junge welt 4 März 2007
1000 Anmeldungen für Protestcamp gegen G-8-Gipfel in Bützow. Kritik an Organisationsform. Ein Gespräch mit André Harder
André Harder ist Sprecher des »Büros v.i.p.« in Schwerin, das das »G-8-Gute-Nacht«-Camp in Bützow organisiert.
Das »Büro v.i.p.« organisiert vom 1. bis 10. Juni in Bützow das Camp »G-8-Gute-Nacht«, das im Rahmen der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm stattfindet. Was ist das »Büro v.i.p«?
Wir sind eine Agentur, die bereits verschiedene Projekte organisiert hat, zum Beispiel das Konzert »Laut gegen rechts« oder die Jobparaden des DGB am 1. Mai. In Bützow sind wir Veranstalter des Camps und bieten die logistische Plattform für verschiedene Organisationen wie Gewerkschaften, Umweltverbände, Kirchen und Privatpersonen. Das politische Programm des Camps wird von den Teilnehmern organisiert.
Was gibt es für Programmpunkte?
Es wird Konzerte, Diskussionen und viele Workshops – politische und kulturelle – geben. Es werden sich auch Jugendclubs und soziale Projekte aus der Region vorstellen und zum Beispiel Essen oder Getränke anbieten, um sich zu finanzieren. Bei uns kann sich jeder anmelden oder etwas anbieten – mit Ausnahme von Nazis.
Wer hat sich bisher angemeldet?
Wir haben jetzt knapp 1000 Anmeldungen von etwa 40 Gruppen vorliegen. Ich will die Organisationen hier nicht konkret nennen. Sie sollen selbst entscheiden, wann und ob sie an die Öffentlichkeit gehen.
Von Gruppen, die an der Vorbereitung der Proteste gegen den G-8-Gipfel beteiligt sind, gibt es heftige Kritik am »Bützow-Camp«. Unter anderem wegen fehlender Selbstorganisation …
Wenn es darum geht, daß die Teilnehmer bei uns nicht die Toiletten aufbauen oder reinigen, dann ist das richtig. Sobald das Thema Selbstorganisation aber Inhalte betrifft, ist es nicht richtig. Ihre politischen Anliegen müssen die Teilnehmer des Camps selber rüberbringen. Wir bieten dazu Strom, die nötige Technik und zum Beispiel Stühle oder Zelte. Das ist eine Aufgabenteilung, die sich bewährt hat, und die auch bei verschiedenen Treffen in der G-8-Vorbereitung so besprochen worden ist.
Kritisiert wird auch, daß es Absprachen mit der Polizei und einen Sicherheitsdienst gibt. Welche Verabredungen gibt es?
Wir haben als Veranstalter Kontakt zur Polizei wie ihn auch jeder andere Demonstrationsanmelder hat. Die staatlichen Vorkehrungen zum G-8-Gipfel laufen auf Hochtouren, und ganze Gebiete werden zum Sperrgebiet. Es wäre in meinen Augen blauäugig zu meinen, im Umfeld des Camps würde es keine Sicherheitskräfte geben. Aber es wird keine Polizei auf dem Gelände sein und sicher auch nicht direkt vor dem Tor. Wir versuchen mit den Gruppen zu regeln, daß die Innensicherung des Camps von ihnen selbst bewerkstelligt wird.
Was hat es mit dem privaten Sicherheitsdienst auf sich?
Wir verhandeln aktuell mit den Behörden über die Auflagen. Es wird auch welche zur Anzahl von Ordnern geben, und es kann sein, daß wir einen Dienst beanspruchen müssen. Wir haben bei anderen Veranstaltungen den Ordnungsdienst von Hansa Rostock beauftragt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie erkennen zum Beispiel Neonazis und wissen mit ihnen umzugehen.
Die Hauptkritik ist die Ortsauswahl für das Camp. Bützow ist fast 50 Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt. Warum haben Sie sich dennoch für diesen Platz entschieden?
Die Erfahrung von anderen Gipfelprotesten sagt, daß man nicht bis an den Zaun kommt. Es hat schon Sicherheitskorridore im Umkreis von 50 Kilometern gegeben. Wir haben bei anderen Gelegenheiten, zum Beispiel am 1. Mai in Rostock, gesehen, wie schnell die Autobahnen gesperrt werden. Deshalb wollten wir raus aus diesem Kessel. Wir haben nach einem Ort gesucht, zu dem man vernünftig anreisen kann und wo man sein Programm in Ruhe organisieren kann. Mit der Bahn braucht man nach Rostock zum Gegengipfel und zu den anderen Protesten gegen den G-8-Gipfel 20 Minuten.
Das Bützow-Camp ist maßgeblich von der Gewerkschaft angestoßen worden. Inzwischen hat es aber einen Beschluß der IG-Metall-Jugend gegen das Camp gegeben, und auch die DGB-Jugend sagt auf ihrer Seite, daß weitere und besser gelegene Plätze freigegeben werden müssen.
Für uns ist kein Rückzug erkennbar. Ich akzeptiere natürlich die Entscheidung der IG-Metall-Jugend, und wenn doch Gruppen von ihr kommen, stehen ihnen die Türen offen. Es gibt unterschiedliche politische Ansätze und Schwerpunktsetzungen der Gipfelgegner und die müssen akzeptiert werden.
Während andere noch um Plätze in der Nähe des Geschehens ringen, haben Sie schon ein Angebot gemacht. Fallen Sie den Protestierenden damit nicht in den Rücken?
Wir wollen nicht spalten. Ein Teil der Kritiker war an der Auswahl des Standortes beteiligt. Die Vorlaufzeit mit der Platzauswahl und den Genehmigungszeiten liegt bei fünf Monaten. Es ist wirklich schwer, eine geeignete Fläche auf dem Land zu finden. Wir haben uns mit der Werbung lange zurückgehalten, aber an einem bestimmten Zeitpunkt mußten wir signalisieren, daß es den Platz gibt.
Wera Richter