Am 19. Mai wollen wir mit euch gemeinsam in Göttingen gegen den Kapitalismus und all die damit verbundenen Schweinereien demonstrieren. Die zeitliche Nähe zum G8-Gipfel in Heiligendamm ist dabei kein Zufall, aber auch nicht alleiniger Grund. Das wir kurze Zeit vor dem Gipfel zum demonstrieren aufrufen soll dabei verdeutlichen, dass es wichtig und richtig ist Protest zu artikulieren, aber dieser nicht auf den Gipfel beschränkt sein und keineswegs dort aufhören darf.
Forderungen nach realen Lebensverbesserungen können wir natürlich etwas abgewinnen. Allerdings sind wir der Meinung dass diese häufig nicht das grundsätzliche Problem und damit auch die Ursache des Elends, den vermaledeiten Kapitalismus, im Auge behalten. Bei diesem handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Verhältnis, dem alle überall unterworfen sind. Gerade deshalb ist es nötig unsere Kritik nicht nur in Heiligendamm zu formulieren. Wir sind davon überzeugt, dass sich dieses System nicht zum Guten wenden lässt. Von daher geht es uns ums Ganze, was nichts geringeres als die Abschaffung des falschen Ganzen bedeutet. Nur so lässt sich die Ausbeutung, Entfremdung und Verdinglichung der menschlichen Existenz aufheben um stattdessen ein schönes und selbstbestimmtes Leben für alle Menschen zu ermöglichen.
Alle reden von Heiligendamm, wir auch
Vom 2. bis zum 8. Juni findet im Luxushotel Kempinski in Heiligendamm das Treffen der G8 statt. Vertreter und Vertreterinnen der sieben größten Industrienationen und Russlands kommen zusammen, um was eigentlich genau zu tun? Wenn es nur um gutes Essen und Eliteattitüde ginge, müsste sicherlich kein Zaun gebaut werden, von dem keineR weiß, ob er der Kracher in der nächsten „Ostalgieshow“ auf Sat. 1 wäre oder nur die heimlichen Phantasien von Wolfgang Schäuble befriedigen soll. Wenn sowohl die Herrschenden, als auch die Protestler einen solchen Wind machen, muss richtig was im Busch sein.
Zwar ist das Thema G8-Treffen im Moment sehr häufig in den Medien, jedoch trifft das größtenteils nicht auf das eigentliche Programm oder die genaue Funktion solcher Treffen zu.
„Die reden über Afrika und den Klimaschutz.“ ist vermutlich die Antwort, die interessierte ZeitungsleserInnen am ehesten geben würden. Ein Blick auf die Homepage der Bundes-regierung hilft auch nur begrenzt weiter. In der dort vorgestellten Agenda gibt es Formulierungen wie „Neue Impulse beim Austausch über Strategien zum Abbau der globalen Ungleichgewichte“, „Austausch über Maßnahmen zur Verbesserung der systemischen Stabilität und Transparenz der Finanz- und Kapitalmärkte“ oder „Bekenntnis der G8 zur Investitionsfreiheit in Industrie- und Schwellenländern“.
Jetzt wissen wir natürlich genau was in Heiligendamm passieren wird, oder doch nicht?
Aus diesen bedeutungsschwanger klingenden Zitaten ist vor allem eins herauszulesen:
Das G8-Treffen ist kein Ort, an dem hauptsächlich konkrete Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen im Kapitalismus getroffen werden und die nächste Sanierung der Fabrikkantine gestrichen wird. Vielmehr handelt es sich um eine informelle Plattform, beziehungsweise ein Koordinierungstreffen zum Austausch über Themen, die von den teilnehmenden Staaten als besonders wichtig erachtet werden. Das Treffen der G8 ist also für die teilnehmenden Staaten ungefähr das, was für Linke ihr WG-Talk ist, nur das es sich nicht um ein Treffen von harmlose MitbewohnerInnen handelt, sondern um das Treffen der einflussreichsten Industrienationen. Diese verfügen als Träger bürgerlicher Herrschaft über ziemlich umfangreiche Gewaltapparate, um ihre jeweiligen nationalen (Kapital-)Interessen nach Außen gegen mögliche Widerstände anderer Staaten und Akteure durchzusetzen. Beliebte Mittel sind beispielsweise Strafzölle auf bestimmte Waren, wie Bananen, aus anderen Ländern oder Einflussnahme durch wirtschaftliche Regularien und politische Ausschlusskriterien, durch die Koppelung von Vergünstigungen an Forderungen. Solche Beziehungen sind immer Machtbeziehungen. Zwischenstaatliche Verhältnisse sind daher immer auch von gewalttätiger Natur, trotz noch so vieler internationalen Verträge.
