gegenüber den Ländern entwickeln, die nach wie vor nicht hinreichend zur Zusammenarbeit bereit sind.
Die Minister sind sich einig, dass eine effektive und nachhaltige Sicherung der EU-Außengrenzen einschließlich des Einsatzes nationaler Expertenteams zur Unterstützung im Krisenfall eine Voraussetzung für die Bekämpfung illegaler Migration ist. Diese Expertenteams sollen auf operativer Ebene eng mit den zuständigen nationalen Behörden oder Zentralstellen zusammenarbeiten.
Dazu haben sie eine intensive Beteiligung an den durch die Europäische Grenzschutzagentur FRONTEX organisierten gemeinsamen Einsätzen beschlossen. Zur Verbesserung der Informationsgrundlage sollen EUROPOL und FRONTEX gemeinsame Lagebilder und -analysen zur illegalen Migration erstellen. Dies hat hohe Priorität für die EUROPOL-Bedrohungsanalysen im Bereich der Organisierten Kriminalität.
Die Minister bekräftigen, dass ein besonderes Augenmerk auf die Migrationsströme aus Afrika gelegt werden soll, insbesondere sofern es sich dabei um illegale Einwanderung handelt, und haben sich darauf geeinigt, die operative Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedern zu intensivieren und den Dialog und die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Herkunfts- und -transitländern zu verbessern. Dieser Ansatz trägt zur Umsetzung der in den Schlussfolgerungen des Rates vom 15./16. Dezember 2005 enthaltenen Maßnahmen des Global Approach on Migration bei. Mit dem Ziel der Verbesserung der operativen Zusammenarbeit und Koordination werden die Minister eine Expertengruppe, die von den kanarischen Inseln aus koordiniert wird, mit der Einrichtung eines regionalen Immigrationsnetzwerks in der westafrikanischen Küstenregion auf der Grundlage der bereits dort eingesetzten Verbindungsbeamten beauftragen. Derselbe Ansatz soll gegenüber anderen afrikanischen Regionen, Asien, Ost- und Südosteuropa verfolgt werden.
2. Bekämpfung des Terrorismus
Die Minister werden angesichts der anhaltenden Bedrohung ihre Anstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus mit unveränderter Intensität weiterführen. Sie wollen ihre Zusammenarbeit durch folgende konkrete Einzelmaßnahmen noch verstärken.
* Gemeinsame, arbeitsteilige Analyse der Nutzung des Internet durch terroristische Strukturen ("Check the Web") unter Beteiligung von EUROPOL. Dies ermöglicht einen zielgenauen Einsatz der Ressourcen und führt zu deutlich besseren Arbeitsergebnissen.
* Einrichtung gemeinsamer Unterstützungsteams für den Fall schwerer terroristischer Anschläge: Expertenteams oder Verbindungsbeamte, die vor Ort den von einem Anschlag betroffenen Staat auf sein Ersuchen hin unterstützen.
* Etablierung eines Hospitationsprogramms zwischen den nationalen Terrorismusabwehrzentren, um den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit weiter zu optimieren.
* Gegenseitiger systematischer Austausch von Informationen zu Personen, die aufgrund von Aktivitäten, die den Hass zwischen Rassen oder Religionen schüren, von den G6-Staaten ausgewiesen wurden.
3. Drogenbekämpfung/Bekämpfung OK
Die Minister haben die Priorität, die der Bekämpfung des Drogenhandels und der organisierten Kriminalität zukommt, unterstrichen. Besonderes Augenmerk haben die Minister auf Südamerika und die Karibik sowie Afghanistan, die Balkanroute, die Türkei und Westafrika gelegt. Mit dem Ziel der effektiveren Drogenbekämpfung verständigten sie sich darauf, Experten mit der Prüfung von Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden in den sechs Staaten zu beauftragen, einschließlich der Möglichkeit der Schaffung regionaler Zentren in den Hauptherkunfts- und -transitländern. Deshalb haben sie die Initiative zur gemeinsamen Nutzung der bestehenden Verbindungsnetzwerke in den westlichen Balkanländern zur Bekämpfung jeder Form der Kriminalität begrüßt. EUROPOL kommt eine wichtige Funktion als Schnittstelle für den Informationsaustausch in der EU zu.
