|
Knallhart linksTagesspiegel10. Mai 2007 Von Frank Jansen Deutsche Verfassungsschützer unterscheiden grundsätzlich zwischen drei verschiedenen Gruppen von Linksextremen: Als eine Kategorie gelten „Marxisten-Leninisten und anderer revolutionärer Marxisten“. Im vergangenen Jahr wurden 25 000 Anhänger der Ideen von Marx und Lenin gezählt, 400 weniger als im Jahr zuvor. Das Spektrum bröckelt schon seit Jahren. Der Verfassungsschutz zählt auch linksextreme Gruppierungen der Linkspartei/PDS wie die „Kommunistische Plattform“ dazu. Das Spektrum insgesamt, zu dem auch Maoisten und Trotzkisten zählen, gilt nicht als gewaltbereit – trotz rigider Propaganda gegen den Kapitalismus. Als zweite Kategorie führen mehrere Verfassungsschutzbehörden dann die – eigentlich bieder und friedlich wirkende – Linkspartei selbst mit ihren 61 300 Mitgliedern auf. Der Partei wird allerdings ein „ambivalentes Erscheinungsbild“ attestiert. Es sei davon auszugehen, „dass nicht alle Mitglieder linksextremistische Ziele verfolgen oder unterstützen“. Mit Sorge beobachten die Sicherheitsbehörden schließlich eine Zunahme in der dritten Gruppe, dem zur Militanz neigenden Spektrum. Das Potenzial der „Autonomen und sonstigen gewaltbereiten Linksextremisten“ sei im vergangenen Jahr bundesweit um 500 Personen auf 6000 gewachsen. Damit wurde erstmals seit 2002 ein deutlicher Anstieg registriert. Und wie jedes Jahr betonen Verfassungsschützer auch diesmal, das „Mobilisierungspotenzial der Szene“ umfasse zusätzlich „mehrere tausend Personen“. Das Milieu ist jedoch stark zerstritten. Eine Bruchlinie verläuft zwischen pro-israelischen „Anti-Deutschen“ und pro-palästinensischen Widersachern. Wie gewalttätig sind die Linksextremen? Seit Juli 2005 registrierten die Sicherheitsbehörden 25 Anschläge, die der militanten Kampagne gegen den G-8-Gipfel zugerechnet werden. Aber auch abgesehen von Anschlägen bleibt die Gewaltbereitschaft in Teilen der linken Szene hoch. Im vergangenen Jahr stellte die Polizei bundesweit 1209 linke Gewaltdelikte fest, 2005 waren es 1240. Die Gesamtzahl aller linken Straftaten ist aber um 9,5 Prozent auf 5363 gestiegen. Trotz der Bereitschaft zur militanten Aktion sei die extreme Linke „meilenweit entfernt“ vom Terrorismus nach dem Muster der „Roten Armee Fraktion“, sagen Sicherheitsexperten. Es sei in Deutschland keine Gruppierung zu erkennen, „die die Entführung und Ermordung“ von Personen anstrebt. Andererseits gelten auch die vielen Brandanschläge der „militanten gruppe (mg)“ und anderer autonomer Zellen als terroristische Aktionen. Bei der von Berlin aus agierenden „militanten gruppe“ wird sogar nicht ausgeschlossen, dass es sich um Reste der alten Unterstützerstrukturen von RAF, „Bewegung 2. Juni“ oder der Feierabendterroristen der „Revolutionären Zellen“ handeln könnte. Mitglieder der „mg“ wurden bisher nicht gefasst. Die Gruppe ist seit 2001 aktiv und hat mit anonymen Erklärungen versucht, in der autonomen Szene eine Debatte über gezielte Angriffe auf Personen in Gang zu bringen. Die Resonanz war bescheiden. Auch den jüngeren Autonomen sei bewusst, „dass die RAF ihren Krieg verloren hat“, sagt ein Experte. Es scheint der „mg“ aber zu gelingen, andere Kleingruppen zu Anschlägen zu animieren, vor allem in