It’s all about the game
Mitnichten handelt es sich beim Treffen der Gruppe der Acht also um eine Schaltstelle des globalen Kapitalismus. Die Vorstellung einer solchen Institution ist falsch. Auch wenn beispielsweise die Strukturprogramme der Weltbank IWF deutlich mehr Einfluss haben, als die Koordinierung der G8, so ist trotzdem nicht von einem Regierungsorgan zu sprechen. Vielmehr werden hier Regulierungsfunktionen wahrgenommen.
Der Kapitalismus, als Ganzes, besitzt keine Planungsinstanz, sondern funktioniert über nichtpersonale Herrschaft und die Gesetze des Marktes, als stummer Zwang der Verhältnisse.
Zwar gibt es Personen, beispielsweise Unternehmer für Sahnetorten, die mehr Macht als andere haben, allerdings besitzen sie diese Macht nur, wenn sie als Charaktermasken des Kapitals dessen Akkumulation vorantreiben. Das geschieht durch die „Anwendung“ von vorher angeworbenen Arbeitskräften zur Mehrwertproduktion und damit zur Profitmaximierung. So kauft unser Unternehmer für Sahnetorten Arbeitskräfte, denen er die notwendigen Utensilien zur Herstellung von Sahnetorten zur Verfügung stellt. Die ArbeiterInnen produzieren einen Wert, der über dem ihrer eigenen Arbeitskraft liegt, den Mehrwert. Die hergestellten Sahnetorten werden als Waren verkauft um so den produzierten Mehrwert zu realisieren.
Die meisten Menschen müssen ihre Arbeitskraft genau zu jenem Zwecke der Mehrwertproduktion verkaufen, um sich gesellschaftlich reproduzieren zu können. Das eigene Überleben ist an die Unterwerfung unter die kapitalistischen Verkehrsformen, wie Lohnarbeit, Warentausch und bürgerliche Staatlichkeit– mehr in Westeuropa und den USA und weniger in Teilen des Trikont– geknüpft. Das gilt beide Seiten des Kapitals, also die Kapitalisten, als auch die ArbeiterInnen.
Sowohl die ArbeiterInnen, als auch die Kapitalisten üben also gesellschaftliche Funktionen des Kapitals– das als automatisches Subjekt funktioniert– aus und folgen nicht primär ihrem eigenen Willen, sondern gesellschaftlichen Strukturen, auch wenn es verlockender scheint, Kapitalist anstatt Arbeiter zu sein. Zudem werden die gesellschaftlichen Machtpositionen ideologisch noch überhöht und als eigentliche Orte der Reichtumsproduktion verklärt. Deshalb habe die Gesellschaft den Bedürfnissen des Kapitals stets nachzukommen. Eine Einschränkung der Bedürfnisse des Kapitals erscheint vom kapitalistischen Standpunkt aus als genauso unmoralisch und verwerflich, wie es dem reaktionären Kardinal Mixa erscheinen muss, wenn Frauen arbeiten oder– Gott bewahre– Homosexuelle einander sogar heiraten können.
