Polizei verbietet G 8-Sternmarsch

Neues Deutschland 10. Mai 2007
Koalition verteidigt Razzia gegen linke Projekte / Tausende protestieren gegen Durchsuchungen

Nach der groß angelegten Durchsuchungsaktion linker Projekte kamen am Mittwochabend in mehr als 15 Städten Tausende Menschen zu spontanen Protesten gegen das Vorgehen der Polizei zusammen. Gestern wurde zudem bekannt, dass die Polizei einen für 7. Juni geplanten Sternmarsch von Gipfel-Kritikern verbieten wird.

Berlin (ND-Strohschneider). Die Razzia gegen linke Projekte, bei der am Mittwoch mehr als 40 Objekte in sechs Bundesländern durchsucht worden waren, ist von der Opposition als unverhältnismäßig kritisiert worden. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, es sei »schon ein richtiger Hammer, Gegner des G 8-Gipfels oder globalisierungskritische Menschen in die Terrorismusecke zu stellen«. Sophie Dieckmann vom Vorstand des Uni-Verbandes Die Linke.SDS nannte die Durchsuchung einen »gezielten Versuch der Demobilisierung der G 8-Proteste«. Die Rechtfertigung der Polizei überzeuge sie nicht.

Bundesanwaltschaft und Polizei hatten die Razzia mit Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer »terroristischen Vereinigung« nach Paragraf 129a Strafgesetzbuch begründet. In der Vergangenheit war es mehrfach zu Brandanschlägen und Sachbeschädigungen gekommen, in Bekennerschreiben war dabei auch Kritik an den G 8 geäußert worden.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach verteidigte die Polizeiaktion: Es gelte, gegen gewaltbereiten Extremismus entschieden vorzugehen. Kritik, die Razzia sei unverhältnismäßig gewesen, wies der CDU-Politiker zurück. »Wenn es gegen Rechtsradikale geht, habe ich noch nie gehört, dass jemand sagt, Achtung, Warnung, Verhältnismäßigkeitsprinzip achten, nicht so massiv vorgehen.« Auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz befürwortete den Einsatz. Der Chef der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg, warnte pauschal vor der radikalen Linken. Der so genannte Extremismus hätte »eine ganz neue Dimension« erreicht, sagte Freiberg der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Wiefelspütz wies dies zurück: »Ich kann nicht erkennen, dass sich substanziell etwas verändert«, zitiert ihn die »Mitteldeutsche Zeitung«.

Derweil mehren sich Anzeichen dafür, dass die Razzia eher den Charakter einer Warnung gehabt haben könnte. Der »Spiegel« zitierte einen auf Seiten der Polizei Beteiligten mit den Worten: »Wir haben in den Busch geschossen, nun sehen wir weiter, was und wer sich dort bewegt.« Sicherheitskräfte sollen zudem erklärt haben, man habe mit der Razzia »Flagge zeigen« wollen. Diese Lesart hält auch der grüne Politiker Christian Ströbele für denkbar. Die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Petra Pau sagte, die Razzia sei offenbar »eine pure Drohgebärde des Staates«. Zeitlich fällt die Durchsuchung zudem mit einem seit Wochen angekündigten »Aktionsmonat« autonomer Gruppen zusammen, der gestern beginnen sollte. In einer Broschüre wird dabei zu einer Art militantem Wettbewerb aufgerufen. Gesucht werde die Stadt »mit den meisten Sachbeschädigungen«.

Bereits am Mittwochabend war es in zahlreichen Städten zu spontanen Protesten gegen die Durchsuchung gekommen. In Berlin gingen weit mehr als 3000 Menschen auf die Straße, Teilnehmer sprachen von »einer der besten Demos seit langem«. In Hamburg kam es nach Protesten mehrerer tausend Menschen zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Demonstrationen fanden unter anderem in Rostock, Jena, Leipzig, Hannover, Kiel, Marburg und in Amsterdam statt. In Göttingen versammelten sich rund 250 Menschen. Nach einem angeblichen Biss in einen Polizeifinger wurden auch hier mehrere Menschen von der Polizei festgenommen. »Die waren sehr aggressiv und ganz offensichtlich auf Krawall aus«, sagte eine Passantin.

Offenbar rücken die Kritiker des G 8-Gipfels nach der Razzia enger zusammen. Den Versuch der Spaltung »in ›gute‹ Gipfelgegner und ›Terroristen‹« mache man nicht mit, so SDS-Vorständlerin Dieckmann. Von der Razzia Betroffene in Berlin erklärten, man werde nun »erst recht zu den Protesten mobilisieren« und freue sich »über den zusätzlichen Schwung, den die Aktion der Bundesanwaltschaft« den G 8-Kritikern verliehen habe.

Unterdessen wurde bekannt, dass der für den 7. Juni geplante Sternmarsch von Gipfel-Kritikern keine Erlaubnis der Polizei erhält. Der Anmelder kündigte an, nach Eingang des Verbotsbescheides eine Eil-Klage einzureichen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel.asp?AID=109560&IDC=16