4. Grundsatz der Verfügbarkeit
Die Minister haben nochmals die besondere Bedeutung des bereits im Haager Programm festgelegten Ziels einer entscheidenden Verbesserung des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs der Strafverfolgungsbehörden hervorgehoben. Um dieses Ziel schnell zu erreichen, treten sie für eine Konzentration auf DNA-, Fingerabdruck- und Kfz-Registerdaten, ein. Dabei haben sie betont, dass das zukunftsträchtige Modell des Vertrages von Prüm mit online-Abfragen und einem hit-/no-hit-Zugriff möglichst bald zur Anwendung in der EU gelangen soll.
Die Minister haben unterstrichen, dass die zügige Umsetzung des Grundsatzes der Verfügbarkeit nicht von der vorherigen Verabschiedung eines Rahmenbeschlusses zum Datenschutz in der "dritten Säule" abhängen darf.
5. Schengener Durchführungsübereinkommen
Um eine greifbare Verbesserung der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit insbesondere durch das Schengener Durchführungsübereinkommen zu erreichen, streben die Minister eine Überarbeitung anhand der Standards des Vertrages von Prüm an. Hierzu gehört beispielsweise die Möglichkeit, bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen Unterstützungskräfte aus anderen Mitgliedstaaten zur Hilfeleistung anzufordern.
6. SIS II / VIS
Die Minister haben betont, dass die geplante Einführung des Schengener Informationssystems der neuen Generation (SIS II) sowie des Visa-Informationssystems (VIS) hohe Priorität hat. Sie haben darüber hinaus unterstrichen, dass sowohl SIS als auch VIS den uneingeschränkten Zugriff für die in den beteiligten Staaten für innere Sicherheit zuständigen Behörden garantieren müssen, um dem Interesse aller EU-Mitgliedstaaten an einer effizienten Kriminalitätsbekämpfung Rechnung zu tragen. Um einen problemlosen Übergang zum SIS II zu ermöglichen, sind sich die Minister einig, dass die bisherigen Zuständigkeiten für den Betrieb des Systems nicht verändert werden sollten.
7. Stand der Umsetzung und Weiterentwicklung der bisherigen Arbeiten
Die Minister haben die positiven Ergebnisse der bisherigen Zusammenarbeit begrüßt und deutlich gemacht, dass sie in diesen Bereichen mit unveränderter Intensität weiterarbeiten werden:
* Der gegenseitige Informationsaustausch bei der Terrorismusbekämpfung ist deutlich intensiviert worden und soll noch ausgebaut werden (Datenaustausch über "terroristische Gefährder", Einrichtung eines Frühwarnsystems via Email bei Diebstahl von Sprengstoffen, Waffen etc. und eines Grundstoff-Überwachungsprogramms für Explosivstoffe)
* Mit der Durchführung von Sammelrückführungen vorbehaltlich individueller Abschiebeanordnungen haben die G6-Staaten ein deutliches Signal gegen die illegale Migration gesetzt. Das stabile Kooperationsverfahren auf der Grundlage eines konsolidierten Netzwerks von Kontaktstellen hat sich bewährt. Mit der stärkeren Einbeziehung von FRONTEX werden die G6-Staaten werden die Zahl der Flüge erhöhen.
* Die Forderungen der Minister zur Einbeziehung biometrischer Daten in Ausweispapieren haben in den Beschluss des Rates der Justiz- und Innenminister auf europäischer Ebene am 1./2. Dezember 2005 Eingang gefunden.
* Durch Beschluss des Rates der Justiz- und Innenminister vom 12. Juli 2005 wurde EUROPOL zur europaweiten Zentralstelle für die Bekämpfung der Eurofälschung benannt und damit die Grundlage für eine noch effizientere Bekämpfung der Eurofälschung geschaffen. Die Initiative des Ministertreffens von Garmisch-Partenkirchen wurde damit erfolgreich umgesetzt.
http://www.bmi.bund.de/Internet/Content/Nachrichten/Pressemitteilungen/2006/03/
Innenministertreffen__Heiligendamm.html