Der Gedanke etwas nicht zu riskieren ängstigt mich zu Tode
Wenn also der Kapitalismus ein gesellschaftliches Verhältnis nichtpersonal vermittelterer Herrschaft ist, dann kann es auch nicht den richtigen oder den falschen Ort geben um seine Aufhebung zu propagieren. Theoretisch ist der eine Ort so gut wie der andere und genauso der Termin. Der G8-Gipfel ist allerdings ein gesellschaftliches Event, in dessen Vorfeld auch immer über den Protest dagegen gesprochen wird. Außerdem ist davon auszugehen, dass rund um G8 das Interesse an radikaler Kapitalismuskritik größer als im sonstigen Alltag ist. Angesicht des alltäglichen, weltweiten Elends regte sich seit Ende der 1990er Jahren zunehmend Protest, der seit dem vornehmlich bei internationalen Großevents wie etwa den G8-Gipfeln anzutreffen ist. Begleitet wurden die Mobilisierungen auch immer von Debatten um den Kapitalismus. Auch wenn sich die Kritik der No-Globals meistens auf Neoliberalismus oder angeblich falsche Politik bezieht und Sozialstaatsromantik betrieben wird, so zeichnete sich erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges wieder eine größere Aufmerksamkeit für grundsätzliche Kapitalismuskritik ab. Diese Entwicklung stellt eine Selbstreflexion der bürgerlichen Gesellschaft dar und konfrontiert im wesentlichen das bestehende Elend mit den bürgerlichen Moralvorstellungen. Dabei schwingt leider auch einiges an reaktionären Positionen und Ressentiments mit.
So existiert zum Beispiel in der Antiglobalisierungsbewegung eine populäre Form angeblicher „Kapitalismuskritik“, die „raffgierige Kapitalisten“ oder Manager als „Blutsauger“ den „ehrlichen und produktiven Arbeitern“ gegenüberstellt, wobei letztere ausgesaugt werden würden. Eine solche Aufspaltung in gutes und böses Kapital forciert antisemitische Vorstellungen, weil sie sich Stereotype bedient wird, die historisch als eindeutig „jüdisch“ halluziniert werden.
Ein anderes häufig auftretendes Phänomen ist der Antiamerikanismus. Die Warnung vor „heuschreckigen Finanzunternehmen“ und Hedgefonds, wie es zum Beispiel Franz Müntefering betrieben hat oder die Warnung vor der angeblichen allegemeinen Skrupellosigkeit amerikanischer Konzerne schürt das Ressentiment gegen Amerika. Beliebt ist auch die Idealisierung von kleinen Betrieben, als „nicht so kapitalistisch“ gegenüber „hochkapitalistischen“, meist als amerikanisch ausgemachten, Großkonzernen. Häufig wird die Frontstellung eines „raubtierkapitalistischen Amerikas“ gegen ein „soziales und friedliches Europa“ beschworen, um letzteres schließlich als den besseren Kapitalismus dazustellen. Dabei ist es auch relativ egal, wie die Realität in Europa aussieht, wichtig ist nur das positive Identifikationsangebot. Dies dient der Konstruktion einer deutsch-europäischen Identität.
Die mediale Aufmerksamkeit bei Anlässen, wie G8-Gipfel in Heiligendamm stellt aber trotzdem auch eine bessere Ausgangssituation für linksradikale Kapitalismuskritiker dar. Auch wenn diese Aufmerksamkeit nicht überschätzt werden sollte, gilt es diese Chance nicht ungenutzt zu lassen– gerade aus der marginalisierten Position der radikalen Linken heraus. Wäre die radikale Linke mehr in einer Position der gesellschaftlichen Stärke, wären wir nicht auf den Medienrummel rund um Events wie G8-Treffen angewiesen, sondern könnten Ort und Zeit der politischen Auseinandersetzung häufiger selbst bestimmen.
Wenn es aber an sich keinen richtigen und keinen falschen Ort gibt, dann wäre es fatal sich nur auf den Gipfel Anfang Juni oder allenfalls die dazugehörigen Ministertreffen, wie zum Beispiel in Potsdam, zu beschränken. Das hieße den G8-Gipfel oder ähnliche Veranstaltungen zu überhöhen und tatsächlich zu einer Schaltstelle des globalen Kapitalismus, beziehungs-weise zum Urheber aller negativen Folgen des Kapitalismus, zu verklären.
