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Erste schriftliche Platzverweise Heiligendammde.indymedia.org 11. April 2007 Beim Besuch von Heiligendamm werden seit kurzem auch schriftliche Platzverweise verteilt. Bericht über eine Platzverweiserteilung am Gründonnerstag. Wer sich den 12,5 Mio. Euro teuren G8-Zaun (Polizeijargon: “technische Sperre”) rund um Heiligendamm anschauen wollte, wurde in den letzten Wochen immer wieder Ziel polizeilicher Schikane-Aktionen. Offenbar rein nach Augenschein werden Menschen von der Polizei angehalten und zur Personalienabgabe gezwungen. Begleitet wird das meist von einem äußerst ruppigen Verhalten der eingesetzten PolizeibeamtInnen, dem offensichtlichem Fehlen jeglicher Rechtskenntnis der BeamtInnen und einem relativ aggressiv-autoritären Ton - mensch kennt das ja hinlänglich von deutschen UniformträgerInnen. Neben der Personalienaufnahme erfolgte dann stets ein recht vage gehaltener Platzverweis, der auch auf Nachfrage nicht räumlich und zeitlich konkretisiert, geschweige denn schriftlich fixiert wurde. Beispielhaft für viele Fälle wollen wir auf eine Zaunbesichtung am 25.03.2007 verweisen (http://www.de.indymedia.org/2007/03/171829.shtml sowie http://gipfelsoli.org/Repression/1124.html). Offenbar hat die Landespolizei M-V jetzt versucht, ihre Platzverweispraxis, die intellektuell wohl manche BeamtInnen überfordert hatte, rund um Heiligendamm zu verändern: Mittlerweile gibt es ein Standardformular (s. Bilddatei), das bei Platzverweisen zu Rate gezogen und den Betroffenen ausgehändigt werden soll. Unserer Kenntnis nach erstmalig zum Einsatz kam dieses Formular am Gründonnerstag. Am 06.04. trafen sich vier junge Leute zum Radeln in Bad Doberan. Ihr Ausflugsziel an diesem frühsommerlichen Tag war Heiligendamm. Nach etwa 5 km Radfahrt erreichten sie den Einlaß Galopprennbahn am G8-Zaun. Während alle anderen PassantInnen den “Kontrollpunkt” ohne jegliche Kontrolle passieren konnten, wurden die vier wenige Meter nach Passieren des Durchgangs von mehreren wild gestikulierenden Polizisten aufgehalten und zur Abgabe ihrer Personalien gezwungen. Auf die Frage, weshalb dies geschehe, wurde ihnen (juristisch wohl kaum haltbar) mitgeteilt, daß es sich um eine Überprüfung handele, ob die vier nicht evtl. “zur Fahndungs ausgeschrieben” seien. Den Vieren wurde ein Platzverweis angedroht, sollten sie noch einmal am Zaun aufgegriffen werden. Nach ihrem Sightseeing an der Strandpromenade in Heiligendamm wollten die Vier mit ihren Rädern am Strand entlang Richtung Börgerende aus dem umzäunten Gebiet wieder herausfahren. Doch jetzt wird es vollends skurril: Bei der Ausfahrt (!!!) dort am Zaun vorbei wurden die vier erneut von der Polizei festgehalten, auch diesmal mit einem unverhältnismäßig großen Polizeiaufgebot. Hier wurde ihnen nun ein schriftlicher Platzverweis (s. Anlage) erteilt. Begründet wurde dies mündlich damit, daß die vier “zum wiederholten Male am Zaun angetroffen” wurden (sprich: zum zweiten Mal, nämlich beim Verlassen des umzäunten Gebietes) und daß sie die “technische Sperre” (ergo: der Zaun) fotografiert hätten. (Was übrigens auch etliche andere TouristInnen an besagtem Tag dort ohne Polizeimaßnahmen taten. - Denn mal ehrlich, wo sieht mensch schon einen Zaun, der 1.000 Euro Steuergelder pro Meter kostet?). Die entsprechenden Zaunfotos (es wurde u.a. der jetzt schon entstandene Oberflächenrost auf dem nagelneuen Zaun