mv-regio 10. April 2007
Heiligendamm/Rostock/MVregio Gut neun Wochen vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands zeichnen sich erste Konturen des Sicherheitskonzepts ab,
Details bleiben aber weiter unbekannt, denn die G8-Polizeitruppe Kavala lässt sich naturgemäß ungern in die Karten schauen.
Ein Beweis dafür, dass der Gipfel absolut störungsfrei ablaufen soll, ist der rund 13 Kilometer lange, zweieinhalb Meter hohe, mit Stacheldraht bewehrte und mit Kameras sowie Bewegungsmeldern ausgerüstete Zaun rund um den Tagungsort. Das vorübergehende 12,5 Millionen Euro teure Wahrzeichen der Region soll das innen liegende Gelände ab dem 30. Mai für die folgenden Tage zu einem der sichersten Plätze in ganz Europa werden lassen. Die Polizei wird mit einem großen Teil der rund 16 000 Beamten aus ganz Deutschland versuchen, die Annäherung an den Zaun zu verhindern. Auf dieses streitbare Bauwerk, welches für sie "das Symbol der Abschottung der G8 gegen den Rest der Welt" ist, haben es die 100 000 erwarteten Gipfelgegner vorrangig abgesehen, und daraus machen sie keinen Hehl. Auch sie haben einen Einsatzstab gegründet, der ähnlich wie bei der Polizei hinter verschlossenen Türen Strategien ausarbeitet, plant und organisiert.
Zusätzlich wollen G8-Gegner das Treffen mit massiven Blockaden stören. "Wir wissen, dass wir die Anreise der hochrangigen Delegationen nicht verhindern können, die kommen mit Helikoptern. Es reicht uns, tausende internationale Regierungsangestellte am Zugang der Tagungsstätten zu hindern", hieß es aus dem Block der G8-Gegner. "Blockaden werden wir nicht dulden", so der kurze Kommentar von Kavala-Chef Knut Abramowski. Was die Gipfelgegner nicht in ihrer Zuversicht hindert - schon seien mobile Teams unterwegs, das Gelände zu erkunden. Auch in den Wäldern rund um die Kreisstadt Bad Doberan sind in letzter Zeit erstaunlich viele junge Leute zu sehen die offensichtlich nicht zu den Einwohnern des Landkreises zählen.
Die Einwohner von Bad Doberan, einer Kleinstadt (Foto Polizeiinspektion DBR) im unmittelbaren Bereich von Heiligendamm, werden bei diesem Kräftemessen mit erheblichen Einschränkungen, wenn nicht sogar mit einer kompletten Abriegelung in Richtung Tagungsort zu rechnen haben. Solche nicht unbegründeten Vermutungen wurden von Seiten der Polizei bisher immer als Gerüchte abgetan und dementiert, ein Sicherheitskonzept ohne die komplette Abrieglung der Kreisstadt und deren Umland wäre aber ein fataler Fehler, kommentieren Sicherheitsexperten dieses Dementi. Möglicherweise werde die Bevölkerung erst ganz kurz vor dem Gipfel über die endgültige Strategie informiert, wobei eine unvorhergesehene besondere Gefahrenlage kurz vor Gipfelbeginn eine Argumentationshilfe sein würde, um die Maßnahmen zu rechtfertigen, so ein Experte.