Marketing für den Kommunismus und vor allem praktischer Widerstand gegen die alltäg-lichen Zumutungen im Kapitalismus muss immer und überall geleistet werden und kann sich auch nicht auf Rumjammern per Web 2.0 beschränken.
Aus diesem Grund wollen wir bereits im Vorfeld zu Heiligendamm in Göttingen demonstrie-ren um der Totalität des Kapitalismus praktisch Rechnung zu tragen und zu zeigen, dass sich linke Aktivitäten in Göttingen zu G8 nicht auf den tatsächlichen Gipfel beschränken:
Göttingen ist nicht Heilligendamm, uns doch egal!
Der Staat...
Als Souverän wird der alleinige Inhaber der gesellschaftlich anerkannten und damit legitimen Herrschaft bezeichnet. In den heutigen bürgerlich-demokratischen Gesellschaften wird die Gesamtheit der Bevölkerung eines Staates– im deutschen als „Volk“ bezeichnet– als Inhaber der Souveränität angenommen. Entsprechend lautet die rechtstheoretische, deutsche Formel: „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus“. Allerdings werde die Souveränität nicht direkt, sondern mittels parlamentarischer Repräsentation ausgeübt. Wenn von Souverän gesprochen wird, ist damit die anerkannte Institution der „Volksvertretung“, die Regierung, gemeint, die die Staatsgewalt inne hat.
Auf der gesellschaftlichen Ebene ist es die Aufgabe des staatlichen Souveräns die Konkurrenz unter den Warenbesitzern, als dominante Form gesellschaftlicher Vermittlung, in gesetzliche Bahnen zu lenken.
So wie der Schiedsrichter beim Eishockey dafür zu sorgen hat, dass die ganze Veranstaltung nicht komplett aus dem Ruder läuft. Als wesentlichen Funktionen des Staates werden dementsprechend häufig die Garantierung von „Ruhe und Ordnung und die Stiftung von Gemeinschaftlichkeit genannt. Seine Aufgaben erfüllt der bürgerliche Staat mit Hilfe seines Gewaltmonopols und seiner ideologischen Legitimierung, indem er dafür Sorge trägt, dass die bürgerliche Eigentumsordnung, die Akkumulation von Kapital und der freie Warentausch ohne Störungen vonstatten gehen können. Deshalb geht er potentiell gegen alle vor, die den reibungslosen Ablauf der Verwertung des Werts, der Mehrwertproduktion, behindern oder behindern könnten. Weil der Staat den Frieden bewahren würde, wurde und wird seine Rolle in der Vergangenheit und Gegenwart immer wieder als nötig und positiv aufgefasst.
Analogien des Souveräns mit einem Familienvater, als einer vermeintlich „natürlichen Autorität“, waren früher besonders gut dazu geeignet, den positiven Bezug der Untertanen mit ihrem Fürsten zu begründen. Heute soll der Souverän nicht mehr als Vater, sondern als Repräsentant aller Staatsbürger und deren Vertreter gelten. Nicht Unterwerfung unter eine fremde Macht, sondern Identifikation mit dem Souverän lautet nun die Devise.
International auf der Staatenebene kann keine vergleichbare Institution, wie eine supranationale Regierung, existieren. Hier leben nämlich nicht Menschen in einem gesellschaftlichen Kontext miteinander, die und auch ein Interesse am gesellschaftlichen Zusammenschluss haben. Stattdessen treffen Nationalstaaten aufeinander, deren wesentliche Funktionsbestimmung als ideelle Gesamtkapitalisten, die Durchsetzungen ihrer nationalen Interessen, ist. Nichtkapitalistische Momente und Strukturen, wie zum Beispiel Familien oder soziale Milieus, egal ob tendenziell emanzipatorisch oder reaktionär, die für den gesellschaft-lichen Zusammenhalt unabdingbar sind, sind auf der Ebene der Staaten so nicht vorhanden.