Hamburg. Dort sind Terrortrüppchen aktiv, die sich makaberen Namen wie „Unheilige Allianz Dammbruch“ geben. Daneben gibt es die „no-name-Militanz“. Nach mehreren Anschlägen, die Polizei und Verfassungsschutz zur militanten Kampagne gegen den G-8-Gipfel zählen, blieben die Täter stumm. Welche Rolle spielt die aktuelle RAF-Debatte in der Szene? Bei der „Revolutionären 1.Mai-Demonstration“ im Berliner Stadtteil Kreuzberg forderten Linksextremisten „Freiheit für Christian Klar“. Entsprechende Transparente sind beispielsweise auch in München aufgetaucht. Das autonome Spektrum stilisiere Klar zur Ikone, sagt ein Sicherheitsexperte. Die Szene suche offenbar einen „deutschen Che Guevara“, der als Symbolfigur die zerstrittenen Gruppen einen könne. Aber auch andere Ex-Terroristen werden als Veteranen verehrt, wie auch bei der Mai-Demo in Kreuzberg zu beobachten war. Tausende junge Autonome beklatschten Ralf Reinders, der 1975 als Mitglied der „Bewegung 2. Juni“ an der Entführung des damaligen Berliner CDU-Chefs Peter Lorenz beteiligt war. Reinders stellte bei seiner Ansprache in Frage, dass die von der RAF ermordeten Siegfried Buback und Hanns Martin Schleyer Opfer waren. Beim Demo-Zug selbst hakte sich vorne im schwarzen Block die frühere RAF-Terroristen Inge Viett ein. Droht nun im Vorfeld des G -8-Gipfels eine neue Gefahr von den Linksextremen? Es seien weitere Anschläge zu erwarten, sagen Sicherheitsexperten. Aber die linke Szene habe Probleme, genügend Anhänger für die geplanten großen Proteste gegen den G-8-Gipfel zu gewinnen. Unverdrossen werben jedoch drei bundesweite Allianzen radikaler Gruppen – die „Interventionistische Linke“, das „Revolutionäre G-8-Bündnis“ und „Dissent!“ für eine massive Störung des Treffens der Staats- und Regierungschefs in Heiligendamm. Sollte es, so fürchten Experten, bei den Protesten zu schweren Zusammenstöße kommen (wie 2001 bei den Krawallen am Rande des G-8-Gipfels in Genua) würden sich viele junge Autonome weiter radikalisieren. Im Rahmen der Proteste gegen den G-8-Gipfel kam es bisher zu mehreren Anschlägen: 22. April 2007, Berlin: Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge (Mercedes- Benz, Skoda), Flyer mit G-8-Bezug am Tatort gefunden. Keine Taterklärung. 24. März 2007, Berlin: Brandanschlag auf zwei Autos einer PR-Agentur, Farbschmierereien mit G-8-Bezug am Firmensitz, keine Taterklärung. 6. März 2007, Berlin: Versuchter Brandanschlag auf ein Gebäude der Firma Dussmann. Taterklärung von „Autonomen Gruppen“. 23. Februar 2007, Hamburg: Brandanschlag auf vier Autos der Firma Dussmann. Taterklärung ohne Gruppenbezeichnung. 26. Januar 2007, Hamburg: Brandanschlag auf ein Firmenauto von ThyssenKrupp. Taterklärung von „Revolutionäre Anti-Militaristische AktivistInnen Butter bei die Fische“. 15. Januar 2007, Oranienburg: Brandanschlag auf zwei Autos der Bundespolizei, Taterklärung durch „militante gruppe“. 26. Dezember 2006, Hamburg: Brandanschlag auf Auto von Thomas Mirow, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Erklärung von „AG gegen Kolonialismus und Krieg in der militanten Anti-G-8-Kampagne.“ 26. Dezember 2006, Berlin: Brandanschlag auf ein Firmenauto von Vattenfall. Taterklärung ohne Gruppennennung.Tsp |
Move / Posters / FotosSuchen |