Deutliches Anzeichen für die wachsende (Polizeikolonnen in DBR) Nervosität bei allen Sicherheitskräften sind eine in den letzten Tagen vermehrte zivile Polizeipräsenz und ein verstärktes Auftreten von bemüht unauffällig wirkenden und übereifrig fotografierenden Sicherheitsbeamten in Bad Doberan. Bei den erschwerten Sicherheitsbestimmungen kann es sich wohl kaum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt um so zahlreich angereiste Urlauber handeln…
Die Weitläufigkeit der mecklenburgischen Landschaft erschwert die Polizeiarbeit gewaltig. So sind es gute 550 Kilometer von Heiligendamm zum wichtigen Flughafen Rostock-Laage, 20 Kilometer durch teils schwer begehbares und unübersichtliches Gelände nach Rostock. Dort werden beispielsweise am Samstag vor dem Gipfel mehrere 10 000 Menschen zu einer Demonstration erwartet. Immer noch ist völlig ungeklärt, wo sie untergebracht werden. Ohne große öffentliche Beachtung ist dagegen die see- oder luftseitige Sicherung des Gipfels. So wird während des Treffens eine Luftsperrzone mit einem Radius von 50 Kilometer um den Tagungsort eingerichtet. Dieser darf von internationalen Jets in zehn Kilometern Höhe überflogen werden, sagt Abramowksi. Ein Kleinflugzeug soll aber keine Chance haben, sich zu nähern. In dem Zusammenhang wird es auch ein komplette Überwachung des gesamten Telekommunikationssystem in Mecklenburg-Vorpommern geben. Eine aus den US angeforderte Fregatte soll mit dem neusten technischen Standard für das Abhören und Überwachen von Telefon, Funkverkehr und Internet ausgerüstet sein, berichtete die Ostsee-Zeitung und behauptete weiter, es werde wohl eine komplette Überwachung des Großraumes Heiligendamm, Kreis Doberan und Rostock geben.
Die Abhörtechnik an Bord dieser Fregatte ist Experten zufolge in der Lage, ein Gespräch von 5 km Entfernung in einem Wohnzimmer abzuhören. In wie weit solche Methoden von dem Deutschen Grundgesetz abgedeckt sind wird von Staatsrechtlern bezweifelt. Ebenso ist zweifelhaft in welcher Form der Einsatz der Bundeswehr, die mit ca 2000 Soldaten der verschiedensten Einheiten den Gipfel absichern sollen, vom Grundgesetz gedeckt ist. Seeseitig wird zunächst von Mitte Mai an direkt um Heiligendamm ein kleineres Seesperrgebiet eingerichtet. Vom 3. Juni an gibt es dann ein großes Sperrgebiet mit einer Ost-West-Ausbreitung von knapp 21 Kilometern Länge, das bis zu elf Kilometer in die Ostsee hineinreicht. Außerhalb des kleinen Sperrgebietes gebe es kein Badeverbot, auch das Angeln von Seebrücken sei erlaubt. "Aber das Fischen vom Boot aus ist nicht gestattet", betont Kavala-Chef Abramowski.
Mit großer Sicherheit bekommt die Polizei bei der see- und luftseitigen Überwachung Hilfe von den USA. Ein Marineverband der amerikanischen Seestreitkräfte soll voll ausgerüstet Mitte Mai vor Heiligendamm einlaufen und dann im dortigen Seegebiet kreuzen. Ob sich in dem Verband auch ein Flugzeugträger befindet, wurde weder von der Polizei als auch von amerikanischen Stellen bestätigt, seltsamerweise aber auch nicht dementiert. Der Chef der Kavala-Einsatztruppe verweist bei neugierigen Fragen immer auf die mehr als gute Zusammenarbeit zwischen der deutschen Polizei und den Sicherheitsdiensten der übrigen G8-Länder, auch bei der Gipfelsicherung auf dem Land.
Auch die 4 Krankenhäuser in Rostock und Bad Doberan sind gut gerüstet. So sollen nach Informationen von MVregio News etwa 300 Betten für Notfälle von den Kliniken für die Dauer des Gipfels bereitgehalten werden. Der ärztliche Direktor der Rostocker Universitätsklinik Professor Peter Stuff-Werner zu MVregio News: "Wir halten keine Betten frei, aber wir stocken auf. Außerdem decken wir uns mit Klinikmaterial vorab ein, da wir von Lieferschwierigkeiten während des Gipfel ausgehen". Der Leiter der Unfallchirurgie am Uniklinikum Rostock Dr. Thomas Mittlmeier erklärte, man habe aus London und Madrid gelernt und betonte, dass man mehr als gut vorbereitet sei. Die Bundeswehr plant, vermutlich in der Nähe von Heiligendamm, auf jeden Fall an leicht erreichbarer Stelle, ein mobiles Lazarett einzurichten.
Das nur wenige Kilometer vom Tagungsort entfernt liegende, modern ausgerüstete Kreiskrankenhaus Bad Doberan (Foto oben) genießt einen sehr guten Ruf und wird daher voraussichtlich eine Schlüsselrolle spielen, wenn es um eventuelle Notversorgung von Gipfelteilnehmern oder Staatsgästen geht.