Dementsprechend kann auch das Verhältnis von Staaten zueinander nicht mit dem von bürgerlichen Individuen zueinander gleichgesetzt werden. Von ähnlichen Vorstellungen gehen zum Beispiel Leute auf, die eine solidarische Gesellschaft, einen fairen Wettbewerb oder einen gerechten Umgang unter Staaten einfordern, ohne ein Wort über die grundsätzliche Logik des Kapitalismus und bürgerlicher Staaten zu verlieren.
Die am G8-Gipfel teilnehmenden Staaten sind aufgrund ihrer ökonomischen und welt-politischen Machtspositionen besonders gut dazu in der Lage ihre jeweiligen Interessen und bevorzugten Konzepte, zum Beispiel im Hinblick auf die Entwicklung in Afrika, durchzusetzen. Am besten geht das, wenn sie untereinander ihre Interessen auf mögliche Übereinstimmungen abstimmen und mögliche Konflikte und Krisen unterbinden können. Die Folgen der internationalen kapitalistischen Konkurrenz wie Kriege, Ausbeutung, Umweltzerstörung, etc. sind dabei nicht mehr zu ignorieren, obwohl der ideologische Anspruch der bürgerlichen Gesellschaft kapitalistische Glückseligkeit und allgemeinen Wohlstand durch die kapitalistische Wirtschaftsform verkündet. Deshalb wird bei Treffen wie dem G8 neuerdings verstärkt auch die Situation der sogenannten Entwicklungsländern diskutiert.
Das Sein verstimmt das Bewusstsein
Eigentlich kommt dies einem Dementi des bürgerlichen Glücksversprechens des Kapitalismus und damit einer strukturellen Selbstkritik desselben nahe. Allerdings wird diese Entwicklung zu einer noch effektiveren marktwirtschaftlichen Durchdringung der betreffenden Länder umgemünzt. Ein Mangel an kapitalistischer Ausbeutung wird dann zur Ursache der bestehenden Missstände erklärt. So als seien ausschließlich die Taliban und Al Qaida oder allenfalls noch ein paar egoistische Konzernmanager dafür verantwortlich, dass sich nicht alle Menschen in Afghanistan den neuesten Mercedes oder wenigstens einen Smart leisten können. Gleiches gilt für den Anspruch, dass Kapitalismus dauerhaften Frieden bringen würde. [Einfügung: villeicht]
Auf der Ebene des unmittelbaren Bewusstseins ist eine solche Vorstellung durchaus
nachvollziehbar, weil hier der Kapitalfetischismus herrscht. Das Verhältnis des Kapitalfetischismus als Gedankenform zum Kapital selber, entspricht in etwa dem eines Schuhfetischisten zu einem paar hochhackigen Pömps. Dem Kapital, als Ding, scheint notwendigerweise die Macht zuzukommen, gesellschaftlichen Reichtum aus dem Nichts zu erschaffen– nur dass die Begeisterung hier nicht sexueller Natur ist. Das zugrunde liegende gesellschaftliche Verhältnis erscheint jedenfalls nicht mehr als ein von Menschen gemachtes.
Das unmittelbare Bewusstsein ist notwendig falsch und in die bürgerliche Ideologie genauso tief verstrickt, wie eine Fliege in ein Spinnennetz, nur ohne Spinne. Wenn die bestehenden Verhältnisse nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, bleiben auch die Lösungs-vorschläge immanent und verkürzt. Außerdem gibt es innerhalb des Kapitalismus nur eine Sache die schlimmer ist als ausgebeutet zu werden, nämlich nicht ausgebeutet zu werden. Zumindest gilt das, wenn Lohnarbeit die einzige Möglichkeit ist, sich in den bestehenden Verhältnissen zu reproduzieren, was für die große Mehrheit zutrifft. Das ist der rationale Kern, der geistigen Reaktionen auf, ein an sich irrationales System. Die weltweite Etablierung kapitalistischer Wirtschaftsorganisation erscheint daher als sinnvolle Voraussetzung für Abschaffung von Not und Elend. Jedoch zeigt ein kurzer Blick in die Logik des Kapitalismus, wie bereits dargelegt, dass sich der bestehende kapitalistische Reichtum nur durch die Ausbeutung von Arbeitskraft und den Raubbau an den natürlichen Ressourcen geschaffen werden kann.