fotografiert) mußten im Beisein der Polizei digital gelöscht werden. Mündlich wurde den Vieren auf Nachfrage darüber hinaus mitgeteilt, daß der Platzverweis dauerhaft gelte bis zum Ende des G8-Gipfels. Unseres Wissens ist dies das erste Mal, daß ein entsprechender Platzverweis schriftlich in Heiligendamm ausgesprochen wurde. Wenn ihr euch den Platzverweis mal anschaut, dann seht ihr, daß dort sowohl die “Rote Zone” als auch die beiden See-Sperrgebiete als Platzverweiszone eingezeichnet sind. (Die entsprechende Fläche ist übrigens im Original nicht farblich schraffiert, die ganze “Anlage 8″ wurde als schwarz-weiß-Kopie ausgegeben.) Wir möchten an dieser Stelle noch einmal allen mitteilen: Laßt euch nicht von Platzverweisen einschüchtern! - Platzverweise sind (als polizeilicher Gummiparagraph) mittlerweile alltägliches Mittel am Rande von Demonstrationen und anderen politischen Aktionen. Natürlich besteht die Gefahr, nach nochmaligem “Aufgreifen” in Gewahrsam genommen zu werden. Aber zum einen ist der zeitlich begrenzt, zum anderen kann die Polizei eben (gerade während der Gipfeltage) nicht alle Leute in Gewahrsam nehmen - dafür stehen ihr letztlich die entsprechenden Unterbringungsmöglichkeiten und die Transportfahrzeuge nicht in ausreichender Form zur Verfügung. Also allein die schiere Masse wird dafür sorgen, daß solche In-Gewahrsamnahmen nicht flächendeckend durchgeführt werden können. Also kommt nach Heiligendamm und habt ein paar gute Protesttage! Weil mittlerweile in einigen Teilen der Protestbewegung Widerspruchsvorlagen gegen Platzverweise kursieren, möchten wir kurz nach was dazu sagen. Mit dem Widerspruch gegen den Platzverweis das ist so eine Sache: Ein richtiger Rechtsbehelf ist die nachträgliche Klage beim Verwaltungsgericht. Hierzu muß mensch vorher keinen Widerspruch eingelegt haben. (Bitte vorher mit Deiner nächstgelegenen Rote Hilfe Gruppe bzw. Rechtshilfegruppe absprechen, ob das ein sinnvolles Vorgehen ist, u.a. auch in Bezug auf die entstehenden Kosten.) Rechtlich ist der Widerspruch also für die Tonne. Beeindrucken wird er die Polizei ebenso wenig. Wesentlich wichtiger erscheint auch aus Sicht der anwaltlichen Praxis, daß der Platzverweis dokumentiert wird, d.h. daß er schriftlich erteilt wird und erkennen lässt, welche Dienststelle und ggf. welcher Beamte ihn ausgesprochen hat. Sonst hat mensch nachher wieder keinen Klagegegner und die Polizei kann die Sache “bedauerlicherweise nicht zuordnen”. Für alle, die nach Heiligendamm fahren, hier noch einmal der Verweis auf unsere Rote Hilfe-Broschüre “Was tun wenns brennt” (als Download zu finden unter: http://www.rote-hilfe.de/media/files/was_tun_wenn_s_brennt). Sollte eigentlich Standardlektüre sein für alle, die auf politische Aktionen gehen. ;) Und wo wir schon dabei sind: Repression kostet Geld - ganz besonders im Zusammenhang mit solchen Gipfelprotesten! Es werden daher noch SpenderInnen gesucht, die das zentrale Antirepressionskonto zum G8 stärken. Es müssen nicht immer große Beträge sein (z.B. aus Soli-Partys, Soli-Konzerten, Kollekte auf politischen Veranstaltungen), auch viele kleine Spenden ergeben zusammen ein ordentliches Sümmchen. Rote Hilfe e.V. Die Spenden fließen zu 100% der Unterstützung kriminalisierter GipfelgegnerInnen zu. Nicht Müsli und Quark - Solidarität macht stark!!! Bescheid http://de.indymedia.org/2007/04/172891.shtml |
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