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Die Importeure des ProtestsHamburger Abendblatt 16. März 2007 G-8-Gipfel Aus der ganzen Welt kommen Globalisierungsgegner - nur nicht aus Mecklenburg Hamburg ist Organisationszentrum für den Gegengipfel zum G-8-Treffen. Auch die Kirche ist dabei. Der Hamburger Politikstudent Chris Methmann (25) ist im Attac- Vorstand und hofft auf viele Demonstranten: „Das Thema G 8 bewegt alle, von Linksradikalen bis hin zu parteinahen Stiftungen.“ Denn eins ist schon jetzt deutlich, drei Monate vor dem Weltwirtschaftsgipfel im Ostseebad Heiligendamm: Der Protest gegen das Treffen ist Importware. “Heiligendamm wurde als Tagungsort auch deshalb ausgewählt, weil der Widerstand im Land nicht so entwickelt ist”, meint Schädel, der eigentlich Erzieher ist und derzeit als Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft fungiert. Nicht viel mehr als eine Handvoll Aktiver versucht das komplizierte internationale Netzwerk der Globalisierungskritiker auf das Großereignis zu trimmen - und dafür zu mobilisieren. Denn: Viele Demonstranten sind der Gradmesser für den Erfolg des Widerstands - und seinen Fortbestand. “Ich bin seit Sommer 2005 engagiert”, sagt Sibylle Gundert-Hock (51), bei der neben ihrer Arbeit als Koordinatorin des Eine-Welt-Landesnetzwerks Mecklenburg-Vorpommern die Fäden für den Alternativgipfel zusammenlaufen. “Wir wollen die Gipfelthemen kritisch begleiten”, so die studierte Ethmologin. “Es geht um eine andere Gestaltung der Globalisierung, eine gerechtere.” Deshalb sind Leute wie Literaturnobelpreisträger Harold Pinter, Befreiungstheologe Leonardo Boff oder der Uno-Sonderbeauftragte für Ernährung, Jean Ziegler, nach Rostock eingeladen, um Themen wie “Weltordnung/Krieg oder Umwelt/Klima/Energie zu diskutieren. Im Augenblick krankt der große Wurf der Weltverbesserer jedoch an ganz profanen Dingen. “Es schwer, überhaupt Räume zu mieten”, beklagt Gundert-Hock. Da sind die Koordinatoren für die anderen “Protest-Module”wie Kultur, Großdemo oder Blockade schon weiter. Zu der Truppe mit Vertretern aus verschiedenen Verbänden und Initiativen, die sich regelmäßig in Hannover trifft, gehört auch der Hamburger Chris Methmann (25). Er ist einer von einem Dutzend Mitglieder des sogenannten Koordinierungskreises von Attac Deutschland - und der zweitjüngste in dieser Art Vorstand der wohl bekanntesten Globalisierungskritiker. Methmann tingelt derzeit unentgeltlich durch die Republik, um mobil zu machen für den Gipfel: Er hält Vorträge zum Klimawandel, zu G 8. “Die Resonanz ist enorm, die Säle fast immer voll”, sagt der Politik-Student. Er hofft, bis Ende März mit seiner Diplomarbeit zur Rolle der Welthandelsorganisation in der Umweltpolitik fertig zu sein: “Dann beginnt für Heiligendamm die heiße Phase.” Ganz praktisch heißt das für ihn auch: Bis dahin müssen die Sonderzüge organisiert sein, die Globalisierungsgegner aus Richtung Wien, Basel und Bonn kommend nach “Meck-Pomm” bringen sollen. “Im Moment überlege ich gerade, wie wir dafür Fahrkarten verkaufen können”, sagt Methmann. Im Hannoveraner Bündnis wird die “Choreografie des Widerstands” entwickelt. Hamburg werde wegen seiner räumlichen Nähe zu einem “Mobilisierungszentrum”, sagt Chris Methmann voraus und betont: “Alles, was Attac macht, ist friedlich.” Hamburg ist Organisationszentrum für den Gegengipfel zum G-8-Treffen. Auch die Kirche ist dabei. Gewalttätige Aktionen wie die Brandanschläge auf vier Transporter des Dienstleistungsunternehmen Dussmann Ende Februar in Hamburg sind für die übergroße Vielzahl der Gipfelgegner tabu. Das gilt auch für die geplante Großdemonstration am 2. Juni in Rostock, einem der wichtigsten Elemente der einwöchigen Protestwoche. Das Motto: “Eine andere Welt ist möglich”. 100 000 Leute werden erwartet. “Gewalt ist nicht unsere Aktionsform”, sagt Ralf Göttlicher (33) von der Koordinierungsstelle Kirche & G 8 der evangelischen Landeskirche Mecklenburg. Zu den mehr als 70 Straftaten, die die Polizei deutschlandweit im Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsgipfel registriert hat, sagt er: “Im Sinn der Auseinandersetzung ist das nicht.” Bleibt mit Blick auf die vergangenen Gipfelproteste und 60 000 Polizisten, die den Großevent schützen sollen, die Frage: Wann fängt Gewalt an? Nicht bei Formen “des zivilen Ungehorsams wie der geplanten Blockadeaktion Block G 8″, meinen die meisten. “Es sind Blockaden im großen Umfang geplant”, sagt auch der Rostocker Koordinator Monty Schädel, unter anderem am Flughafen Rostock-Laage. “Und während des Gipfels wollen wir rund um Heiligendamm die Infrastruktur behindern”, so Schädel, der derzeit oft mit auswärtigen Besuchern zu Ortsbesichtigungen am 12 Kilometer langen Sicherheitszaun unterwegs ist. Ja, sagt er. Auch er könne sich vorstellen, mit einem Maulschlüssel die Schrauben am Zaun locker zu machen. Wenn allerdings gewalttätige Demonstranten versuchten, den Protest zu vereinnahmen, werde man das zu verhindern suchen. Notfalls auch mit Hilfe der Polizei. Um die Ängste in der Bevölkerung vor den Gipfelgegnern abzubauen, plant Schädel analog zu den Bürgerversammlungen der Polizei eigene Info-Abende. “Wir werden oft in einem Atemzug mit Chaoten und islamistischen Terroristen genannt”, sagt er. Der Widerstands-Koordinator hofft auf eine Lösung in der schwelenden Unterbringungsfrage für Tausende anreisender Demonstranten. Allerdings ist der Ton in den letzten Tagen schärfer geworden. “Wenn wir uns nicht einigen, werden Plätze besetzt.” Von Hanna-Lotte Mikuteit, Christian Denso erschienen am 16. März 2007 |
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