Diese kapitalistische Form der Reichtumsproduktion trennt diejenigen, die Arbeit leisten, notwendiger Weise von den Produkten ihrer Arbeit und damit die Mehrheit im Kapitalismus von der Möglichkeit den gesellschaftlich produzierten Reichtum für sich zu realisieren. Materielle, gesellschaftliche, politische Ungleichheit und Armut drücken also kein Versagen des Kapitalismus, sondern sein effektives Funktionieren aus. Das Glücksversprechen des Kapitalismus ist an die Warenform und Lohnarbeit gekettet und das „Glück“ damit notwendigerweise verkümmert. Allerdings besteht nicht einmal innerhalb der führenden Industrienationen, die Möglichkeit, für die Mehrheit der Bevölkerung, das kapitalistische kulturindustriell strukturierte „Glück“ dauerhaft zu haben.
Only one solution: revolution
Auch auf Staatenebene führt die kapitalistische Konkurrenz zu unterschiedlichen Machtverhältnissen. Historisch war beispielsweise die Ungleichheit zwischen den westlichen Industrienationen und den Ländern der sogenannten Dritten Welt– die ihre Wurzeln im Kolonialismus hat– nach dem 2. Weltkrieg ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg der Industrienationen. Setzte doch die „goldene Ära“ der Nachkriegszeit in den 1950er und 60er Jahren den Zugang zu möglichst billigen Rohstoffen voraus.
Ungleicher internationaler Tausch war und ist eine Realität. Allerdings ist es falsch, die Kritik auf die Ungleichheit oder die mächtigen Staaten zu reduzieren. Denn trotz aller gegenteiliger Behauptungen entspricht es der Logik von Nationalstaaten, jegliche Vorteile in der Staatenkonkurrenz auszunutzen, auch wenn diese durch internationale Verträge, Ab-machungen und Institutionen begrenzt wird. Sowohl die mächtigeren Staaten, als auch die weniger mächtigen Staaten, sind also der Logik der internationalen kapitalistischen Konkurrenz unterworfen, die im Prinzip unabhängig von ihren einzelnen Willen funktioniert; unabhängig im Prinzip, weil die Gestaltung der Rahmenbedingungen der Konkurrenz letztlich von dem Handeln der Gesamtheit der Staaten abhängt.
Antikapitalistische Kritik und Praxis darf bei aller Notwendigkeit, das alltägliche Elend zu bekämpfen, nicht die Kritik der herrschenden Unvernunft des falschen Ganze, mit dem Namen Kapitalismus außer Acht lassen. Vor allem muss sie die systematische Logik des Kapitals ins Visier nehmen. Ebenso wenig darf auf die Kritik an reaktionären Ideologien wie Rassismus, Sexismus, Antisemitismus oder Nationalismus u.ä. verzichtet werden. Denn erst die Verbindung von alltäglichen Kämpfen mit radikaler Kritik kann die Möglichkeit einer Emanzipation von Staat, Nation und Kapital eröffnen. Aus diesem Grund beteiligen wir, die redical [M]- antifaschistische Gruppe Göttingen, uns an dem bundesweiten Ums-Ganze-Bündnis linksradikaler Gruppen. Dieser Zusammenschluss ist der Auffassung, dass es nicht reicht verschiedene einzelne Verbesserungsforderungen oder –vorschläge aufzustellen, so dringend notwendig und berechtigt sie auch sind. Ohne dabei das unmittelbare Elend aus Blick und den Bezug zu den alltäglichen Kämpfen zu verlieren, ist es aber auch notwendig, die Skandalisierung des Kapitalismus als unvernünftigen und falschen Ganzen zu betreiben.
Dafür gilt es tagtäglich einzutreten und auch auf die Straße zu gehen, wie bereits in Berlin am 30. April, in Göttingen am 19. Mai, in Rostock am 2. Juni und bei jeder sich bietenden Gelegenheit. In diesem Sinne
Fight the G8-summit, Smash capitalism,
Everywhere, Every time
Für den Kommunismus
Redical [M]
Mai 2007