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04.11.2006

Aufruf

Die Politik der Globalisierung, wie sie die G8 betreiben, führt in zahlreichen Ländern zu unerträglichen Lebenssituationen für die Menschen und stößt auf Widerstand. Sie lässt sich deshalb in letzter Konsequenz nur mit Repression und militärischer Gewalt gegen die Betroffenen durchsetzen. G8 und Krieg, Flucht, Migration gehören zusammen. Wir haben uns deshalb vorgenommen, die Verbindung zwischen G8 und Krieg und unseren Widerstand dagegen an zwei Orten sichtbar zu machen:

- in der Kyritz-Ruppiner Heide, wo die Bevölkerung seit 1992 erfolgreich verhindert, dass die Bundeswehr das ehemalige sowjetische Bombodrom für ihre Kriegsübungen nutzen kann,

- und am Flughafen Laage, wo das Jagdbombergeschwader 73 stationiert ist und wo beim G8-Gipfel die RegierungsvertreterInnen einfliegen werden.

Auf zum Bombodrom im Heidesand...
In Brandenburg, 80 km nördlich von Berlin, zwischen den Städten Wittstock und Neuruppin, liegt ein 142 Quadratkilometer großes Gelände, das die Sowjetarmee 40 Jahre lang als Bombodrom benutzt hat. Seit 1992 versucht die Bundeswehr, dieses Gelände weiter zu nutzen. Ihr Ziel: einen Luft-Boden-Schießplatz für Bundeswehr, EUund NATO-Truppen einzurichten, auf dem das Zusammenwirken von Luftwaffe und Bodentruppen geübt werden kann. Abwurf ungelenkter Bomben im Tiefflug, gelenkter Bomben aus großen Höhen, Übungen für den „Schulterwurf“ der in Bundeswehr-Hand befindlichen amerikanischen Atomwaffen durch die in Büchel stationierten Tornados des Jagdbombergeschwaders 33, das Zusammenwirken multinationaler Truppen und die Koordination zwischen Luftwaffe und Tausenden am Boden operierenden SoldatInnen – der Platz bietet einmalige Möglichkeiten, die ein Generalsherz höher schlagen lassen. Ein solcher Bombenabwurfplatz im eigenen Land, noch dazu der größte auf dem europäischen Festland, würde den militärischen Einfluss der BRD weiter stärken, nicht zuletzt im Hinblick auf den angestrebten ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat.

Der kombinierte Luft- und Bodenkrieg gewinnt in der „modernen Kriegsführung“ immer mehr an Bedeutung. Was dies in der Praxis auch für die Zivilbevölkerung bedeutet, wurde im jüngsten Libanonkrieg deutlich.

Kaum hatte die Bundeswehr ihre begehrlichen Blicke auf den Heidesand gerichtet, da wurde die lokale Bevölkerung aktiv: Unter dem Motto „Nicht hier und nirgendwo“ nahm sie den Kampf für eine friedliche Nutzung der Heide auf. Die Bürgerinitiative FREIe HEIDe hat mittlerweile über 100 Protestwanderungen durchgeführt und rund um das Militärgelände Mahnsäulen errichtet. Die Aktionsgemeinschaft „FREIER HIMMEL“ organisiert in Mecklenburg-Vorpommern – das von den Jagdbombern auf dem Weg zum Bombodrom überflogen würde - phantasievollen Widerstand. Zahlreiche Klagen beim Verwaltungsgericht haben den Nutzungsplänen der Bundeswehr Einhalt geboten – bisher erfolgreich. Zwar ist der Platz wegen der Munitionsbelastung militärisches Sperrgebiet, aber die Bundeswehr darf ihn nicht zum Üben nutzen. Das Verfahren liegt zur Zeit beim Verwaltungsgericht Potsdam.

Aber den Menschen vor Ort ist klar: Die Möglichkeiten der juri-stischen Verhinderung können schon bald erschöpft sein. Daher wur-de die Kampagne „ Bomben nein - wir gehen rein!“ ins Leben gerufen. Bereits über 1500 Menschen, der größere Teil aus der Region, haben mit ihren Unterschriften erklärt: „Wenn die Bundeswehr das Gelände in Betrieb nimmt, werden wir auf den Platz gehen, um die Einsätze durch unsere Anwesenheit zu behindern.“

Der langjährige Protest der örtlichen Bevölkerung und die Bereitschaft, bei Bedarf zum gewaltfreien Widerstand überzugehen, sind Zeichen von großem Mut, Ausdauer und Entschlossenheit. Es ist nicht einfach, sich über Jahre hinweg der Auseinandersetzung mit einem mächtigen Gegner zu stellen – im eigenen Lebensumfeld, ohne Netz und doppelten Boden. Einfach ist es auch nicht, ins Auge zu fassen, was es für den eigenen Alltag bedeuten wird, wenn die Bundeswehr den Übungsbetrieb aufnimmt – und die Bewegung den Widerstand dagegen, täglich, nachhaltig, real eingreifend in die Militärmaschinerie. Die Kriegsvorbereitungen, die auf dem Bombodrom geplant sind, betreffen uns alle - wir möchten uns deshalb den Menschen in der Region an die Seite stellen und hoffen auf eine Verbindung, die weit über den Gipfelprotest hinaus wirksam wird. Wir hoffen auf eine Begegnung in gegenseitigem Respekt, die zu einer langfristigen Verknüpfung unseres Widerstands führt. Es sind die Mischungen und Bündnisse, die bei aller Unterschiedlichkeit die Qualität radikaler sozialer Prozesse ausmachen.

