G8-Gegner streiten über Protestformen

Ostsee Zeitung 4. März 2007

Nach der Kritik an Attac-Sprecher Peter Wahl, der für friedliche Proteste gegen den G8-Gipfel warb, flammt die Gewaltdiskussion in der Szene auf.

Rostock (OZ) Zwei Monate vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm nimmt im Lager der Gipfelkritiker die Diskussion um die Protestformen gegen das Weltwirtschaftstreffen zu. Während die einen Gewalt ablehnen, erklären die anderen, Widerstand müsse „kraftvoll“ sein.

Auslöser der Debatte ist ein Treffen des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac mit Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD). Sprecher Peter Wahl hatte danach erklärt, Attac wolle heiße Debatten aber keine Straßenschlachten. Das allerdings brachte ihm harsche Kritik ein. „Aus unserer Sicht handelt es sich um ein hochgradig kontraproduktives Vorgehen“, wetterte „NoLager Bremen“ im Internet. „Wer so formuliert, läuft Gefahr, von der herrschenden Gewaltdefinition in die Ecke gedrängt und in seinem Aktionsspielraum massiv beschnitten zu werden.“

Es scheint, als sei die bislang mit viel Mühe unter der Decke gehaltene Gewaltdebatte schließlich doch aufgeflammt. „Wir wollen uns so laut, so renitent und so wirksam gegen den Gipfel stellen, wie wir es vermögen“, kündigt die bundesweite Initiative „Paula“ an und zählt auf, was möglich ist: „umherschweifende Schrubber- und Besenbrigaden, Straßengymnastik, Golfen und auch mal eine gut platzierte Scherbendemo in einer der umliegenden Städte.“ Kreatives Kasperletheater oder ein getarnter Aufruf zur Gewalt?

Frauke Banse von der „Kampagne Block G8“ hat angekündigt: „Wir sind darauf vorbereitet, tagelang die Zufahrten (zum Gipfel-Tagungszentrum) zu blockieren.“ Ziel der Aktionen sei es, „tausende von Mitarbeitern wie Dolmetscher oder Sicherheitskräfte festzuhalten“. Ebenso solle der Versorgungsverkehr lahm gelegt werden. Im Gespräch sind Blockaden der Autobahnen A19 und A20 und des Kühlungsborner Hotels „Morada“ in dem das Pressezentrum sein wird. Unter dem Slogan „g8andwar“ rufen Gipfelkritiker darüber hinaus zu einem Aktionstag am 5. Juni in Rostock-Laage auf. „Hier sollen am 5. Juni die Teilnehmer der G8-Konferenz einfliegen. Wir werden massenhaft vor Ort sein, denn mit ihrer Kriegspolitik können sie bei uns nicht landen“, heißt ein Aufruf.

Christoph Kleine von der „Interventionistischen Linken“ hält Blockaden als Form des zivilen Widerstandes für ebenso legitim, wie die Kampagne „Block G8“, die ankündigt: „Wir werden Polizeiabsperrungen überwinden, sie wegdrücken, sie umgehen oder geschickt durch sie hindurchfließen. Wir lassen uns nicht stoppen.“ Monty Schädel, Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft und Koordinator des Rostocker Bündnisses zur Vorbereitung des Gipfels, setzt auf Dialog: „Wir sind gegen Gewalt. Wenn sich die Polizei auch daran hält, kann nichts schief gehen.“

Knut Abramowski, Leiter des G8-Planungsstabes erklärt: „Bei gewalttätigen Ausschreitungen werden wir konsequent gegen die Gewalttäter vorgehen.“

„Manchmal“, sagt Monty Schädel, „ist es nicht ganz leicht einen Konsens zu finden.“ An einem Zerwürfnis innerhalb des G8-kritischen Lagers könne allerdings auch der Polizei nicht gelegen sein. „Abramowskis großes Ziel ist es, möglichst lange in der Öffentlichkeit gutes Klima zu verbreiten.“

Dass längst Einsatzpläne für die „mobile und zentrale Ingewahrsamsnahme vorläufig festzunehmender Tatverdächtiger“ ausgearbeitet und entsprechende „Unterbringungskapazitäten“ aquiriert sind, dass es eine Dauerbereitschaft der Rostocker Staatsanwaltschaft geben wird und die Gerichte angewiesen sind, „nötige Kapazitäten für eine rasche Aburteilung“ zu schaffen, ist noch kein Thema.

Unterdessen ist in Reddelich (Kreis Bad Doberan) ein zweites Camp für Gipfelgegner genehmigt worden. Das Lager könne vom 29. Mai bis zum 4. Juni von maximal 3000 Campern benutzt werden, anschließend könnten rund 5000 Menschen Unterkunft finden, gab das Amt Bad Doberan bekannt.

MANUELA PFOHL