... und dann weiter zum Flughafen Rostock-Laage!
Die Kyritz-Ruppiner Heide ist ein Ort, wo Kriegsvorbereitung erfolgreich verhindert wird. Rostock-Laage dagegen ist ein Ort, wo sie stattfindet. Mit dem Jagdbombergeschwader 73 sind dort die ersten deutschen Eurofighter stationiert. Zudem stiegen dort während der Fußball-WM Tarnkappenbomber auf. Der Flughafen Rostock-Laage ist schon heute militärischer Stützpunkt und gehört zur Infrastruktur des Gipfels: 2006 landete dort die Präsidentenmaschine für den Bush- Besuch bei Frau Merkel. Etliche der G8-GipfelteilnehmerInnen und Regierungschefs werden dort 2007 einschweben wollen. Im direkten Zusammenhang mit dem Aktionstag am 1.6. sehen wir deshalb die Aktionen am Flughafen Rostock-Laage am 5.Juni 2007, dem Tag der Ankunft der PolitikerInnen, des Begleitpersonals und der Logistik. Die geplante Blockade des Flughafens ist Ausdruck für ein deutliches „Nein“ zu Militarisie-rung und Krieg, zur kriegerischen “Weltordnungspolitik“ der G8-Staaten, zur Hochrüstung der Bundeswehr und zum geplanten Bombenabwurfplatz. Sie ist auch ein „Nein“ zu einem Gipfel, auf dem einige wenige VertreterInnen mächtiger Staaten über das Schicksal der Welt entscheiden; auf dem sie eine Politik machen, die immer neue Kriege und immer neue Flüchtlingsströme hervorruft.

Von der Heide bis zum Strand
Die Kopplung Bombodrom, Militärflughafen, Präsidentenlandung bietet die einmalige Möglichkeit, verschiedene Bereiche thematisch und praktisch(!) sichtbar miteinander verknüpfen. Und Deutschland als einen zentralen Pfeiler von Militarisierung und Krieg im Zusammenhang mit G8 sichtbar zu machen.

Aktionstag am 1.6.2007:
Vorläufige Neubesiedelung des Bombodrom-Geländes
Vermutlich am 31.5. treffen Karawanen und Euromärsche in der Kyritz- Ruppiner Heide ein und machen hier einen Zwischenstopp auf ihrem Weg nach Rostock. Deshalb haben wir den ursprünglich für den 3.6. geplanten Aktionstag vorgezogen.

Im geplanten Zielgebiet des Bombodrom-Geländes hat die Bundeswehr eine Holzpyramide als Zielmarkierung aufgestellt. Diese Zielpyramide steht für die zukünftigen Ziele der Jagdbomber, die hier üben sollen, um ihre eigentlichen Ziele, an denen Menschen leben, zu treffen. Der 1.Juni, internationaler Tag des Kindes erinnert uns besonders an die jüngsten Opfer der Kriege. Die meisten Opfer von Luftkriegen sind unter der Zivilbevölkerung zu beklagen, viele davon sind Kinder. Nachgebaute Zielpyramiden können als Hütten genutzt werden: „Jedes Ziel ein Zuhause“. Nachbildungen von Zielpyramiden könnten überall auftauchen: im Bombodromgelände, in der Kyritz- Wittstock-Ruppiner Heide, im gesamten Bundesgebiet, in ganz Europa. Eine Musterhütte oder ein Gemeinschaftshaus soll entstehen als Vorausblick auf ein zukünftiges Hüttendorf – wir kommen wieder, keine Frage!

Wer den eigenen Lebens- und Arbeitsraum mit einer Pyramide als potentielles Zielgebiet markiert, signalisiert damit: „Wenn irgendwo Bomben fallen, treffen sie uns alle.“ So könnte die Zielpyramide zum Symbol für den antimilitaristischen Widerstand werden - wahlweise als Mahnung in den Orginalfarben rot/weiß oder …

… in antimilitaristisches Rosa getaucht. Im Jahr 2002 haben AktivistInnen einen ehemaligen Kommandoturm der Sowjetarmee von oben bis unten pink angestrichen und zum „Pink Point Tourismuscenter“ erklärt. Dabei fiel auf – nicht zuletzt durch das pure Entsetzen auf Seiten der Soldaten - dass den Militärs mehr als das Anstreichen an sich die „unmännliche“ Farbe zu schaffen machte. Deshalb wird auch unser Widerstand, inklusive vieler Zielpyramiden, in antipatriarchales, ziviles Pink gekleidet sein.

Wir sind entschlossen, unsere Aktionen gewaltfrei durchzuführen. Als aufrufende Gruppen haben wir unterschiedliche Definitionen von Gewaltfreiheit und auch unterschiedliche Haltungen dazu. Wir werden in den Monaten bis zum Aktionstag noch miteinander klären, was das praktisch für unsere gemeinsamen Aktionen bedeutet.

G8 delegitimieren, antimilitaristische und antipatriarchale Bewegung stärken, Alternativen leben - für globalisierte Solidarität und ein klares “NEIN“ zu allen Kriegen.

Bündnis NoWar – NoG8
g8undkrieg@so36.net